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Macron gegen Le Pen: Europa am Scheideweg: Fragen und Antworten zu Frankreichwahl

Macron gegen Le Pen

Europa am Scheideweg: Fragen und Antworten zu Frankreichwahl

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    Was würde ein Präsident Macron für Frankreichs Zusammenarbeit mit Deutschland bedeuten? Und was sind Le Pens Pläne für die EU?
    Was würde ein Präsident Macron für Frankreichs Zusammenarbeit mit Deutschland bedeuten? Und was sind Le Pens Pläne für die EU? Foto: Daniel Karmann/dpa

    Mit der Stichwahl in Frankreich am 7. Mai steht Europa am Scheideweg. Wählen die Franzosen in zwei Wochen den jungen Linksliberalen Emmanuel Macron zum Präsidenten? Dann können die Europäische Union und Deutschland wie bisher auf Frankreich als verlässlichen, wenn auch nicht immer unkomplizierten Partner zählen. Macht dagegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen das Rennen, wären die EU und das traditionelle deutsch-französische Tandem in ernster Gefahr.

    Nach dem Ergebnis des ersten Wahlgangs vom Sonntag hat Macron die besseren Chancen, obwohl er in Hochrechnungen wenig Vorsprung vor Le Pen hatte. Denn sofort riefen die gemäßigten unter den neun unterlegenen Kandidaten ihre Anhänger auf, Macron zu unterstützen. Doch das gute Abschneiden Le Pens reichte, EU-Politikern Schauer über den Rücken zu jagen. Erschreckend nannte es der deutsche SPD-Europaparlamentarier Jo Leinen.

    Le Pen will über den EU-Austritt abstimmen lassen

    Wieso wäre ein Wahlsieg Le Pens für manche das "Ende Europas"?

    Front-National-Chefin Le Pen giftet seit Jahren gegen Brüssel und predigt die Rückbesinnung auf den Nationalstaat. Als Präsidentin will sie binnen sechs Monaten ein Referendum über das Ausscheiden ihres Landes aus der EU. Den Euro will sie wieder durch eine eigene Währung ersetzen, das Schengen-Abkommen zum freien Reisen kündigen und die französischen Grenzen abschotten. Ein "Frexit" aber wäre weit dramatischer als der EU-Austritt Großbritanniens. Denn damit bräche ein Gründerstaat weg - das Land, das mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg das Einigungsprojekt maßgeblich vorantrieb. Die zweitgrößte Volkswirtschaft ginge verloren. Die bisherige EU wäre am Ende.

    Emmanuel Macron im Porträt

    Emmanuel Macron ist der Senkrechtstarter der französischen Politik. Einige nennen ihn bereits den "französischen Kennedy".

    In seinem Lager entfacht der zierlich wirkende Mann Begeisterung. Schon vor der Wahl war von "Macromania" die Rede.

    Sein Wahlkampfbuch nannte er schlicht "Révolution".

    Erst vor einem Jahr gründete der frühere Wirtschaftsminister seine Bewegung "En Marche!" (Auf dem Weg).

    Einen klassischen Parteiapparat hat er bis heute nicht. Er spricht Menschen an, die eine Erneuerung wollen, aber Extreme ablehnen.

    Macron führt sein Wahlkampfteam wie ein Start-up-Unternehmen. Er will "neue Gesichter" in die Top-Etage der Macht bringen.

    Falls er gewinnt, soll ein erheblicher Teil der Minister seiner Regierung nicht aus der Politik kommen.

    Der 39-Jährige ist ein Europafreund. "Ich habe Europa im Herzen", lautet sein Motto.

    Das macht ihn zum prominentesten Widersacher der Rechtspopulistin Marine Le Pen, die die Europäische Union bekämpft und in ihrem Land den "neuen Franc" als Währung einführen will.

    Macron gab schon vor langer Zeit sein Parteibuch bei den Sozialisten ab. Er positioniert sich "weder rechts noch links".

    Im Wahlkampf bekannte er, Außenseiter zu sein. In der Tat wurde Macron noch nie in ein Amt gewählt.

    Der ehrgeizige Kandidat war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie...

    ... Dann holte ihn der sozialistische Präsident François Hollande in den Élyséepalast. 2014 wurde er Wirtschaftsminister. 

    Macron ist seit 2007 mit der wesentlich älteren Französisch-Lehrerin Brigitte Macron (64) verheiratet, die er seit seiner Schulzeit in Amiens kennt.

    Sie organisiert im Wahlkampf und "coacht" ihren Mann. Das ungewöhnliche Paar könnte im Élyséepalast für richtigen Glamour sorgen.

    Marine Le Pen im Porträt

    Marine Le Pen bietet einfache Erklärungen für Frankreichs Probleme: Die "massive Einwanderung" sei schuld und die Entmündigung durch "Technokraten" aus Brüssel.

    Die Rechtspopulistin hat den Auftritt ihrer Partei modernisiert und damit schon viele gute Wahlergebnisse eingefahren.

    Nun steht sie wie 2002 ihr Vater Jean-Marie Le Pen in der Stichwahl um den Élyséepalast.

    Statt mit der martialischen Flamme der Front National (FN) wirbt die 48-Jährige mit einer Rose, ohne Dornen und natürlich in Marineblau.

    Seit sie den Parteivorsitz 2011 von ihrem Vater übernahm, hat sie der Rechtsaußenpartei eine "Entteufelung" verordnet, ein gemäßigteres Auftreten. Offener Rassismus und Antisemitismus werden geahndet. 

