In der Masken- und Lobbyismusaffäre der Union hat sich der Ton zwischen den schwarz-roten Koalitionspartnern verschärft.
Unions-Spitzenpolitiker wiesen am Tag der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Kritik von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans scharf zurück, die Verfehlungen bei CDU und CSU hätten System. Auch über die Konsequenzen aus den Vorwürfen von Korruption und Lobbyismus zeichnet sich Streit zwischen Union und SPD ab - von den Sozialdemokraten kamen neuen Vorschläge. In der Union gibt es angesichts zurückgehender Umfragewerte massive Sorge, die Vorgänge könnten den Bundestagswahlkampf belasten.
Drei Parlamentarier hatten die Unionsfraktion verlassen, nachdem bekannt geworden war, dass sie oder ihre Firmen für die Vermittlung von Corona-Schutzmasken Provisionen erhalten hatten, beziehungsweise nachdem der Verdacht der bezahlten Einflussnahme zugunsten der autoritär regierten Kaukasusrepublik Aserbaidschan laut geworden war. Sie wiesen die Vorwürfe zurück. Die Fraktionsspitze hatte alle Unionsparlamentarier aufgefordert, bis vergangenen Freitagabend zu erklären, dass sie keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Corona-Pandemie erzielt haben. Alle gut 240 Abgeordneten unterzeichneten die angeforderte Erklärung.
Im "Sonntagstrend", den das Meinungsforschungsinstitut Kantar wöchentlich für die "Bild am Sonntag" erhebt, kommen CDU und CSU auf 31 Prozent. Das ist 1 Prozentpunkt weniger als in der Vorwoche, 5 Prozentpunkte weniger als zu Jahresbeginn und der niedrigste Wert seit dem 21. März 2020, wie die Zeitung mitteilte. Die SPD verharrt bei 16 Prozent, die Grünen stehen weiterhin bei 19 Prozent. FDP und Linke verlieren jeweils einen Punkt und kommen beide auf 8 Prozent. Die AfD kann einen Punkt zulegen und kommt auf 11 Prozent.
Das Gesundheitsministerium will auf Bundestagsabgeordnete zugehen, die konkrete Verträge zwischen Maskenherstellern und der Bundesregierung vermittelt haben. Das geht aus einem Schreiben von Staatssekretär Thomas Steffen an den Direktor des Bundestages, Lorenz Müller, hervor, das der "Bild am Sonntag" vorliegt. Das Ministerium bestätigte den Inhalt des Schreibens der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Nach Angaben der Bundestagsverwaltung vom Sonntag bat das Ministerium Bundestagsdirektor Müller, bis zum 16. März mitzuteilen, falls es Bedenken gebe, auf die Abgeordneten zuzugehen.
SPD-Chef Walter-Borjans sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS"): "In Teilen von CDU und CSU ist das Prinzip, dass eine Hand die andere wäscht, immer wieder zum Vorschein gekommen. Das Waschmittel dabei ist Geld - und dem stehen in diesen Parteien einige besonders nah." Dazu passe, dass CDU und CSU regelmäßig Vorstöße für mehr Transparenz blockierten.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte der "FAS", die SPD missbrauche die Pandemie seit Monaten zum Wahlkampf. Nun mache sie "in einer ziemlich dreisten Art Tausende CDU-Mitglieder verächtlich". Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) warnte die SPD: "Wahlkampf mit einem Thema zu machen, das dazu geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in demokratische Prozesse zu beeinträchtigen, gleicht einem Spiel mit dem Feuer." Die Union sorge bei sich für Transparenz. Es sei "wünschenswert, wenn der Koalitionspartner nachziehen würde und sich ebenfalls einen Ehrenkodex auferlegen würde", sagte er der dpa.
SPD-Fraktionsvize Katja Mast nannte den Vorstoß von Frei ein Ablenkungsmanöver. Beim Thema Nebeneinkünfte seien Demut, Kooperation und gesetzliche Veränderungen das Gebot der Stunde. Angriffe auf den Koalitionspartner seien "ein Zeichen der Hilflosigkeit".
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte die SPD zur raschen Einigung auf schärfere Transparenzregeln auf. "Wir sind bereit, sehr schnell im Bundestag die neuen Transparenzregeln mit der SPD zu vereinbaren", sagte er der dpa. Die Vorwürfe Walter-Borjans wies er zurück: Dieser "sollte sich seine unqualifizierten Zwischenrufe sparen, die unterstreichen nur seine mangelnde Ernsthaftigkeit".
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, Einkünfte, die Abgeordnete neben ihrem Mandat erzielen, sollten auf Euro und Cent genau offengelegt werden, nicht erst ab 100.000 Euro wie die Union vorschlage. "Die Union muss sich daran messen lassen, ob sie endlich bereit ist für umfassende gesetzliche Regelungen. Selbsterklärungen reichen nicht aus." Die Fraktionen von Union und SPD hatten Verhandlungen über Verschärfungen am Freitag ohne Ergebnis unterbrochen. Diese Woche soll weiterverhandelt werden.
Die SPD-Führung macht sich für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung stark. So sollen Bürger leichter an Daten der öffentlichen Verwaltung kommen, wie es in einem Entwurf für den SPD-Vorstand heißt, der an diesem Montag beschlossen werden soll und der dpa in Berlin vorliegt. Das Informationsfreiheitsrecht solle fortentwickelt, offene Daten sollten kostenfrei bereitgestellt werden. Die Informationsfreiheitsgesetze regeln die Bereitstellung von Daten zwar seit Jahren. Antragsteller kritisieren aber, sie stießen an Grenzen.
In ihrem neuen Entwurf fordert die SPD-Spitze auch, dass der Bundestagspräsident als Kontrollinstanz besser ausgestattet wird, so dass die Regeln auch durchgesetzt werden können. Wahlkampfhilfe etwa durch kostspielige Anzeigen solle wie Parteispenden behandelt werden und in den Rechenschaftsberichten aufgeführt werden.
Für die aus der Unionsfraktion ausgetretenen CDU-Abgeordneten Nikolas Löbel und Mark Hauptmann sollen zwei Frauen ins Parlament kommen. Aus der Fraktion wurden Medienberichte bestätigt, dass für Löbel die frühere Bundestagsabgeordnete Kordula Kovac nachrücken soll - sie saß schon von 2013 bis 2017 im Bundestag. Auf den Sitz von Hauptmann soll demnach die Erfurterin Kristina Nordt folgen - sie ist Tochter des früheren Thüringer Innenministers Manfred Scherer.
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Mitglieder und Struktur Unionsfraktion
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SPD-Zehn-Punkte-Plan für Transparenz