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Missbrauchsfälle: Walter Mixa kritisiert "Sexualisierung" der Gesellschaft

Missbrauchsfälle

Walter Mixa kritisiert "Sexualisierung" der Gesellschaft

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    Walter Mixa, Bischof der Diözese Augsburg
    Walter Mixa, Bischof der Diözese Augsburg Foto: Fred Schöllhorn

    Schon 100 Opfer von sexuellem Missbrauch haben sich am Berliner Jesuitengymnasium Canisius-Kolleg gemeldet. Und fast täglich erfährt dessen Leiter Pater Klaus Mertes neue Namen. Ende Januar hatte er einen der größten Sexskandale innerhalb der deutschen katholischen Kirche öffentlich gemacht, dessen Ausmaße noch immer nicht vollständig bekannt sind.

    Der Augsburger Bischof Walter Mixa hat sich im Interview mit unserer Zeitung von den Missbrauchsfällen tief berührt gezeigt. "Es gibt wenige Nachrichten, die mich so erschüttern und betroffen machen", sagte er. Nahe gehe ihm, dass selbst Priester "in entsetzlicher Weise schuldig werden können". Solche Täter versündigten sich an der Psyche ihrer Opfer und gegen die Kirche. Allerdings sei sexueller Missbrauch von Minderjährigen ein verbreitetes gesellschaftliches Übel, das auch in Familien, Schulen oder Sportvereinen auftrete.

    Bischof Mixa betonte, an diesen "abscheulichen Verbrechen" sei die "sogenannte sexuelle Revolution sicher nicht unschuldig". "Wir haben in den letzten Jahrzehnten gerade in den Medien eine zunehmende Sexualisierung der Öffentlichkeit erlebt, die auch abnorme sexuelle Neigungen eher fördert als begrenzt", sagte Mixa. "Besonders progressive Moralkritiker" hätten sogar eine Legalisierung von sexuellen Kontakten zwischen Erwachsenen und Minderjährigen gefordert.

    Jeder Täter muss zur Verantwortung gezogen werden

    Der Augsburger Bischof räumte ein, dass in der Kirche "mancher Verantwortliche in der Vergangenheit gegenüber Sexualdelikten an Kindern und Jugendlichen zu blauäugig war". Missbrauch sei kein Gentleman-Delikt. Daher ging er mit dem Zeitgeist hart ins Gericht, der seiner Ansicht nach Resozialisierung statt Strafe propagiere und "auf eine Besserung des Täters in einem anderen Aufgabenfeld" gesetzt habe, anstatt diesen zur Verantwortung zu ziehen. Mixa spielte offenbar auf Fälle in der Vergangenheit an. In denen wurden Priester, die des sexuellen Missbrauchs verdächtig waren, zwar versetzt, hatten aber weiterhin Zugriff auf Minderjährige.

    Mixa verlangte, dass die verschiedenen kirchlichen Institutionen ihre Informationen über Auffälligkeiten oder Fehlverhalten von Mitarbeitern besser vernetzen sollten. Möglicherweise wird darüber auf der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz ab 22. Februar in Freiburg diskutiert.

    Kindesmissbrauch in der Kirche ist nicht nur in Deutschland ein Thema. Insgesamt 24 irische Bischöfe beraten seit Montag im Vatikan mit Papst Benedikt XVI. über das Vorgehen nach Tausenden von Missbrauchsfällen in den vergangenen Jahrzehnten auf der Insel. Fünf Bischöfe haben ihren Rücktritt angeboten. Der Vatikan sprach von einer "äußerst schweren Krise".

    Wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs eines 14-jährigen Mädchens hat die evangelische Kirchengemeinde Geesthacht in Schleswig-Holstein ihren Kantor vom Dienst suspendiert. Der Kirchenmusiker darf die Gemeinderäume nicht mehr betreten und keinen Kontakt zu Kindern haben. Von Alois Knoller und Daniel Wirsching

    Das Interview mit Bischof Walter Mixa lesen Sie im Politik-Teil der Dienstagsausgabe unserer Zeitung. (AZ)

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