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Maut-Fiasko: Grüne pochen vor Zeugenbefragung auf Scheuers Rücktritt

Maut-Fiasko

Grüne pochen vor Zeugenbefragung auf Scheuers Rücktritt

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    Andreas Scheuer muss sich unangenehmen Fragen stellen.
    Andreas Scheuer muss sich unangenehmen Fragen stellen. Foto: Jutrczenka, dpa

    Es ist die letzte Chance der Opposition, Andreas Scheuer zu Fall zu bringen. Am Donnerstag im Untersuchungsausschuss zum Maut-Fiasko wollen die Abgeordneten den Verkehrsminister mit Fragen grillen und überführen. Es ist das zweite Mal, dass sie Scheuer ins Kreuzverhör nehmen. Im Oktober konnte der schwer unter Druck Stehende die Angriffe abwehren. Gelingt es ihm ein zweites Mal, kann er bis zum Ende der Legislaturperiode Verkehrsminister bleiben. Die Liste der Fehler, Versäumnisse, Tricksereien und Rechtsbrüche, die ihm die Opposition vorhält, ist lang. Einer davon: Weil er das CSU-Herzensprojekt unbedingt durchsetzen wollte, habe er das Haushalts- und Vergaberecht gebrochen, Zweifler im eigenen Haus ignoriert.

    Eine Juristin aus dem Ministerium, die jetzt im Kanzleramt arbeitet, erklärte den Abgeordneten vor kurzem, dass sie immer wieder auf die Möglichkeit einer Schlappe vor dem Europäischen Gerichtshof hingewiesen habe. Sie war nicht allein, mehrere Rechtsgutachten hielten den Wegezoll für Ausländer von Beginn an für europarechtswidrig. Dennoch fiel die Mannschaft um Scheuer aus allen Wolken, als die Europarichter im Juni 2019 die deutsche Straßensteuer für nichtig erklärten. Auf diesen Fall war die Führungsriege nicht vorbereitet. Es gab weder einen Krisenplan, noch eine Kalkulation, was das Fiasko die deutschen Steuerzahler an Ausgleichszahlungen an die Maut-Betreiber kosten könnte. In großer Hast kündigte Scheuer der Vertrag mit den Maut-Betreibern Kapsch und Eventim nur Stunden nach dem Urteil.

    Verkehrspolitiker schimpft über Scheuer: "Chaotisches Ministerium"

    Am Tag darauf kam es zum Treffen mit den beiden Unternehmen. Bevor es um die Sache ging, fragte Scheuers Abteilungsleiter Karl-Heinz Görrissen die Manager von Eventim, ob sie ihm VIP-Karten für ein Konzert von Roland Kaiser besorgen könnten. Eventim ist einer der größten Anbieter von Konzertkarten in Deutschland. „Das, was am Tag nach dem Urteil passiert ist, setzt dem Ganzen die Krone auf. Wir erleben ein offensichtlich chaotisches Ministerium“, sagt der Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer unserer Redaktion. Der Fraktionsvize sitzt für seine Partei im U-Ausschuss. Für ihn spricht die Frage nach den Konzertkarten Bände. „Das zeigt, was für eine Mentalität in dem Ministerium herrscht.“ Görrissen ist nicht einfach nur ein Beamter unter vielen, er gilt als graue Eminenz des Ministeriums.

    Der jahrelange Zoff um die Pkw-Maut

    15. Juli 2013: Die CSU nimmt die Pkw-Maut "für Reisende aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen" ins Wahlprogramm auf.

    1. September: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt im TV-Duell: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben."

    17. Dezember 2014: Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, beschließen Union und SPD die Infrastrukturabgabe für Pkw auf Autobahnen und Bundesstraßen. Ausländische Autos sollen nur auf Autobahnen bezahlen, Deutsche ihr Geld über eine niedrigere Kfz-Steuer voll zurückbekommen. Ein halbes Jahr später tritt das Gesetz in Kraft.

    18. Juni 2015: Die EU-Kommission gibt die Einleitung eines Verfahrens gegen Deutschland bekannt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) legt die Umsetzung der beschlossenen Maut auf Eis.

    24. März 2017: Wegen der Bedenken der EU beschließt der Bundestag Änderungen der Pkw-Maut. Auch der Bundesrat gibt grünes Licht.

    17. Mai: Die EU-Kommission akzeptiert die Gesetzesänderung und stellt ihr Verfahren gegen Deutschland ein.

    13. Oktober: Österreich reicht Klage vor dem EuGH ein. Aus Sicht des Nachbarlandes sind auch die geänderten Pläne diskriminierend für Ausländer.

    22. Oktober 2018: Die österreichische Firma Kapsch TrafficCom bekommt den Zuschlag im Vergabeverfahren "Automatische Kontrolle".

    30. Dezember: Im Vergabeverfahren "Erhebung" erhält ein Konsortium aus Kapsch TrafficCom und CTS Eventim den Zuschlag. Verkehrsminister zu diesem Zeitpunkt ist Andreas Scheuer (CSU).

    6. Februar 2019: Der EuGH-Generalanwalt Nils Wahl empfiehlt den obersten EU-Richtern, die Klage Österreichs abzuweisen. Ihr liege ein "Missverständnis des Begriffs Diskriminierung" zugrunde.

    18. Juni: Der EuGH erklärt das 2017 beschlossene Maut-Gesetz für rechtswidrig. Am selben Tag wird veranlasst, die Verträge "Erhebung" und "Automatische Kontrolle" zu kündigen. Scheuer gerät wegen der kostspieligen Verträge in die Kritik.

    12. Dezember: Der Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags nimmt seine Arbeit auf und soll vor allem Scheuers Vorgehen durchleuchten. (dpa)

    Das Wirrwarr um die vorschnelle Kündigung der Verträge, das die deutschen Steuerzahler hunderte Millionen kosten könnte, ist für Scheuer aber nicht die größte Gefahr.

    Maut-Fiakso: Hat Scheuer den Bundestag belogen?

    Am schwersten lastet der Vorwurf, er habe den Bundestag belogen. Bei einer Fragestunde im Parlament versicherte der Passauer, dass ihm die Maut-Firmen nicht angeboten hätten, mit der Unterzeichnung der Verträge bis zu einem Urteil des EuGH zu warten. Die beiden Firmenchefs erklärten aber bei ihrer Befragung im Ausschuss genau das Gegenteil. Ihnen taten es mehrere andere Zeugen gleich. Die Version Scheuers stützte lediglich sein früherer Staatssekretär.

    Dennoch hält CSU-Chef Markus Söder an seinem Mann fest, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will jetzt keine Unruhe im Kabinett in Zeiten der Pandemie. Die Umstände spielen Scheuer in die Karten. Grünen-Fraktionsvize Krischer wirft ihm vor, dass Aussitzen die politische Kultur in Deutschland beschädige. „Es ist ja nicht so, dass Scheuer nur bei der Maut gepatzt hätte, sondern er hat andere schwere Fehler zu verantworten. Das alles reicht eigentlich für drei Rücktritte.“

    Vor wenigen Tagen entschuldigte sich der Verkehrsminister in seiner Heimatzeitung bei den Wählern für den Ärger und die Enttäuschung, die das Maut-Debakel ausgelöst hat. Scheuer will weitermachen.

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