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München: Wortkarge Zeugin verzögert NSU-Prozess

München

Wortkarge Zeugin verzögert NSU-Prozess

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    Die Angeklagte Beate Zschäpe (M) steht im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München neben ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer.
    Die Angeklagte Beate Zschäpe (M) steht im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts in München neben ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer. Foto: Marc Müller (dpa)

    Die 33 Jahre alte Friseurin aus Hannover, deren Namen die Hauptangeklagte  Beate Zschäpe zeitweise als falsche Identität nutzte, gab in ihrer Vernehmung in erster Linie an, sie könne sich an kaum etwas erinnern. Sie räumte zwar ein, einst ihre Krankenkassenkarte für 300 Euro an Holger G. verkauft zu haben, der als Unterstützer des rechtsextremen NSU-Trios angeklagt ist. Sie habe aber weder gefragt, noch sich dafür interessiert, wofür er sie gebraucht habe.

    Vernehmung von Böhnhardts Mutter verschoben

    Ihre zähe Vernehmung zog sich so lange hin, dass die ursprünglich für Dienstag geplante Vernehmung von Brigitte Böhnhardt, der Mutter des verstorbenen Neonazis und mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, verschoben werden musste. Sie soll nun am 19. November gehört werden.

    Zuvor hatten drei Autovermieter ausgesagt, bei denen das Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe Fahrzeuge ausgeliehen hat - oder ausleihen ließ.

    Autovermieter: Camper wurde nie bezahlt

    Was nach dem NSU-Desaster geschah

    Nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 begann in Deutschland eine mühsame politische Aufarbeitung der Geschehnisse. Nach und nach kamen Detail s zu den Verbrechen ans Licht - und die haarsträubenden Pannen bei der Aufklärung.

    13. November 2011: Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe.

    16. Dezember 2011: Als Folge der Ermittlungspannen im Fall NSU wird das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eröffnet. Dort sollen sich die Sicherheitsbehörden ständig über Gefahren aus der rechten Szene austauschen.

    27. Januar 2012: Im Bundestag nimmt ein Untersuchungsausschuss zum Fall NSU seine Arbeit auf.

    16. Februar 2012: Auch im Landtag von Erfurt startet ein Untersuchungsausschuss, weil das NSU-Trio aus Thüringen stammte.

    17. April 2012: Ein Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag macht sich an die Aufarbeitung - in Sachsen war das Trio jahrelang untergetaucht.

    2. Juli 2012: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, bittet nach den Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde um seine Entlassung.

    3. Juli 2012: Auch Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel muss sein Amt aufgeben.

    5. Juli 2012: Ein weiterer Untersuchungsausschuss geht im Landtag in München an die Arbeit - in Bayern hatten die NSU-Terroristen die meisten Morde begangen.

    11. Juli 2012: Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos tritt zurück.

    13. September 2012: Die Pannen rund um die NSU-Morde zwingen auch Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz-Chef Volker Limburg aus dem Amt.

    19. September 2012: Eine neue Neonazi-Datei geht in Betrieb. Die Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern sammeln darin Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Hintermänner.

    8. November 2012: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zschäpe.

    14. November 2012: Berlins Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid tritt von ihrem Posten zurück.

    7. Dezember 2012: Die Innenminister von Bund und Ländern einigen sich auf Reformen beim Verfassungsschutz: Dazu gehören eine zentrale Datei für Informanten des Inlands-Geheimdienstes und einheitliche Kriterien zur Führung dieser V-Leute. Der Informationsaustausch der Ämter in Bund und Ländern soll besser werden.

    14. Dezember 2012: Der Schock über die NSU-Verbrechen hat die Debatte über ein NPD-Verbot neu entfacht. Die Länder preschen vor und beschließen im Bundesrat, vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten.

    20. März 2013: Das Bundeskabinett entscheidet sich dagegen, einen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen.

    März 2013: Das Oberlandesgericht München steht wenige Wochen vor Prozessbeginn in der Kritik: Das Gericht hatte die Presseplätze nach dem Windhund-Prinzip vergeben. Alle türkischen und griechischen Medien gingen leer aus.

    4. April 2013: Eklat um den NSU-Prozess: Die türkische Zeitung "Sabah" reicht eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

    13. April 2013: Die Verfassungsschützer ordnen an, mindestens drei weitere Plätze für ausländische Medien zu schaffen. Das OLG verschiebt den Prozess daraufhin auf den 6. Mai - die Plätze werden im Losverfahren neu vergeben.

    Darunter war auch der Wohnwagen, in dem Böhnhardt und Mundlos tot gefunden wurden. "Wir haben ja immer noch das abgebrannte Wohnmobil irgendwo stehen, das noch nicht bezahlt wurde", sagte der Besitzer des Campers. An viel konnte er sich nicht erinnern - aber daran, dass der Mann, der das Fahrzeug mietete, freundlich und in Urlaubsstimmung gewesen sei. (dpa)

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