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Migration: Nur noch 85 Flüchtlinge pro Tag

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Nur noch 85 Flüchtlinge pro Tag

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    Flüchtlinge aus Syrien kommen in Rostock an.
    Flüchtlinge aus Syrien kommen in Rostock an. Foto: Bernd Wüstneck/Archiv/dpa

    „Große Fortschritte“ – das Urteil der EU-Kommission über das Funktionieren des EU-Türkei-Deals steht angesichts der Situation etwas zwiespältig im Raum. Als der Vizepräsident der Brüsseler Kommission, Frans Timmermans, am gestrigen Mittwoch dann auch noch feststellte, die „Zahl der Personen, die die Ägäis zu überqueren versuchen und dort ums Leben kommen“, sei „zurückgegangen“, hinterließ die jüngste Bilanz des Abkommens endgültig ein schales Gefühl.

    Denn inzwischen ertrinken die Flüchtlinge auf einer anderen, neuen Route von Libyen nach Italien. Dabei weisen die Zahlen tatsächlich auf eine positive Wirkung des Türkei-Deals hin: Kamen im Oktober 2015 noch 7000 Hilfesuchende pro Tag über die

    EU-Migrationskommissar Dimitros Avramopoulos lobte sogar ausdrücklich Griechenland und Italien, wo inzwischen zu „fast“ 100 Prozent Fingerabdrücke erfasst und registriert würden und damit die Voraussetzungen erfüllt worden seien, um – wie von Ankara zugesagt – die Flüchtlinge auch wieder auf türkischen Boden zurückzuführen. Dass das Zahlenwerk die tatsächliche Lage aber nur beschränkt wiedergibt und wohl eher denen politische Schützenhilfe leisten soll, die vergleichbare Verträge mit weiteren nordafrikanischen Staaten abschließen wollen, belegte ausgerechnet der von Brüssel gelobte hellenische Europaminister Nikos Xydakis in einem Zeitungsinterview: „Wir müssen jeden einzelnen Asylantrag auf individueller Basis bearbeiten. Wir brauchen mehrere hundert Fachbeamte, um das zu leisten. Die haben wir aber nicht.“ Vor dem EU-Türkei-Abkommen hätten lediglich drei Prozent der Flüchtlinge Asyl beantragt. Inzwischen seien es 99 Prozent.

    Um diese Flut bewältigen zu können, hatten die EU-Mitgliedstaaten versprochen, 400 Experten in die Hotspots auf den griechischen Inseln zu schicken. „Bis heute sind aber nur 26 angekommen.“ Athen fühlt sich alleingelassen – mit rund 14000 Migranten auf seinen Eilanden. Die eigentlich vereinbarte Rückführung in die Türkei funktioniert bestenfalls schleppend.

    Erste große Rückführung von Flüchtlingen in die Türkei

    Am Montag dieser Woche brachte ein Schiff der EU-Grenzschutzagentur Frontex 70 Flüchtlinge von Lesbos in die türkische Hafenstadt Dikili – es war die erste große Rückführung seit Inkrafttreten des Deals mit Ankara Ende März dieses Jahres. Insgesamt waren es bisher 578 Hilfesuchende, die Griechenland wieder Richtung Bosporus verlassen mussten. Auch die sogenannte Umverteilung von Migranten aus griechischen und italienischen Auffangzentren hält sich in Grenzen. 4455 Personen wurden aus Griechenland an andere EU-Staaten verteilt – darunter 192 nach Deutschland. 1196 Menschen konnten die italienischen Zentren verlassen – 20 fanden in der Bundesrepublik eine neue Bleibe. Zum Vergleich: Insgesamt sollten 160000 Menschen innerhalb von drei Jahren umgesiedelt werden. Zwar begrüßte Kommissions-Vize Timmermans die „Bemühungen der Mitgliedstaaten, die Zahl der Umverteilungen zu erhöhen“. Gleichzeitig kritisierte er aber auch „diejenigen, die mehr tun können“.

    Konkret richtet sich die Kritik an Ungarn und Polen, die aus diesem EU-Programm nicht einen einzigen Flüchtling ins Land ließen. Die ebenfalls gerügte Slowakei gab immerhin drei Personen aus Hellas eine neue Heimat. „Wir sind extrem unzufrieden mit der Umsetzung des Beschlusses“, hieß es denn auch hinter den Kulissen der Kommission.

    Athens Minister Xydakis zeigte am Mittwoch auf, wie weit die Gemeinschaft von den selbst gesteckten Zielen entfernt ist: „Seit September 2005 sind im Vergleich zu den 65.000 vereinbarten nur rund 3500 Flüchtlinge aus Griechenland auf andere Länder verteilt worden. Das ist viel zu wenig.“

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