Das Mindestlohn-Gesetz, das SPD-Arbeitsministerien Andrea Nahles vorantreibt, wird in wenigen Tagen verabschiedet. Doch die Diskussion um die Regelung des Mindestlohns hält weiter an. Gegenüber der Bild kündigte CSU-Wirtschaftspolitiker Peter Ramsauer Nein-Stimmen aus den Reihen der Union zur Gesetzesvorlage von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) an. Von der Linken hagelte es Kritik, SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nannte die Kritik von Gewerkschaftern "überzogen und unsachgemäß".
Ramsauers kritisiert Mindestlohn-Gesetz
Peter Ramsauer, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, sagte gegenüber der Zeitung: "Das Gesetz geht nach wie vor wirtschaftspolitisch in die falsche Richtung, deshalb werden viele Wirtschaftspolitiker der Union nicht zustimmen." Ramsauer übte heftige Kritik am Kurs der großen Koalition in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. "Wir sind dabei, unsere Energiekosten zu erhöhen, unsere Sozialkosten zu erhöhen und Investitionen herunterzufahren. Damit gefährden wir die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft Deutschlands."
Eine Spitzenrunde der Koalition aus Union und SPD hatte am Freitag den Weg für die Verabschiedung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro geebnet. Dabei wurden Ausnahmen für die Zeitungsbranche, für Saisonarbeit und für die Beschäftigung von Praktikanten vereinbart.
Verteidigung der Mindestlohn-Ausnahmen für Agrar-Saisonarbeiter
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) verteidigte die Mindestlohn-Ausnahmen für Agrar-Saisonarbeiter. "Ausnahmeregelungen beim Mindestlohn für Betriebe im Obst- und Gemüseanbau sind keine Durchlöcherung des Gesetzes, sondern ein Beitrag zur Überlebensstrategie heimischer Betriebe", sagte Schmidt der "Passauer Neuen Presse" (Montagsausgabe). Ohne solche Regelungen würden "manche Arbeitsplätze zukünftig nicht mehr bestehen bleiben." Laut Medienberichten sollen Zeitungszusteller 2015 und 2016 deutlich weniger als 8,50 Euro in der Stunde erhalten. Bei Erntehelfern in der Landwirtschaft können die Kosten für Kost und Logis verrechnet werden. Studentenpraktika bis zu drei Monaten sollen ebenfalls von der Lohnuntergrenze ausgenommen sein.
"Durchlöcherung des Mindestlohns"
Koalitionsvertrag: Was auf die Verbraucher zukommt
Die von Union und SPD im Koalitionsvertrag besiegelten Vorhaben haben Auswirkungen auf viele Lebensbereiche der Bürger. Auf die Verbraucher kommen Neuerungen etwa bei Mieterhöhungen, Arztterminen und in der Datenkommunikation zu.
MIETPREISBREMSE: Die Länder können in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt - zunächst für fünf Jahre - die Mieterhöhungen bei Wiedervermietung auf zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzen. Bei Einschaltung eines Maklers gilt: Wer ihn beauftragt, der bezahlt auch.
DISPOKREDIT: Wer sein Konto überzieht und in den Dispo rutscht, soll von seiner Bank einen Warnhinweis erhalten.
PFLEGEVORSORGE: Für die Sozialversicherten wird es teurer, da der Beitragssatz zur Pflegeversicherung spätestens zum 1. Januar 2015 steigt - und zwar um 0,3 Prozentpunkte. Danach soll der Beitrag noch einmal um 0,2 Punkte angehoben werden.
PFLEGEZEIT: Wer kurzfristig Zeit für die Organisation der Pflege eines Angehörigen benötigt, soll sich eine zehntägige Auszeit nehmen können und dafür weiter Gehalt bekommen - ähnlich wie beim Kinderkrankengeld.
ELTERNGELD PLUS: Um Eltern den Widereinstieg in den Job zu erleichtern, sollen sie für die Dauer von 28 Monaten das Elterngeld in Kombination mit einer nicht geringfügigen Teilzeitarbeit erhalten. Dass soll vor allem Alleinerziehenden helfen.
