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Messe im Berliner Olympiastadium: Ein Heimspiel für den Papst

Messe im Berliner Olympiastadium

Ein Heimspiel für den Papst

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    Mit dem Papamobil ins weite Rund des Olympiastadions: Der Papst wurde beim Einzug von Tausenden begeistert empfangen.
    Mit dem Papamobil ins weite Rund des Olympiastadions: Der Papst wurde beim Einzug von Tausenden begeistert empfangen. Foto: dapd

    Auf dem Weg ins Stadion sieht man immer in diese Gesichter am Wegesrand. Sie fragen: „Geht’s noch?“ Eine Antwort darauf ist schwierig. Was aber stimmt, ist, dass die Eskorte mit der Motorradstaffel und dem Papstgefolge vielleicht eine Nummer zu groß geraten ist. Und Blaulicht erschreckt ja eher. Je näher man aber in den Westen Berlins kommt, je mehr Reisebusse, zum Beispiel aus Bayern, am Wegesrande stehen, desto deutlicher verändert sich der Ausdruck in den Gesichtern. Erwartungsfroh sind sie. Vorfreudig auf die Papstmesse.

    Von den oberen Rängen im Berliner Olympiastadion sind Gesichter nur noch schwer zu erkennen. Einzelne Szenen und Bilder aber schon. Es ist ein großes, außergewöhnliches Wimmelbild. 61000 Menschen sind hier versammelt. Ministranten, Priester, Bischöfe, Ritterorden, die Chöre der St.-Hedwigs-Kathedrale, Gläubige und Menschen aus dem ganzen Land, unter ihnen eine evangelische Bundeskanzlerin, ein homosexueller Regierender Berliner Bürgermeister, ein katholischer geschiedener, wiederverheirateter Bundespräsident und seine Frau.

    Herr der Kelche

    Die Papstmesse im Olympiastadion Berlin

    Der Ablauf der Papstmesse am 22. September im Berliner Olympiastadion ist minutiös durchgeplant. Der Papst Benedikt XVI. trifft zwischen ...

    ...18.00-18.05 Uhr mit einer Limousine hinter dem Marathontor des Olympiastadions ein. Im vorderen Bereich des Tores ist eine sogenannte Altarinsel mit Sakristei, Aufzug und Altar aufgebaut. Gleich im Anschluss...

    ... von 18.05-18.07 Uhr besteigt er das sogenannte Papamobil, eine Spezialanfertigung mit großer Fahrgastkuppel aus Sicherheitsglas. Mit diesem rollt er dann von...

    ... 18.07-18.15 Uhr durch eine Art offenen Tunnel unter der Altarinsel ins Stadionrund. Auf der blauen Tartanbahn fährt das Mobil mit dem Papst eine Runde (in Richtung gegen den Uhrzeigersinn). Dabei segnet der Papst die Besucher. Anschließend...

    entsteigt der Papst dem Papamobil und begrüßt Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Im Beisein des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), trägt er sich in das Goldene Buch der Stadt ein, das ausnahmsweise vom Roten Rathaus in das Stadion gebracht wird.

    Um 18.25 geht der Papst ind die Sakristei, wo er das Messgewand für den Abend anlegt. Der Aufzug bringt ihn auf den oberen Teil der Altarinsel.

    Die Messe beginnt um 18.30 Uhr und geht bis...

    ...20.30 Uhr. Der Papst wird danach in die Apostolische Nuntiatur nach Neukölln gefahren, wo er auch übernachtet. dapd

    Auch der „Herr der Kelche“ ist unter ihnen. So wird Dekan Martin Kalinowski auch genannt. Kalinowski hat für das Berliner Erzbistum die Liturgie der Papstmesse ausgearbeitet. Er selbst beschreibt den Anfang dieser für ihn einzigartigen Unternehmung so: „Wie immer muss man erst ’ne Lesung raussuchen und dann ein paar Lieder.“

    Ganz so leicht blieb es nicht, denn für die Papstmesse in Berlin versammeln sich an diesem Abend allein 600 Priester für die Austeilung der Kommunion, 1500 Ministranten dienen und 750 Sänger begleiten die heilige Messe mit ihrem Gesang. 84 Kardinäle und Bischöfe sind zugegen. Und sie alle warten, dass der Papst endlich eintrifft.

