Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bei der gemeinsamen Eröffnung der Hannover-Messe mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht vor einem brisanten Thema zurückgeschreckt: In ihrer Rede sprach die deutsche Regierungschefin das jüngste russische Vorgehen gegen zivile Einrichtungen an, indem sie auf die Bedeutung einer offenen Gesellschaft hinwies. Damit überschatten die aktuellen Verstimmungen im deutsch-russischen Verhältnis die wirtschaftlichen Aspekte der weltgrößten Industrieschau, deren Partnerland Russland dieses Jahr ist.
Für wirtschaftlichen Wohlstand sei eine offene Atmosphäre in einer möglichst pluralistischen Gesellschaft unerlässlich, sagte Merkel am Sonntagabend in der Stadthalle der niedersächsischen Landeshauptstadt. In Russland hatten jüngst Razzien bei zivilen Einrichtungen auch deutsche Organisationen getroffen, darunter die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Hintergrund ist ein neues Gesetz, wonach sich Einrichtungen in Russland, die Geld aus dem Ausland erhalten, als „Agenten“ registrieren lassen müssen.
Putin werden Menschenrechts-Verletzungen vorgeworfen
Merkel hatte das Vorgehen der Behörden bereits vor der Messe-Eröffnung mit Putin am Telefon erörtert und weiteren Gesprächsbedarf für Hannover angekündigt. Putin wird seit längerem vorgeworfen, Menschenrechte zu verletzen und die Entwicklung der Demokratie in seinem Land zu blockieren. Vor der Stadthalle hatten daher etwa 350 Demonstranten auf Putins Ankunft gewartet. Sie wollten auf die ihrer Meinung nach eklatanten Demokratie-Defizite in Russland hinweisen.
Merkel betonte in ihrer Rede: „Wir müssen diese Diskussion intensivieren, unsere gegenseitigen Vorstellungen weiterentwickeln und auch den Nichtregierungsorganisationen, auch den vielen Vereinigungen, die wir aus Deutschland immer wieder als Innovationsmotoren kennen, in Russland eine gute Chance geben.“ Putin ging auf das Thema nicht ein. Er konzentrierte sich in seiner Rede auf die Aspekte der Messe, die bei Merkel erst am Schluss in den Vordergrund traten.
Russlands Industrie mit bislang stärkstem Auslandsauftritt
So versprach Putin, sich für den konsequenten Ausbau der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen starkzumachen. „Die Welt- und Europawirtschaften bleiben leider sehr fragil.“ Umso wichtiger sei eine Intensivierung des Austausches. „Ich bin zuversichtlich, dass Russland einen starken Impuls setzt für die Zusammenarbeit“, sagte Putin mit Blick auf die Messe, auf der Russlands Industrie mit 176 Ausstellern ihren bisher stärksten Auslandsauftritt organisiert.
Derweil haben Merkel und Putin einen Messe-Rundgang begonnen, im Anschluss daran steht ein deutsch-russisches Wirtschaftsforum an. Bei der Messe präsentieren bis zum 12. April rund 6500 Aussteller aus 62 Ländern ihre Neuheiten. Erstmals liegt der Anteil ausländischer Aussteller über 50 Prozent. Unter ihnen stellt China das größte Firmen-Kontingent, gefolgt von Italien, der Türkei, dem Partnerland Russland sowie Frankreich.
Leitthema der Messe ist diesmal die Vernetzung von Produktionstechnologien. Unter dem Oberbegriff "integrierte Industrie" geht es dabei vor allem um den Datenaustausch zwischen einzelnen Maschinen, Anlagen und Bauteilen. dpa