FLEXIBLERE ARBEITSZEITEN: Für Arbeitnehmer, die wegen der Kindererziehung oder Pflege Angehöriger kürzer treten wollen, soll ein Rechtsanspruch auf Befristung der Teilzeit geschaffen werden - also ein Recht auf Rückkehr zur Vollzeit-Tätigkeit.
SCHUTZ VOR STROMSPERREN: Intelligente Stromzähler mit Prepaid-Funktion sollen Verbraucher besser davor schützen, dass ihnen wegen unbezahlter Rechnungen Strom oder Gas abgedreht werden.
ARZTTERMINE: Wer als gesetzlich Versicherter nicht innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin bekommt, kann sich ambulant im Krankenhaus behandeln lassen.
MINDESTLOHN: Ab dem 1. Januar 2015 wird es einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Er soll von einer Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Experten festgelegt werden. Ausnahmen von dem Mindestlohn gibt es danach noch für zwei Jahre in Branchen, wo repräsentative Tarifverträge gelten. Ab 2017 gilt der Mindestlohn dann in ganz Deutschland uneingeschränkt.
RENTE: Mütter und Väter von vor 1992 geborenen Kindern sollen ab 1. Juli 2014 mehr Rente für die Erziehungszeit bekommen. Auch soll es finanzielle Erleichterungen für Menschen geben, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig in den Ruhestand gehen und Erwerbsminderungsrenten erhalten. Menschen, die 45 Jahre in die Renteversicherung eingezahlt haben, sollen ab dem 1. Juli künftig schon mit 63 in Rente gehen können. Renten-Verbesserungen sind daneben für Geringverdiener vorgesehen.
PKW-MAUT: Der Koalitionsvertrag sieht eine «europarechtskonforme Pkw-Maut» vor. Damit sollen ausländische Autofahrer an den Ausgaben für das Autobahnnetz beteiligt werden. Auf deutsche Autofahrer sollen keine Mehrkosten zukommen.
LÄRMSCHUTZ: Anwohner von Flughäfen und Bahnstrecken sollen besser geschützt werden. Der Schienenlärm soll bis 2020 deutschlandweit halbiert werden. Bei der Festlegung der Flugrouten sollen Anrainer frühzeitig beteiligt werden.
INTERNET: Auch in ländlichen Gegenden sollen die Menschen schnelles Internet haben und zwar flächendeckend mindestens 50 Megabit pro Sekunde bis 2018. Außerdem wollen Union und SPD die rechtlichen Voraussetzungen für kostenlose WLAN-Angebote in Städten schaffen.
AUTOFAHRER: Die Polizei soll bei Alkoholsündern künftig weitgehend auf Blutproben verzichten und die Werte per Atem-Alkoholtest bestimmen. Ein Fahrverbot soll als Alternative zur Freiheitsstrafe und zusätzliche Sanktion ins Strafrecht aufgenommen werden, vor allem für diejenigen, «für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt».
Der Vorsitzende der Dienstleistungsgesellschaft Verdi, Frank Bsirske, sagte am Wochenende, die Zahl der Betroffenen liege bei "mindestens drei Millionen Menschen". Der Bundesvorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Klaus Barthel, forderte die Rücknahme der jüngsten Ausnahme-Vereinbarungen. "Die angedachten weiteren Ausnahmen beim Mindestlohn belegen, dass es einigen in der Union nicht um die sachgerechte Umsetzung des Koalitionsvertrages geht, sondern um die systematische Durchlöcherung des Mindestlohnes bis zur Unkenntlichkeit", sagte BarthelHandelsblatt Online. Die neuen Vorschläge, beispielsweise im Hinblick auf die Saisonarbeit, seien eine erneute "Einladung für Umgehungen und Missbrauch, auch zulasten der Sozialkassen".
Die SPD-Generalsekretärin sagte Spiegel online, sie gehe davon aus, dass sich über die Einführung des Mindestlohns "alle Gewerkschaftsvorsitzenden gleichermaßen freuen". Für "mindestens 3,7 Millionen Beschäftigte" bedeute der Beschluss zum Mindestlohn eine "bislang nicht gekannte Absicherung". An diesem Montag findet im Arbeitsausschuss des Bundestages eine Expertenanhörung zu den schwarz-roten Mindestlohnplänen statt. Das Gesetz soll dann am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden. afp/AZ