Bevor Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) von Angela Merkel entlassen wurde, hat es offenbar Streit zwischen der Kanzlerin und ihrem Minister gegeben. das berichtete die Rheinische Post. Wie die Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf hochrangige Regierungskreise berichtet, habe Angela Merkel Röttgen bereits am Dienstagabend ins Kanzleramt gebeten und ihm den Rücktritt nahegelegt.
Röttgen blieb offenbar eine Nacht Zeit
Die gescheiterten Kronprinzen der Union
Christian Wulff: Aufstieg und Fall lagen selten dichter beieinander als bei dem früheren Bundespräsidenten. Bis zu seiner Wahl zum Präsidenten im Juni 2010 galt Wulff als aussichtsreicher Kronprinz der Union. Als langjähriger niedersächsischer Ministerpräsident wurde er immer wieder für höhere Ämter gehandelt. Nur 20 Monate nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten folgte im Februar der tiefe Sturz, als Wulff nach wochenlangen Debatten um mögliche Vorteilsnahme zurücktrat.
Karl-Theodor zu Guttenberg: Der CSU-Shootingstar war Deutschlands beliebtester Politiker und wurde als größter Hoffnungsträger der Union gehandelt. Doch dann stürzte Guttenberg über die Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit. Ende Februar 2011 erkannte die Universität Bayreuth Guttenberg den Doktortitel ab, kurz darauf trat der CSU-Politiker als Verteidigungsminister zurück.
Roland Koch: Im Mai 2010 kündigte Hessens Ministerpräsident überraschend seinen Rückzug von allen politischen Ämtern an. Koch war zeitweilig sogar als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt worden. Nach dem Ende seiner politischen Karriere zog es ihn in die Wirtschaft: Koch ist mittlerweile des Chef des Baukonzerns Bilfinger Berger.
Peter Müller: Der langjährige Saar-Ministerpräsident wurde Ende 2011 zum Richter am Bundesverfassungsgericht gewählt. Müller war es nach herben Stimmenverlusten nach der saarländischen Landtagswahl im Jahr 2009 noch gelungen, eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen zu bilden. Doch seine Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte das Bündnis Anfang des Jahres auf und steht nach vorgezogenen Neuwahlen nun an der Spitze einer großen Koalition aus CDU und SPD.
Jürgen Rüttgers: Wie Ex-Bundesumweltminister Norbert Röttgen musste der frühere NRW-Ministerpräsident Rüttgers eine schwere Wahlniederlage einstecken. Als sich nach der Wahl 2010 in Düsseldorf eine rot-grüne Minderheitsregierung gebildet hatte, zog sich Rüttgers aus der ersten Reihe der Politik zurück. Nachfolger als CDU-Landeschef wurde Röttgen, der dieses Amt nun auch wieder abgibt. Rüttgers arbeitet mittlerweile unter anderem für eine Anwaltskanzlei.
Ole von Beust: Im Juli 2010 verkündete der damalige Hamburger Bürgermeister seinen Rückzug vom Regierungsamt - und leitete damit indirekt das Ende des schwarz-grünen Bündnisses in der Hansestadt ein. Drei Monate nach seinem Rückzug aus der Politik kündigten die Hamburger Grünen ihr Bündnis mit der CDU auf. Bei der Wahl im Februar 2011 holte die SPD die absolute Mehrheit.
Friedrich Merz: Der frühere Fraktionschef galt einst als großer Hoffnungsträger der Union. Doch nachdem er im Jahr 2000 den Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag übernommen hatte, verlor er das Amt schon zwei Jahre später wieder. Nach der damaligen Bundestagswahl sicherte sich Parteichefin Merkel das Amt. Nach der Bundestagswahl im Jahr 2009 zog sich Merz aus der Politik zurück. Er arbeitet heute als Anwalt
Nach dem knapp einstündigen Gespräch habe Merkel Röttgen schließlich eine Nacht Zeit gelassen, um über den Rücktritt nachzudenken, berichtete die Zeitung weiter. Röttgen blieb demnach aber auch am Mittwochmorgen bei seiner Haltung. Nach der Sitzung des Bundeskabinetts habe Merkel Röttgen zur Seite genommen und Röttgen die Entlassung mitgeteilt. Die Entscheidung Merkels sei ein Prozess von "zwei Tagen" gewesen, hieß es weiter in dem Bericht. Am Montag hatte Merkel den Umweltminister öffentlich noch unterstützt.
Kritik von Seehofer an Röttgen
Merkel hatte am Mittwochnachmittag mitgeteilt, dass sie Bundespräsident Joachim Gauck vorgeschlagen habe, Röttgen von seinen Aufgaben als Bundesumweltminister zu entbinden. Bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag hatte Röttgen als CDU-Spitzenkandidat eine historische Niederlage hinnehmen müssen. Die NRW-CDU fuhr mit 26,3 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis in der Geschichte des Bundeslandes ein. Aus den eigenen Reihen war danach scharfe Kritik auch an Röttgens Arbeit im Bundesumweltministerium laut geworden, vor allem von Seehofer.
Erschrocken über Merkels Schritt
In der NRW-CDU war die Entlassung von Röttgen auf Kritik gestoßen. Der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Karl-Josef Laumann, zeigte sich erschrocken über Merkels Schritt. Er verstehe nicht, "dass Norbert Röttgen bis Sonntagabend 18 Uhr als der hervorragende Umweltminister galt, der er war", und nun entlassen wurde, erklärte Laumann am Mittwoch in Düsseldorf. Auch der Innenausschuss-Vorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) kritisierte den innerparteilichen Umgang mit Röttgen. "Wenn jemand am Boden liegt, muss man nicht noch drauf treten", sagte Bosbach dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Donnerstag. afp/AZ