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Maischberger-Talk: "Musste weinen": Mesale Tolu spricht über Festnahme und Haft

Maischberger-Talk

"Musste weinen": Mesale Tolu spricht über Festnahme und Haft

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    Die Neu-Ulmer Journalistin Mesale Tolu berichtete bei Sandra Maischberger von ihrer Festnahme durch ein türkisches Spezialkommando.
    Die Neu-Ulmer Journalistin Mesale Tolu berichtete bei Sandra Maischberger von ihrer Festnahme durch ein türkisches Spezialkommando. Foto: Max Kohr, WDR

    Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat am Mittwoch Ankara besucht, um mit Präsident Erdogan sowie Außenminister Cavusoglu über das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei zu sprechen. Der Staatsbesuch war auch Thema der Maischberger-Sendung am Mittwochabend in der ARD. Darin kam auch die Neu-Ulmer Journalistin Mesale Tolu zu Wort, die in einem Einzelinterview mit Sandra Maischberger auf ihre Zeit im türkischen Gefängnis und die Zustände in der Türkei einging.

    Tolus Sohn erlebte Festnahme seiner Mutter hautnah

    Insbesondere die Festnahme in der Nacht vom 1. Mai 2017 hat sich im Gedächtnis der 34-Jährigen eingebrannt: Zehn schwer bewaffnete und maskierte Polizisten eines Sondereinsatzkommandos stürmen ihren Angaben zu Folge zu später Stunde in die Wohnung in Instanbul. Tolu wird zu Boden gedrückt und mit Waffen in Schach gehalten. Das Sonderkommando richtet seine Waffen ebenfalls auf den zweijährigen Serkan, sagt Tolu im ARD-Gespräch: "Das Erste was er gesehen hat, war die Waffe und das Zweite, dass Mama auf dem Boden liegt."

    "Er hat wirklich Größe gezeigt"

    Dreieinhalb Stunden sollen die Einsatzkräfte die Wohnung durchsucht haben: "Vor mir und meinem Sohn stand die ganze Zeit ein Beamter mit Waffe." Später wird die 34-Jährige abgeführt, ihr Sohn muss bei den Nachbarn bleiben. Von zwei Polizisten begleitet, kommt es im Treppenhaus nochmals zu Blickkontakt zwischen Mutter und Sohn: "Er hat mich dort noch ein Mal gesehen - er hat nicht geweint, er hat nur geschaut. Ich musste weinen, aber er hat nicht geweint."

    Tolu kommt später in ein Istanbuler Gefängnis. Dort lebt sie mit 24 Frauen in einer Zelle. Nach 17 Tagen der Trennung wird ihr zweijähriger Sohn zu ihr gebracht. Ihre Anwälte berichten ihr, dass er stottert und denkt "seine Mutter hat ihn verlassen". Er ist das einzige Kind in der Zelle, von insgesamt 80 im ganzen Gefängnistrakt. Mutter und Sohn gewöhnen sich an die Zustände in Haft und werden erfinderisch: "Er hatte keine Spielsachen. Wir haben aus Brotteig Knete hergestellt."

    Tolu zurück in Deutschland - weitere Deutsche in türkischer Haft

    Tolu ist derzeit frei und wartet auf den Prozess. Jedoch sitzen mehr als ein halbes Dutzend Bundesbürger wegen politischer Vorwürfe in der Türkei hinter Gittern, mehr als 30 weitere werden zudem mit Ausreisesperren festgehalten. Man werde dazu weiter im Gespräch bleiben – mehr konnte Maas nach seinem Gespräch mit Cavusoglu am Abend nicht vermelden. Er räumte jedoch ein, "dass es im deutsch-türkischen Verhältnis in den letzten Jahren viele Irritationen gegeben" habe.

    Noch ist Tolu in ihrer Heimat in Schwaben. Schon bald muss sie jedoch zurück in die Türkei, denn der Prozess steht an. Zusammen mit ihrem Mann sieht sie sich unter anderem Propaganda-Vorwürfen ausgesetzt.

    Deutsche Gefangene in der Türkei

    In der Türkei sind mindestens sechs Bundesbürger aus politischen Gründen inhaftiert, die Dunkelziffer dürfte noch höher sein.

    Die Inhaftierungen haben eine schwere Krise zwischen Berlin und Ankara ausgelöst.

    Die Bundesregierung fordert die Freilassung der Deutschen.

    Das sind die Gefangenen:

    Ilhami A. (46)aus Hamburg: Der Taxifahrer aus Hamburg wurde Mitte August in der osttürkischen Provinz Elazig verhaftet. Der Vorwurf lautet Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei und der EU als Terrororganisation gilt.

    Dennis E. (55) aus Hamburg: Auch im Fall Dennis E. geht es um Facebook-Posts und den Vorwurf der Terrorpropaganda für die PKK. Die türkische Polizei nahm den 55-Jährigen Ende Juli bei einem Besuch im südtürkischen Iskenderun fest, wo er auch inhaftiert ist. 

    Hozan Cane (Mitte 40) aus Köln: Polizisten hielten vor den Wahlen Ende Juni einen Bus der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP an und nahmen die kurdischstämmige Sängerin mit dem Künstlernamen Hozan Cane mit. Cane hatte im westtürkischen Edirne eine Wahlkampfveranstaltung der HDP unterstützt. Ihr wird die Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. 

    Adil Demirci (Anfang 30) aus Köln: Der Sozialarbeiter war Mitte April in Istanbul festgenommen worden. Er schrieb aus Deutschland frei für die linke Nachrichtenagentur Etha, für die auch Mesale Tolu arbeitete. Wie Tolu wird Demirci Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vorgeworfen. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation. 

    Patrick K. (29) aus Gießen: Patrick K. war Mitte März nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu im türkisch-syrischen Grenzgebiet festgenommen worden. Anadolu schreibt, er habe sich in Syrien der Kurdenmiliz YPG anschließen wollen. Nach Angaben seiner Familie war K. zum Wandern in der Türkei. 

    Enver Altayli (73): Schon ein Jahr lang sitzt Altayli ohne Anklage in Einzelhaft - seine Familie macht sich Sorgen um seine Gesundheit. Altayli ist Jurist und arbeitete in den 60er Jahren für den türkischen Geheimdienst MIT. Im August vergangenen Jahres war er in Antalya festgenommen worden, wo die Familie eine Ferienanlage betreibt. Ihm wird Unterstützung der Gülen-Bewegung vorgeworfen, die in der Türkei als Terrororganisation eingestuft ist.

    Diese Deutschen wurden mittlerweile freigelassen und konnten in ihre Heimat zurückkehren:

    Peter Steudtner (45): Der Menschenrechtler ist Ende Oktober nach mehr als drei Monaten in Untersuchungshaft freigekommen.

    Mesale Tolu (34) kehrte am 26. August 2018 zurück in ihre Heimat Neu-Ulm. Die Journalistin war im April 2017 von schwer bewaffneten Polizisten festgenommen. Nach 17 Monaten in Gefangenschaft konnte sie nach Deutschland zurückkehren.

    Deniz Yücel: Der44-Jährige saß vom 14. Februar 2017 bis zum 16. Februar 2018 wegen angeblicher Terrorpropaganda in türkischer Untersuchungshaft. Nach rund einem Jahr konnte der Korrespondent nach Deutschland zurückkehren.

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