Nach dem ersten Spitzengespräch von Union und SPD pochen führende CDU-Politiker verstärkt auf eine Neuauflage der großen Koalition. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte in der "Wirtschaftswoche" zügige Koalitionsgespräche.
"Aus Sicht der CDU könnte und sollte es konzentrierter und schneller gehen", betonte sie. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte im ARD-"Morgenmagazin": "Wir wollen Verantwortung in einer stabilen Regierung übernehmen. Und deshalb ist das Angebot, in Koalitionsverhandlungen zu treten." Sozialdemokraten reagieren allerdings weiter reserviert.
Die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz sowie die Spitzen beider Fraktionen hatten sich 80 Tage nach der Bundestagswahl am Mittwochabend zu einem ersten Gedankenaustausch getroffen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der die Spitzen der drei Parteien nach dem Jamaika-Aus zum Gespräch gebeten hatte, sagte am Rande seines Besuchs in Gambia, die Beteiligten seien erfahren genug, um zu wissen, dass nach dem Scheitern der Gespräche über eine Jamaika-Koalition "für die Öffentlichkeit Zeitdruck entsteht". Der Bundespräsident könne aber nicht dazu auffordern, jetzt mit mangelnder Sorgfalt vorzugehen.
Die Union sprach sich danach für Regierungssondierungen mit der SPD "zur Bildung einer stabilen Regierung" aus - und setzt damit Schulz unter Druck, weil dies de facto eine Fortsetzung der in der SPD ungeliebten großen Koalition bedeuten würde.
Merkel informierte den Vorstand ihrer Partei über das Gespräch. Schulz und Nahles wollen ihre Parteigremien an diesem Freitag informieren. Der SPD-Parteivorstand soll dann entscheiden, ob Sondierungen beginnen oder nicht. Es wird erwartet, dass der SPD-Vorstand allenfalls ergebnisoffenen Sondierungen zustimmt.
Schulz hatte den Gang in eine große Koalition nach der Bundestagswahl ausgeschlossen. Er begründete das mit den herben Verlusten der SPD bei der Bundestagswahl. Der Parteibasis versprach er beim jüngsten Parteitag, "ergebnisoffen" zu verhandeln, das sollte auch Optionen wie eine Minderheitsregierung Merkels, die von der SPD unterstützt wird, beinhalten. Oder eine Kooperationskoalition ("Koko"), bei der die SPD zwar auch Minister in der Regierung stellt, aber nur auf bestimmten Feldern kooperiert. Beide Varianten sind der Union zu unsicher und werden daher abgelehnt.
Kramp-Karrenbauer rechnet mit keiner schnellen Regierungsbildung. "Ich bin skeptisch, dass es innerhalb kurzer Zeit klappt, denn die SPD hat sich da einen anderen Fahrplan auferlegt. Wir als Union sind sehr zielgerichtet bei der Sache. In der EU sehen wir, dass eine deutsche Regierung mit klarem Mandat gebraucht wird." Von der Leyen sagte, sie habe immer noch Vertrauen zur SPD. "Ich respektiere, dass die SPD jetzt ihre eigenen Position noch finden muss."
Es gibt weiter massive Widerstände in der SPD gegen eine GroKo. Die SPD-Linke pocht trotz der Unions-Position weiterhin auf ergebnisoffene Sondierungen. "Die SPD wird - wenn überhaupt - nur offen sondieren", sagte der zum linken Flügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe der Deutschen Presse-Agentur.
Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) sieht in einer Tolerierung einer Minderheitsregierung auf Bundesebene das derzeit tragfähigste Modell für eine Zusammenarbeit von SPD und Union. "Das wäre Neuland für Deutschland, aber andere Länder können das auch", sagte Sieling dpa. "Und wir sind immer stolz darauf, dass wir ein innovatives Land sind. Das können wir ja auch mal im politischen System sein." Der Vorschlag einer "Kooperations-Koalition" basiere auf dem Tolerierungsgedanken: "Kooperieren ja, aber nicht heiraten."
Die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD Baden-Württemberg, Hilde Mattheis, forderte ihre Partei auf, in die Opposition zu gehen: "Auch eine Partei, die sich in den Dienst stellt, in die Opposition zu gehen, ist im Parlamentarismus ein ganz wesentlicher Aspekt. Das darf man nicht verkennen", sagte sie "SWR Aktuell".
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, warnte vor einer Minderheitsregierung, Tolerierung oder einer Kooperation ohne feste Koalition. Bei Modellen mit wechselnden Mehrheiten bekäme die AfD eine Schlüsselrolle, sagte Schneider der "taz" (Freitag). "Diese Rolle will ich ihr nicht geben", betonte Schneider.
Scheitern alle Bemühungen um eine Regierungsbildung, bliebe nur eine vorgezogene Neuwahl als Ausweg - erstmals in der Bundesrepublik.