    Le Pen setzt aber weiter auf Abschottung und radikale Positionen gegen Europäische Union und Einwanderung. In ihren Reden spielt sie geschickt auf der Klaviatur von Frust und Ängsten etwa vor dem Islam.

    "Feindbilder sind ein fester Bestandteil in der Rhetorik von Marine Le Pen", schreibt Tanja Kuchenbecker, Autorin eines Buchs über die Rechtspopulistin.

    Vorwürfe wie den Verdacht der Scheinbeschäftigung von FN-Mitarbeitern im EU-Parlament konnte die Europaabgeordnete ihren Anhängern bislang als Manöver ihrer Gegner verkaufen.

    Marine Le Pen kam 1968 als jüngste Tochter des rechtsextremen Polit-Haudegens Jean-Marie Le Pen zur Welt, der die FN in vier Jahrzehnten von einer Splittergruppe zu einer wichtigen Stimme in Frankreich machte.

    Im Alter von acht Jahren wurde sie von einer Bombenexplosion aus dem Schlaf gerissen - ein Anschlag auf ihren Vater.

    Die Trennung ihrer Eltern wurde zur Seifenoper, als die Mutter im "Playboy" posierte.

    Le Pen studierte Jura und arbeitete erst als Rechtsanwältin, dann führte sie die Rechtsabteilung der Front National. Sie hat drei Kinder.

    Ihre zwei Ehen gingen auseinander, heute ist sie mit dem FN-Europaabgeordneten Louis Aliot liiert.

    Für die Strategie der "Entteufelung" ließ sie 2015 sogar ihren Vater aus der FN ausschließen, nachdem er die Gaskammern der Nazis erneut als "Detail" der Geschichte bezeichnet hatte.

    Eine sogenannte Mikropartei des 88-Jährigen lieh ihr trotzdem Millionen für den Präsidentschaftswahlkampf.

    Warum kann Le Pen mit Europaskepsis punkten?

    Frankreich hadert mit diversen EU-Vorgaben, die Deutschland klar unterstützt. Wegen der Wirtschaftsflaute sprengte Paris die im Euroraum vereinbarte Defizitgrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Während Brüssel auf Einhaltung der Regeln pocht, kritisiert Le Pen Gängelei. Zweites heißes Eisen ist die EU-Flüchtlingspolitik mit der Umverteilung von Ankömmlingen aus Italien und Griechenland. Dritter Punkt ist die Terrorgefahr im Europa der offenen Grenzen. Der EU-Verdruss ist groß.

    Macron bekennt sich zur Europäischen Union

    Was will Macron? 

    Anders als die meisten anderen Präsidentschaftskandidaten bekennt sich der 39-jährige Macron mit seiner Bewegung "En Marche" klar zur EU und zur Zusammenarbeit mit Deutschland. In seinem Wahlprogramm bezieht er das unter anderem auf den Ausbau der gemeinsamen Verteidigungspolitik im Tandem mit Berlin. Doch fügt er hinzu: "Europa muss sich auch ändern." Macron will Bürgerkonvente auf dem ganzen Kontinent einberufen, um "dem europäischen Projekt wieder eine Richtung zu geben". Zudem stellt sich Macron klar hinter weitreichende Reformideen für die Eurozone, die unter anderem einen eigenen Haushalt bekommen soll.

    Was würde ein Sieg Le Pens für Deutschland bedeuten?

    Bundeskanzlerin Angela Merkel hielt sich in den vergangenen Wochen bedeckt. Doch sie hat indirekt signalisiert, welchen Wahlausgang sie möchte: Macron hat sie getroffen, Le Pen ausdrücklich nicht. Mit deren Politik gebe es "überhaupt keine Berührungspunkte", betonte Merkels Sprecher. Weder Merkel noch ihr SPD-Rivale Martin Schulz würden wohl den Schulterschluss mit einem Staatsoberhaupt suchen, das Frankreich aus der EU führen will. Die seit Jahrzehnten so wichtige Partnerschaft läge auf Eis. Sollte sich Frankreich von der EU abwenden, käme Deutschland noch stärker in die Rolle des einzigen Stabilitätsankers in Europa.

    Das Präsidialsystem in Frankreich

    Der Präsident ist in Frankreich der Staatschef, führt aber nicht die Regierung.

    Das ist Aufgabe des Premierministers, der vom Präsidenten ernannt wird.

    Weil die Nationalversammlung die Regierung mit einem Misstrauensvotum stürzen kann, muss aber faktisch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter dem Premierminister stehen.

    Angela Merkel will keine EU-Reformen, wie sie Macron vorschlägt

    Wie wäre es mit Macron?

    Macron wäre angesichts seiner Unterstützung für Europa und für die deutsch-französische Achse für Berlin ein zugänglicher Partner - unabhängig davon, ob nach der Bundestagswahl im Herbst Merkel oder Schulz im Kanzleramt regieren. Zwei heikle Punkte bleiben: Zum einen ist unklar, ob der parteilose Jungstar bei der anstehenden Parlamentswahl in Frankreich eine Mehrheit für seine Politik bekäme. Andernfalls droht Lähmung und Unsicherheit, auch für Europa und Deutschland. Ist er indes handlungsfähig, wird er mit Merkel aneinandergeraten. Die Bundeskanzlerin will keine weitreichenden EU-Reformen, wie Macron sie vorschlägt. Erst kürzlich hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble auch einer großen Reform der Eurozone eine klare Absage erteilt. dpa

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