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Medizin: Schnellerer Fortschritt für Patienten

Medizin

Schnellerer Fortschritt für Patienten

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    Brüssel Marian ist jetzt 15 Monate alt und ein quicklebendiger Junge. Was man nicht sieht: Er hat Krebs, einen Tumor im Bereich des zentralen Nervensystems. Aber Marian wird überleben. „Bis Ende der sechziger Jahre kam die Aussage ‚Ihr Kind hat Krebs‘ einem Todesurteil gleich“, sagt die Professorin Gesche Tallen von der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie. „Heute überleben fast vier von fünf Kindern mit Krebs.“ Ein Verdienst der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern für klinische Forschung.

    „Wir wollen diese Studien erleichtern, werden an der Sicherheit für Patienten nicht rütteln und zugleich dafür sorgen, dass die Kosten gesenkt werden“, versprach EU-Gesundheitskommissar John Dalli am Dienstag bei der Vorstellung seines Richtlinienentwurfes, der ein geltendes EU-Gesetz aus dem Jahr 2001 ersetzen soll. „Die Bürokratie bei multinationalen klinischen Studien wird sich deutlich reduzieren“, lobte der CDU-Europa-Abgeordnete Peter Liese den Vorstoß.

    Liese hat vor seiner politischen Laufbahn zehn Jahre als Mediziner an einer Kinderklinik gearbeitet und weiß, wovon er spricht: „Bei Medikamenten für seltene Erkrankungen und solchen von Kindern ist es derzeit für die Forscher sehr schwer.“

    Das beginnt schon bei der Notwendigkeit, geeignete Probanden zu bekommen. „Selbst an großen Kliniken gibt es oft nur zehn Kinder pro Jahr mit einer bestimmten Krebserkrankung“, sagt die Ärztin Tallen. Die forschenden Mediziner müssen also grenzüberschreitend zusammenarbeiten, um ihre Studien zu bestimmten Arzneimitteln auf eine sichere Basis zu stellen.

    Vierzig Prozent der Tests werden durch Forschungsnetze durchgeführt, an denen Wissenschaftler, Stiftungen und Kliniken beteiligt sind. Sie stoßen dabei auf die Hindernisse der europäischen Bürokratie. Genehmigungen sind an mehreren Stellen und für jeden Mitgliedstaat gesondert einzuholen. Dazu kommen gewaltige Kosten, die Forschungsmittel aufzehren. Als Ergebnis gingen zwischen 2007 und 2011 die klinischen Prüfungen von 5000 auf 3800 um ein Viertel zurück.

    Künftig will Brüssel das Genehmigungsverfahren straffen und beschleunigen. Jedes EU-Mitgliedsland kann eine unabhängige Stelle benennen, die mit denen in der europäischen Nachbarschaft zusammenarbeiten soll, wenn es um grenzüberschreitende Forschung geht. Und auch die bisherigen Berichtspflichten – jeder Wissenschaftler musste seine Ergebnisse bei diversen Behörden in allen beteiligten Mitgliedstaaten einreichen – sollen endlich fallen. Gesundheitskommissar Dalli: „Wir wollen medizinische Spitzenforschung in Europa halten und ankurbeln.“

    Wie absurd die gegenwärtige Situation tatsächlich ist, zeigt auch die Verwendung der öffentlichen Gelder. Viele hundert Millionen Euro werden aus europäischen Fördertöpfen wie dem Forschungsrahmenprogramm  oder  von  Stiftungen wie der Deutschen Krebshilfe und der José-Carreras-Leukämiestiftung aufgebracht. Aber anstatt direkt in die therapeutische Forschung zu fließen, brauchen die Mediziner solche Gelder, um die anfallenden Gebühren für Studien zu bezahlen. Was die einen spenden oder die öffentliche Hand bereitstellt, kassiert die gleiche öffentliche Hand in Form von Gebühren wieder ein. Nun will Brüssel einen Verzicht oder zumindest eine Senkung dieser Abgaben durchsetzen.

    „Mit den vorgeschlagenen Rechts-vorschriften werden keinerlei Kompromisse hinsichtlich der Sicherheit von Patienten eingegangen“, betonte der EU-Gesundheitskommissar gestern. Mehr noch: Wenn medizinische Wissenschaftler mit Prüfungen auskommen, bei denen „das zusätzliche Risiko für den Patienten im Vergleich zur Standardbehandlung vernachlässigbar ist“, dürfen sie mit noch schnelleren Genehmigungen und spürbar geringeren Auflagen rechnen.

    Für Marian hat die Arbeit der Forscher bereits viel gebracht. Nach sechs Monaten im Krankenhaus soll er Ende des Monats endlich nach Hause entlassen werden. Und dann ein normales Leben führen.

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