Augsburg Es ist ein Bild, das unter normalen Umständen niemanden überrascht. Dieses Mal ist das anders. Dieses Mal ist es ein symbolträchtiger Moment der deutsch-französischen Beziehungen, wenn Angela Merkel neben Nicolas Sarkozy im Élyséepalast sitzt und im Hintergrund die Staatsflaggen hängen. Denn dieses Mal geht es nicht so sehr um die Rettung des Euro. Es geht um die Rettung Sarkozys.
Opposition kritisiert Merkel
Im Mai und im April wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten und den Umfragen nach ist es fraglich, ob sich der Amtsinhaber halten kann. Da kommt Unterstützung aus Deutschland gelegen. Eine Unterstützung, wie es sie bisher noch nie gab. Nicht von Adenauer, nicht von Schmidt, nicht von Kohl, dafür aber von Merkel: Die deutsche Bundeskanzlerin mischt sich offen in den französischen Wahlkampf ein – mit einem Fernsehinterview. Das empört die Opposition in Frankreich wie in Deutschland.
„Im linken Milieu wird diese Einmischung Merkels als Affront wahrgenommen“, sagt Ulrich Pfeil, Historiker und Professor für Deutschland-Studien an der Universität Metz. Deutschland werde den Franzosen derzeit ständig als Modell und Vorbild vorgeführt. Erst kürzlich hat Sarkozy vorgeschlagen, Frankreich ein Reformpaket im Stile der deutschen Agenda 2010 zu verschreiben. „Das führt bei den Franzosen zu Verdruss“, sagt Pfeil im Gespräch mit unserer Zeitung.
Dass Merkel mit dem Interview den deutsch-französischen Beziehungen sogar Schaden zufügt, fürchtet Jürgen Trittin (Grüne). Und er mahnt: Wenn Merkel mit Sarkozy auftritt, dann müsse sie auch seinen Gegner, François Hollande, empfangen. Dies jedoch versucht der Stab der Kanzlerin derzeit tunlichst zu vermeiden.
In der SPD hat man sich vorgenommen, als Gegengewicht zu Merkels Wahlhilfe die französischen Sozialisten zu unterstützen – das hat zumindest die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft angekündigt. Viel mehr bleibt den Sozialdemokraten auch kaum übrig. Auch wenn sie deren Programm „teilweise etwas befremdlich“ finden, wie ein führender SPD-Politiker hinter vorgehaltener Hand sagt.
Auch von Merkels Koalitionspartner FDP sind nicht besonders erfreute Töne zu vernehmen. Außenminister Guido Westerwelle hält die gegenseitigen „Hilfsangebote“ für wenig dienlich: „Die Bundesregierung ist nicht Partei im französischen Wahlkampf“, sagte er.
Die CDU verteidigt unterdessen das Interview und preist es sogar als Anfangspunkt einer neuen politischen Kultur. „Was wir hier beobachten, ist das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit“, erklärt Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier. Außerdem sei Merkel nicht als Kanzlerin, sondern in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzende nach Paris gereist, heißt es aus dem Konrad-Adenauer-Haus. „Wir gehören zu einer Parteienfamilie“, hatte Merkel selbst während des Interviews hierzu gesagt.
Experte befürchtet keine angespannten Beziehungen
Dass es zu angespannten Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich kommt, wenn Herausforderer Hollande die Wahl gewinnt, fürchtet der Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld nicht. Er ist Direktor des Centrums für angewandte Politikforschung an der Universität München und Experte für europäische Politik. Zwar sei es möglich, dass kurzzeitig Verstimmungen entstehen, falls Sarkozy verliert, sagt Weidenfeld unserer Zeitung. „Sollte dies eintreten, wird das nicht das Ende einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Berlin und Paris sein“, ist er überzeugt. „Auch in der Europapolitik wird das deutsch-französische Tandem weiter funktionieren“, prognostiziert er. „Das gebietet allein schon der politische Rationalitätsdruck.“
Einen eindeutigen Gewinner der Wahlkampfaktion gibt es Weidenfeld zufolge nicht – ungeachtet der Stimmen, die sagen, das Interview habe sogar eher Herausforderer Hollande genutzt als Sarkozy. „Merkel profitiert aber in jedem Fall“, ist sich Weidenfeld sicher. „Sie konnte einmal mehr zeigen, wie wichtig ihr die Euro-Rettung ist.“ Und dazu gehört für die Kanzlerin unmissverständlich auch das Weiterregieren mit Sarkozy. (mit dpa)