Fast 70.000 Tarifverträge gibt es in Deutschland – Schutz und Sicherheit für Beschäftigte aber garantieren sie immer seltener. Nicht einmal ein Drittel der Unternehmen ist nach Angaben von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) noch tarifgebunden, der klassische Flächentarif gilt somit nur noch für etwa die Hälfte aller Beschäftigten. Der neue Mindestlohn, den das Kabinett gestern beschlossen hat, ist auch eine Reaktion auf diese Entwicklung. Von ihm sollen insgesamt 3,7 Millionen Beschäftigte profitieren.
Höhe: Ab 2015 gilt in Deutschland ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Eine Reihe von Branchen, darunter das Taxigewerbe und die Landwirtschaft, hat noch zwei Jahre länger Zeit, ihn einzuführen. Wo Tarifverträge bereits höhere Mindestlöhne vorsehen, gelten die höheren Stundensätze. Branchen, deren Tariflöhne bisher darunter liegen, müssen sie künftig auf 8,50 Euro anheben.
Ausnahmen: Für Auszubildende, Ehrenamtliche, Praktikanten und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach der Anstellung gilt der Mindestlohn nicht. Praktikanten sollten jedoch genau hinsehen: Ist ihr Praktikum für Schule oder Studium Pflicht oder höchstens sechs Wochen lang, dürfen sie auch mit weniger als 8,50 Euro entlohnt werden. Kommen sie dagegen schon zum zweiten Mal zu einem Praktikum in den gleichen Betrieb oder als billige Aushilfskräfte, haben auch sie Anspruch auf den Mindestlohn.
Verfahren: Noch vor der Sommerpause soll der Bundestag den flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro beschließen. Über künftige Erhöhungen entscheidet dann allerdings nicht mehr die Politik, sondern eine Kommission, in der jeweils drei Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sitzen werden sowie ein von ihnen gemeinsam vorgeschlagener Vorsitzender. Außerdem darf jede Seite noch jeweils ein beratendes Mitglied stellen, das allerdings kein Stimmrecht hat.
Kontrolle: Die Zollbehörden, die bereits der Schwarzarbeit auf der Spur sind, wachen auch über die Einhaltung des Mindestlohns und erhalten dafür auch zusätzliches Personal. Bei einer speziellen Hotline können Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich künftig nicht nur informieren, sondern auch Verstöße gegen die Neuregelung melden. Arbeitgebern, die keinen Mindestlohn bezahlen, drohen Geldbußen von bis zu 500 000 Euro. Wichtig zu wissen: Der Stundenlohn von 8,50 Euro gilt auch für ausländische Arbeitnehmer – egal, ob sie bei einer deutschen oder einer ausländischen Firma angestellt sind.
Minijobber: Sie haben, unabhängig von Arbeitszeit und Arbeitsumfang, ebenfalls Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Steuern und Sozialabgaben zahlt bei ihnen auch künftig nur der Arbeitgeber.