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Möglicher Maulwurf: Islamist im Verfassungsschutz soll Gewalttat vorgeschlagen haben

Möglicher Maulwurf

Islamist im Verfassungsschutz soll Gewalttat vorgeschlagen haben

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    Der Verdacht, dass der enttarnte islamistische Verfassungsschutz-Mitarbeiter einen Bombenanschlag geplant hat, hat sich offenbar nicht bestätigt.
    Der Verdacht, dass der enttarnte islamistische Verfassungsschutz-Mitarbeiter einen Bombenanschlag geplant hat, hat sich offenbar nicht bestätigt. Foto: Oliver Berg, dpa

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) arbeitet nach der Enttarnung eines mutmaßlichen Islamisten in den eigenen Reihen mit Hochdruck an der Aufklärung. "Das BfV prüft derzeit, ob oder in welchem Umfang ein Schaden entstanden ist", sagte Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen am Mittwoch in Berlin. Die

    Der mutmaßliche Islamist hatte sich im Internet unter falschem Namen islamistisch geäußert und Dienstgeheimnisse verraten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf war der Mann erst im April 2016 als Quereinsteiger vom Verfassungsschutz eingestellt worden, um die islamistische Szene in Deutschland zu observieren. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen spanischen Familienvater, der inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft hat.

    Was ist über den Fall bekannt - und was ist unklar? Wichtige Fragen und Antworten:

    Wie kam der Maulwurf durch die Sicherheitsprüfung beim Verfassungschutz?

    Der verdächtige 51-Jährige hat sich nach den Worten von Maaßen völlig unauffällig verhalten. "Wir haben es hier offensichtlich mit einem Fall zu tun, in dem sich eine Person von seinem persönlichen Umfeld unbemerkt radikalisiert hat", sagte der BfV-Präsident. Sein Amt sei "wie jeder Nachrichtendienst Ziel von strategischen Einschleusungsversuchen ausländischer Dienste, Extremisten und Terroristen". Maaßen ergänzte: "Deshalb müssen wir als Sicherheitsbehörde besonders wachsam in Bezug auf Innentäter sein."

    Bei dem Islamisten handele es sich um einen "deutschen mehrfachen Familienvater". Dieser stamme "aus geordneten Verhältnissen, der dann auch im Dienst gute Arbeit gemacht hat". Er war mit der Beobachtung der gewaltbereiten salafistischen Szene betraut. Er sei schon vor der Einstellung zum Islam konvertiert.

    Hat der angebliche Islamist in den Verfassungsschutz-Reihen selbst einen Anschlag geplant?

    Wohl eher nicht. Nach Medien-Berichten und Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll der Mann einem Chat-Partner im Internet angeboten haben, Gleichgesinnten Zugang zum BfV zu ermöglichen. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf relativierte am späten Dienstagabend Berichte über einen geplanten Bombenanschlag. Die Ermittlungen hätten bisher keine Hinweise ergeben, dass eine Gefahr bestanden habe.

    Was wird dem Verdächtigen vorgeworfen?

    Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der versuchten Verletzung von Dienstgeheimnissen und des Bereiterklärens zur Begehung eines Verbrechens. Bei einer Durchsuchung wurden laut Staatsanwaltschaft Datenträger des Beschuldigten gefunden, die nun ausgewertet werden. Mit den Ermittlungen ist das Bundeskriminalamt beauftragt. Vom Ergebnis der Auswertungen dürfte abhängen, ob der Fall des enttarnten Islamisten womöglich in die Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes fällt.

    "Bislang haben sich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschuldigte bereits zuvor sicherheitsrelevante Kenntnisse an Personen aus dem gewaltbereiten salafistischen Szene weitergegeben hat oder andere strafrechtlich relevante Handlungen vorgenommen hat", erklärte die Staatsanwaltschaft. Weitere Angaben zum Sachverhalt und zur Person des Beschuldigten machte die Behörde mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht.

    Was soll der 51-Jährige konkret gemacht haben?

    Ihm wird vorgeworfen, sich beim Verfassungsschutz eingeschlichen zu haben, um gleichgesinnte Islamisten vor Polizeiaktionen zu warnen und ihnen einen Anschlag auf das BfV zu ermöglichen. Der Mann hat sich nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im Internet mit islamistischen Äußerungen hervorgetan. Dort soll er sich einem Chatpartner als BfV-Mitarbeiter zu erkennen gegeben und dabei "inhaltlich zutreffend Einsatzanlässe und -orte offenbart" haben. 

    Wie sind die Ermittler dem Mann auf die Schliche gekommen?

    Der Verfassungsschutz überwacht Chats und Facebook-Einträge von gewaltbereiten und besonders radikalen Islamisten und Salafisten. Im konkreten Fall ist der mutmaßliche islamistische Maulwurf im Verfassungsschutz an einen "echten" Verfassungsschützer geraten, der sich dort als Islamist ausgegeben hat. Der 51-Jährige soll seinem vermeintlich islamistischen Chatpartner erklärt haben, ein Anschlag auf die Zentrale des BfV sei "sicher im Sinne Allahs". Er sei zu allem bereit, "um den Brüdern zu helfen". Der 51-Jährige räumte die Vorwürfe ein.