    Papst feiert Messe mit 70.000 Gläubigen
    Papst feiert Messe mit 70.000 Gläubigen

      Um kurz nach 18 Uhr ist die Lautstärke im Stadion dann so laut, als wäre ein 2:1 in der Nachspielzeit gefallen. Es geht allerdings noch lauter. Das strahlend polierte weiße Papamobil biegt auf die blaue Tartanbahn. Papst Benedikt XVI. und sein Privatsekretär Georg Gänswein fahren die 400 Meter ins Rund. Sie brauchen mehr als zehn Minuten. Usain Bolt ist auf der gleichen Bahn ein Viertel der Strecke in 9,58 Sekunden gelaufen. Das war Weltrekord und beeindruckend laut war die Stimmung damals. Aber wenn eine Masse jubelt, weil der Papst ein Baby segnet, dann ist es vermutlich noch lauter.

    Demonstrationen in Berlin

    Fast zeitgleich ziehen mehrere tausend Demonstranten durch die Berliner Innenstadt. Auch am Potsdamer Platz wird demonstriert. Nichts davon bemerken die Gläubigen im Stadion. Es wird dunkel und das Stadion im Neonlicht heller. Aber bevor der Papst das Wort an die Großgemeinde richtet, begrüßt ihn der neue Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki. Er sagt: „Heiliger Vater, Sie kommen heute in eine Stadt, in der nur noch etwa jeder Dritte einer christlichen Kirche angehört. Sie kommen in eine Stadt, die auch geprägt ist von Gottvergessenheit und von Atheismus.“

    Allerdings, so fährt Woelki fort, suchen auch viele Menschen hier nach dem Glauben: „Unsere Stadt ist also keine gottlose Stadt.“ Und, so der Erzbischof weiter: „Die Ökumene ist kein Höflichkeitsprotokoll. Sie bleibt vielmehr lebens-, ja überlebenswichtig für unsere christliche Existenz und für unser authentisches Zeugnis als Christen.“ Als eines seiner Gastgeschenke überreicht er Benedikt XVI. einen weißen Bauhelm von der „Jugend Berlins“. Christus sei der Baumeister der Kirche. Und die Ministranten des Bistums wollten an dieser Kirche mitbauen. Dann spricht wieder der Papst. Es ist seine vierte Ansprache.

    „Manche“, so sagt er, „manche bleiben mit ihrem Blick auf die Kirche an ihrer äußeren Gestalt hängen. Dann erscheint die Kirche nur mehr als eine der vielen Organisationen innerhalb einer demokratischen Gesellschaft, nach deren Maßstäben und Gesetzen dann auch die so sperrige Größe Kirche zu beurteilen und zu behandeln ist.“ Wenn dann auch noch die leidvolle Erfahrung dazukomme, dass es in der Kirche gute und schlechte Fische, Weizen und Unkraut gebe, und der Blick auf das Negative fixiert bleibe, „dann erschließt sich das große und tiefe Mysterium der Kirche nicht mehr“.

    Im Olympiastadion, so anonym diese kirchliche Massenveranstaltung sein mag, so fern der Papst in der dort inszenierten papamobilen Volksnähe oft wirkt, an diesem Abend, in der Diaspora Berlins, hat sich ein paar Menschen mehr dieses Mysterium vermutlich erschlossen.

    Nach dem päpstlichen Segen singen sehr viele, inbrünstig, „Großer Gott wir loben Dich“. In der Berliner Innenstadt, wo noch Demonstranten unterwegs sind, ist davon nichts zu hören.

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