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Migration: Griechenland fürchtet Flüchtlingsbewegung aus Afghanistan

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Griechenland fürchtet Flüchtlingsbewegung aus Afghanistan

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    Griechische Polizisten patrouillieren an der Grenze zur Türkei.  Die Regierung in Athen kritisiert, dass Brüssel das Land im Stich lässt.
    Griechische Polizisten patrouillieren an der Grenze zur Türkei. Die Regierung in Athen kritisiert, dass Brüssel das Land im Stich lässt. Foto: Giannis Papanikos, dpa

    Die griechische Regierung blickt mit Sorge auf Afghanistan. Eine Million Menschen könnten in den kommenden Wochen und Monaten vor den Taliban fliehen. Und das ist noch das günstige Szenario. Im schlimmsten Fall rechnen die Verfasser der Studie, über die am Wochenende die Athener Zeitung Ta Nea berichtete, mit zwei Millionen Flüchtlingen. Viele von ihnen dürften versuchen, über den Iran und die Türkei nach Griechenland zu gelangen, dem Tor zur EU.

    Aber ausgerechnet jetzt dreht die EU Athen bei der Grenzsicherung den Geldhahn zu. Die Griechen fühlen sich von Europa im Stich gelassen. Das Papier, das Griechenlands Premierminister Kyriakos Mitsotakis vor einigen Tagen auf den Schreibtisch bekam, ist brisant: Der Iran verstärkt seine Truppen an der afghanischen Grenze. Die Türkei hat 156 Kilometer ihrer 534 Kilometer langen Grenze zum Iran mit einer drei Meter hohen Betonmauer gesichert, weitere 64 Kilometer Mauer sind im Bau. Die Sperranlagen sich mit Wärmebildkameras und Bewegungsmeldern gespickt.

    Griechenlands Premierminister wurde will sich nicht damit abfinden, dass die EU Geld für die Grenzsicherung streicht.
    Griechenlands Premierminister wurde will sich nicht damit abfinden, dass die EU Geld für die Grenzsicherung streicht. Foto: Matthias Balk, dpa

    Auch Griechenland will mehr für die Grenzsicherung tun. In der Ägäis soll die Küstenwache ihre Patrouillen verstärken. Dafür werden neue Schnellboote und zusätzliches Personal benötigt. Die griechische Regierung hat deswegen Finanzhilfen der EU beantragt. Sie unterstützte Griechenland beim Schutz der EU-Außengrenze bereits seit 2016 mit über 640 Millionen Euro. Marineminister Giannis Plakiotakis meldet einen zusätzlichen Finanzbedarf von 15,8 Millionen Euro an.

    Aber die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson will die Gelder nicht bewilligen. Künftige Zahlungen sollten "mit der Einrichtung eines Mechanismus zur Überwachung der Grundrechte verknüpft werden“, sagte Johansson dem Spiegel. Gemeint sind die umstrittenen Pushbacks. Menschenrechtsorganisationen werfen der griechischen Küstenwache vor, sie dränge immer wieder Flüchtlingsboote in türkische Gewässer zurück, ohne den Schutzsuchenden die Möglichkeit zu geben, Asyl zu beantragen. Solche Zurückweisungen sind nach dem Völkerrecht verboten. Griechenland beruft sich auf sein Recht, irreguläre Grenzübertritte zu verhindern.

    Athen beklagt, dass man es der EU nie recht machen könne

    "Wir können es den Europäern offenbar nie recht machen“, sagt ein Regierungsmitarbeiter in Athen verbittert. Er erinnert daran, dass viele EU-Politiker den Griechen 2015 in der Flüchtlingskrise vorwarfen, sie kontrollierten ihre Grenzen nicht wirkungsvoll genug. "Jetzt sichern wir die Grenzen, aber nun ist es auch wieder nicht recht“, klagt der Offizielle. Ministerpräsident Mitsotakis unterstrich jetzt, die Ereignisse vom Sommer 2015, als über eine Million Menschen unkontrolliert aus der Türkei nach Griechenland und weiter nach Europa strömten, dürften sich nicht wiederholen. Mitsotakis sieht sein Land als "Opfer einer Politik, die ein erhebliches Versagen der europäischen Institutionen offenbart“.

    Seit Jahren bemühen sich Griechenland und andere Erstankunftsländer wie Italien und Spanien um eine gerechtere Verteilung der Schutzsuchenden und ihrer Asylverfahren auf alle EU-Staaten.. Sie scheiterten damit bisher, weil die EU sich nicht auf eine gemeinsame Asylpolitik einigen kann. Auch die Türkei spielt nicht mit. Sie verhindert weder die Schleusungen in der Ägäis, noch nimmt sie abgelehnte Asylbewerber aus Griechenland zurück – obwohl sie dazu nach dem Flüchtlingspakt verpflichtet ist.

    Die Türkei hat erhebliches Erpressungspotenzial

    In unguter Erinnerung ist den Griechen der März 2020, als der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan die Landgrenze zu Griechenland für geöffnet erklärte. Zehntausende Migranten belagerten wochenlang den griechischen Übergang Kastanies. Das könnte sich bald wiederholen. Ende August machten sich bereits mehrere hundert Afghanen von Istanbul zur Grenzstadt Edirne auf, nachdem im Internet Gerüchte kursierten, Griechenland werde die Schlagbäume für Flüchtlinge aus Afghanistan öffnen. Diesmal hielt die türkische Polizei die Migranten noch auf. Aber wenn es Zehn- oder gar Hunderttausende werden, könnte die Lage außer Kontrolle geraten.

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