    Hatte der Islamist im Verfassungsschutz Kontakt zu "echten" Glaubensbrüdern?

    Das ist nicht ganz klar. Die Ermittler glauben aber: Nein. Es gebe keine belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der Verdächtige vor seinem Kontakt zu dem undercover arbeitenden BfV-Mann sicherheitsrelevante Kenntnisse an Mitglieder der gewaltbereiten salafistischen Szene weiter gegeben habe, sagt die Staatsanwaltschaft.

    Was ist noch über den Verdächtigen bekannt?

    Laut Staatsanwaltschaft bezeichnete er sich selbst als Konvertit. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel und der Recherchegemeinschaft von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR soll der Mann vor zwei Jahren zum Islam übergetreten sein. Der Spiegel schreibt, der Mann habe seinen Treueeid 2014 dem salafistischen Prediger und Anwerber Mohamed Mahmoud telefonisch geleistet, der mittlerweile für die Terrormiliz "Islamischer Staat" in Syrien kämpft.

    In Ermittlerkreisen wurde dies nach dpa-Informationen zunächst nicht bestätigt. Es sei lediglich der geläufige Vorname Mohamed gefallen.

    Was sagt der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen dazu?

    Der Bundesverfassungsschutz überprüft nach der Enttarnung eines Islamisten in den eigenen Reihen seine Einstellungspraxis. "Wir werden natürlich diesen Vorgang gründlich aufarbeiten, um zu sehen, was wir daraus lernen können", sagte, am Mittwoch am Rande eines Treffens der Länder-Innenminister in Saarbrücken. Sein Amt habe "einen außerordentlich hohen Standard bei der Einstellung von Personen". Man müsse sehen, ob möglicherweise auch für die Einstellungspraxis anderer Behörden Konsequenzen gezogen werden müssten.

    "Wir haben eine ganze Reihe von Personen im Rahmen des Auswahlverfahrens filtern und aussieben können, wo wir den Eindruck haben, es sind Extremisten oder Personen, die für ausländische Nachrichtendienste arbeiten", berichtete Maaßen. Vor der Einstellung habe es eine "gründliche Sicherheitsprüfung" gegeben, "wo fünf Referenzpersonen befragt und wo sämtliche Register abgecheckt wurden". 

    Was sagen die Parteien?

    "Jetzt gilt es, vor allem zu klären, wie der enttarnte Mitarbeiter überhaupt beim BfV trotz Sicherheitsüberprüfung eingestellt werden konnte", sagte SPD-Innenexperte Burkhard Lischka der Deutschen Presse-Agentur. Wenn es Islamisten gelinge, bei einem Nachrichtendienst eingestellt zu werden, könne dies sehr gefährliche Folgen haben.

    Der Fall werfe die Frage auf, "ob es auch Nazis gelungen ist, Mitarbeiter im Bundesamt oder anderen Sicherheitsbehörden zu platzieren", sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. "Mich beunruhigt, dass man auf den Verdächtigen offenbar nur durch Zufall aufmerksam geworden ist", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz dem Handelsblatt.

    Der Unionsinnenexperte Stephan Mayer (CSU) hob hingegen im SWR hervor, "dass unsere Sicherheitsnetze und auch die Sicherheitsbehörden gut genug funktionieren, um derartige Schadstellen und Einfallstore zu schließen und die Straftäter zur Strecke zu bringen".

    Natürlich gerieten Staat und Politik in Erklärungsnot, wenn sich Sicherheitslücken auftäten, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion am Mittwoch dem Südwestrundfunk. Der Fall zeige aber auch, "dass es genügend Mechanismen gibt, derartige Maulwürfe schnell zu detektieren, schnell aufzudecken und dann auch zur Strecke zu bringen". Er sei immer etwas ambivalent, wenn derartige Fälle an die Öffentlichkeit gerieten, sagte Mayer.

    Was ist das Bundesamt für Verfassungsschutz?

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit Sitz in Köln ist die zentrale Behörde der Bundesrepublik zur Abwehr von Extremisten und Spionen. Es soll die Innere Sicherheit in Deutschland gewährleisten. Im Zentrum der Beobachtung stehen derzeit vor allem links- und rechtsextremistische Aktivitäten sowie die Bedrohung durch islamistischen Terrorismus.

    Die Verfassungsschützer beziehen ihre Informationen zum großen Teil aus allgemein zugänglichen Quellen wie Zeitungen oder öffentlichen Veranstaltungen. Um Informationen über kriminelle oder extremistische Gruppen zu erhalten, kommen aber auch Verbindungsleute (V-Leute) zum Einsatz - Spitzel aus der Szene. Das 1950 gegründete BfV hat nach eigenen Angaben 2900 Mitarbeiter. Es untersteht dem Innenministerium. Präsident ist seit 2012 der Jurist Hans-Georg Maaßen. dpa, AFP

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