Russland stemmt sich mit harschen Worten gegen die Umwälzungen in der Ukraine: Regierungschef Dmitri Medwedew bezweifelte am Montag die Legitimität der neuen Führung in Kiew, der von Moskau zudem "diktatorische Methoden" vorgeworfen wurden. Das ukrainische Innenministerium erließ seinerseits gegen den abgesetzten Präsidenten Viktor Janukowitsch Haftbefehl wegen "Massenmords". Der Westen suchte derweil nach Wegen, Kiew vor dem finanziellen Bankrott zu bewahren.
"Einige unserer westlichen Partner halten sie für legitim", sagte Medwedew mit Blick auf die ukrainische Übergangsregierung. "Aber es erscheint mir als eine Verirrung, für legitim zu halten, was in Wahrheit das Ergebnis einer bewaffneten Revolte ist." Das russische Außenministerium warf der neuen Führung in Kiew "diktatorische und teils terroristische Methoden" vor. Es würden Gesetze beschlossen, die die "Menschenrechte der Russen" verletzten. Damit reagierte das Ministerium auf die Rücknahme eines Gesetzes in der Ukraine, wonach Russisch in bestimmten Regionen bisher als zweite Amtssprache galt.
Janukowitsch ist untergetaucht
In der Ukraine war am Samstag der prorussische Präsident Janukowitsch vom Parlament abgesetzt worden, nachdem die Opposition die Macht in der Volksvertretung übernommen hatte. Neuer Übergangspräsident ist Alexander Turtschinow, ein Vertrauter der am Samstag aus dem Gefängnis freigelassenen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko.
Janukowitsch seinerseits ist untergetaucht. Sein Aufenthaltsort sei unbekannt, sagte Übergangs-Innenminister Arsen Awakow am Montag. Er verkündete zugleich die Ausstellung eines Haftbefehls gegen den Ex-Präsidenten und mehrere Vertreter der Sicherheitsdienste wegen "des Massenmords an friedlichen Zivilisten". Bei Zusammenstößen zwischen Regierungsgegnern und Sicherheitskräften waren in der vergangenen Woche in Kiew fast hundert Menschen getötet worden.
25 Milliarden Euro, um die Ukraine zu modernisieren
Die neue ukrainische Führung warnte zudem vor einem Bankrott des Landes. Der Finanzbedarf bis Ende 2015 liege bei umgerechnet 25 Milliarden Euro, sagte Interimsfinanzminister Juri Kolobow. Er schlug vor, mit der EU, den USA, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderen Organisationen eine Geberkonferenz zu organisieren, um Mittel für die Modernisierung der Ukraine zu erhalten.
Dieser Vorschlag wurde unter anderem vom griechischen Außenminister Evangelos Venizelos unterstützt, dessen Land derzeit den EU-Vorsitz innehat. Die EU schickte ihre Außenbeauftragte Catherine Ashton nach Kiew, wo sie nach Angaben ihres Büros mit Übergangspräsident Turtschinow unter anderem über "Maßnahmen zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation" sprach. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, forderte die internationale Gemeinschaft auf, den "drohenden wirtschaftlichen Kollaps" der Ukraine abzuwenden.
Kontaktgruppe für die Ukraine
Das Auswärtige Amt kündigte an, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) werde bei seinem anstehenden Besuch in Washington mit dem IWF über Finanzhilfen für die Ukraine sprechen. Für die USA wird am Dienstag Vize-Außenminister William Burns in Kiew erwartet, wo er neben der politischen Lage nach Angaben aus Washington auch über einen wirtschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine sprechen will. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schlug die Schaffung einer Kontaktgruppe für die Ukraine vor. Janukowitsch: Haftbefehl wegen Massenmordes
Bereits am Wochenende hatten die Finanzminister der G-20-Staaten in Sydney über ein Hilfspaket für die Ukraine diskutiert. Russland hatte Janukowitsch 15 Milliarden Dollar zugesagt, doch wurde die Auszahlung der Hilfen wegen der Unruhen gestoppt und dürfte nach der Absetzung des prorussischen Präsidenten auch nicht mehr aufgenommen werden.
Einheit des Landes in Gefahr
Neben einem möglichen Bankrott der Ukraine fürchtet der Westen auch ein Auseinanderbrechen des Landes. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, die "Einheit und die territoriale Integrität" der Ukraine müssten unbedingt bewahrt werden. Ähnlich äußerten sich die sogenannten Visegrad-Staaten Tschechien, Ungarn, Polen und Slowakei, von denen drei Nachbarländer der Ukraine sind. afp