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Mohammed-Verunglimpfung: Moslems reagieren: Charmeoffensive statt Drohungen

Mohammed-Verunglimpfung

Moslems reagieren: Charmeoffensive statt Drohungen

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    Susanne Winter, Politikerin der rechtspopulistischen österreichischen FPÖ.
    Susanne Winter, Politikerin der rechtspopulistischen österreichischen FPÖ.

    So könnte die Islam-Beschimpfung in bisher ungehörter Härte durch die FPÖ-Politikerin Susanne Winter zu einem Lehrstück in Sachen Demokratie werden.

    Denn statt mit Drohungen wollen die rund 400.000 Muslime in dem überwiegend katholischen Land mit einer "Charmeoffensive" und offenen Moscheen reagieren und so die Vorurteile der Populistin entkräften. Politik, Kirchen und Verbände distanzieren sich ausdrücklich von Susanne Winter, der Spitzenkandidatin der rechten Freiheitlichen Partei (FPÖ) für die Kommunalwahl im steirischen Graz an diesem Sonntag, die mit ihrem Populismus fast europaweit bekannt wurde.

    Der Prophet Mohammed sei aus heutiger Sicht ein "Kinderschänder" und habe den Koran in "epileptischen Anfällen" geschrieben, sagte Winter am Wochenende beim Neujahrstreffen der FPÖ in Graz. Und sie legte noch nach. Österreich drohe ein "muslimischer Einwanderungs-Tsunami", meinte sie.

    Ihre Entgleisungen lösten landesweit Empörung und scharfe Kritik aus, vom Bundespräsidenten Heinz Fischer über die Kirchen bis hin zum Epilepsie-Dachverband wurden ihre Aussagen verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen Winter wegen Volksverhetzung, außerdem stellte die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich Strafanzeige wegen Herabwürdigung und Verspottung religiöser Lehren.

    "Das ganze kann ein Lehrstück für eine Zivilgesellschaft sein", sagt die Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Armina Baghajati. Bisher zeige der Fall auch, wie gut eine moderne Demokratie mit einer Krise umgehen könne. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hatte nach den Äußerungen ihre Empörung bekundet, ihre Mitglieder aber zur Besonnenheit aufgerufen. Nach dem Auftauchen von zwei Todesdrohungen gegen Winter im Internet hatte sich die FPÖ in ihrer Warnung vor dem "radikalen Islamismus" in Österreich bestärkt gesehen und lautstark vor einer Terrorgefahr gewarnt.

    Die Islamische Glaubensgemeinschaft setzte dem am Mittwoch eine "Charmeoffensive" entgegen und verurteilte die Drohungen als Einzelaktionen. "Wir dürfen dieser Dame nicht den Gefallen tun, auf ihre Provokationen einzugehen", warnte die Sprecherin. Am 20. März, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, wollen die Muslime nun mit einem landesweiten Tag der offenen Tür in Moscheen und Vereinen über ihre Religion informieren und Vorurteile abbauen. "Wir denken, dass wir nachhaltige Aktionen brauchen, die zeigen, dass wir Teil der Gesellschaft sind", sagte Baghajati.

    Dennoch sahen bei einer Umfrage nach Angaben der österreichischen Nachrichtenagentur APA 18 Prozent der Österreicher in den Aussagen Winters eine zulässige Kritik, 61 Prozent fürchten sich vor islamischen Drohungen. Auch nach Schätzung des Wiener Rechtsextremismusexperten Heribert Schiedel sind bis zu 18 Prozent der Österreicher anfällig für rassistische Parolen und damit potenzielle Wähler der FPÖ. Anders als in Deutschland könnten in Österreich Politiker noch stärker antisemitische und rassistische Thesen verbreiten, ohne zurücktreten zu müssen.

    Die große gesellschaftliche Ablehnung der Aussagen Winters hilft aus seiner Sicht nun der FPÖ mehr als sie schadet. Die Partei habe ihre Politikerin bewusst als von den Mächtigen geächtete Außenseiterin inszeniert, die sich als Einzige traut, die Wahrheit zu sagen. "Deshalb ist meine Freude über die Ablehnung ambivalent, am Wahlsonntag wird die Ernüchterung kommen", sorgt sich Schiedel. Ein Stadtratsposten in Graz sei der Populistin nun sicher.

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