Ob bei Staatsbesuchen, Fußballspielen oder der Grenzsicherung: Deutsche Polizisten arbeiten regelmäßig über ihren regulären Schichtdienst hinaus. Die Folge: Sie sammeln Überstunden in Millionenhöhe. Allein bei der Bundespolizei seien es 2019 bislang 1,9 Millionen gewesen, sagte Jörg Radek unserer Redaktion. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei fordert deshalb mehr Beamte. „Wir haben nicht genügend Personal, um gleichzeitig Gefahren abzuwehren und Strafverfolgung zu betreiben. Für uns ist das eine sehr ungünstige Position.“
Gerechnet auf alle Bundespolizisten wirkt die Überstundenzahl nicht sehr hoch. Bei 38.775 Beamten wären das 1,6 Stunden pro Woche und Polizist. Doch laut Radek sind nicht alle Beamten in gleichem Maße belastet. Bei der Begleitung von Fußballfans in der Bahn etwa fielen mehr Überstunden an als beim Dienst am Flughafen. Ein wesentliches Problem ist in seinen Augen, dass die Polizei in der Öffentlichkeit zu wenig Präsenz zeigen kann, um Kriminalität effektiv zu verhindern. Insgesamt sei Deutschland zwar sicherer geworden, jedoch nicht in der Wahrnehmung der Bürger.
Das Innenministerium will mehr als 12.000 Stellen schaffen
Radek befürchtet, dass vor allem auf die Bundespolizei, die unter anderem für den Grenzschutz und die Sicherheit an Flughäfen und Bahnhöfen verantwortlich ist, noch weitere Aufgaben zukommen: etwa bei Einsätzen der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex, zu der Deutschland 11.000 Stellen beisteuern müsse.
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren hat sich die Lage allerdings ein wenig entspannt. So seien Radek zufolge in den ersten sieben Monaten des Jahres 2016 rund 2,8 Millionen Überstunden angefallen. Allerdings befand sich die Bundespolizei damals vor allem durch die Einwanderung nach Deutschland in einer Ausnahmesituation. So wurden etwa an der Grenze viele zusätzliche Beamte gebraucht. Außerdem hat die Polizei in den vergangenen Jahren bereits mehr Beamte eingestellt. Das macht sich Radek zufolge bemerkbar. Bis 2021 will das Bundesinnenministerium insgesamt rund 12.600 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei schaffen. Der Gewerkschafter hofft, dass die Einstellungen dann ihre „volle Wirkung entfalten können“. Er fordert aber darüber hinaus noch weitere Stellen, um die Lücken zu füllen, die durch Pensionierungen entstehen.
Die aktuelle Einstellungswelle sei keine dauerhafte Entwicklung
Auch bei der bayerischen Landespolizei werden mehr Beamte eingestellt. Bis 2023 sollen nach Angaben des Innenministeriums jährlich 500 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Insgesamt beginnen im Freistaat 1500 und 1800 Personen pro Jahr eine Ausbildung bei der Polizei. „Wir können bis 2023 von den erhöhten Einstellungszahlen profitieren“, sagt Rainer Nachtigall, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Teilweise sei sogar ein Überschuss bei den Einstellungen möglich.
Trotzdem gibt es nach seinen Worten auch in Bayern zu wenig Polizisten. Aktuell fehlen Nachtigall zufolge acht Prozent. Dadurch seien im Freistaat in den vergangenen Jahren ebenfalls zahlreiche Überstunden angefallen. Auch die aktuelle Einstellungswelle sei keine dauerhafte Entwicklung. Wie es nach 2023 weitergeht, bleibe abzuwarten. Nachtigall fordert deshalb, die Zahl der Pensionierungen auch künftig auszugleichen, indem frühzeitig genügend Polizeianwärter eingestellt werden. „Es tauchen immer wieder neue Phänomene auf, mit denen sich die Polizei beschäftigen muss.“ Besonders belastend seien aktuell etwa Abschiebungen. Eine Sprecherin des Innenministeriums sieht die Polizei im Freistaat dagegen gut aufgestellt. Die personelle Ausstattung sei grundsätzlich so beschaffen, dass genug Beamte vorhanden sind.
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