Wie die Union mit CDU-Chef Armin Laschet als Kanzlerkandidat das Ruder bis zur Bundestagswahl noch herumreißen könnte, wissen sie in der CSU bisher nicht. Wie die Grünen zum Wahlsieger werden könnten, wissen sie dagegen schon ziemlich genau. „Die müssen“, so sagt ein Mitglied des CSU-Vorstands, „nur den Toni Hofreiter wegsperren, damit er bis zum Wahltag keine Interviews mehr gibt, und die Annalena Baerbock vorne hinstellen. Die muss da inhaltlich gar nicht groß was sagen, sie muss nur weiter freundlich lächeln. Wenn sie ansonsten keine Fehler machen, dann reicht den Grünen das.“ Der Mann, der für die CSU schon in vielen Wahlkämpfen an vorderster Front dabei war, steht mit seinem Sarkasmus in der Partei nicht alleine. Die Kommentare zu den Wahlchancen der Union gehen an der CSU-Basis fast ausnahmslos in diese Richtung. Man hilft sich zwar mit der Feststellung, dass bis zum Wahltag Ende September noch knapp fünf Monate ins Land ziehen werden. Da könne noch viel passieren. Was aber sollte passieren, damit es mit CDU und CSU doch wieder bergauf geht? Ist nicht die Gefahr viel größer, dass zum Beispiel ein neuerlicher Dürresommer der Forderung nach mehr Klimaschutz weiteren Schwung verleiht oder dass eine Virus-Mutation den Verdruss an der Corona-Politik noch weiter steigert?
In der CSU-Führung hat man sich, wie Insider berichten, auf eine Art Doppelstrategie verständigt. Man will sich mit aller Kraft „in den schwierigsten Wahlkampf seit 1998“ stürzen. Damals musste die Union eine Niederlage gegen Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grünen) hinnehmen. Zugleich aber wollen CSU-Chef Söder und seine Mitstreiter für den Fall einer Niederlage sicherstellen, dass die Schuld hinterher bei der CDU und ihrem Kanzlerkandidaten gesucht wird – und zwar nur dort. Der Boden dafür wird schon jetzt bereitet. Mehr als zehn Prozent, so rechnen CSU-Strategen in Hintergrundgesprächen vor, könne die CSU mit ihrem Ergebnis in Bayern nicht vor dem Ergebnis der CDU im übrigen Deutschland liegen. Die neuesten Umfragen sehen die Union derzeit bei 23 Prozent.
Paul Ziemiak und Markus Blume halten CDU und CSU zusammen
Die beiden Parteivorsitzenden Laschet und Söder, die sich gerade eben noch einen erbitterten Machtkampf um die Kanzlerkandidatur geliefert haben, liegen derweil – jeder für sich – erst einmal im Abklingbecken. Die persönlichen Kontakte sind – nach allem, was man hört – auf das unbedingt Notwendige reduziert. Die öffentlichen Sticheleien und Boshaftigkeiten werden weniger. Gleichzeitig soll in Kürze die Arbeit an einem gemeinsamen Wahlprogramm beginnen. Immerhin die Generalsekretäre Paul Ziemiak (CDU) und Markus Blume (CSU) gelten da als verlässliche Achse. Das persönliche Verhältnis, so heißt es hier wie dort, sei vertrauensvoll, freundschaftlich und von gegenseitigem Verständnis geprägt.
Ziemiak bestätigt, was im Flurfunk zu hören ist. „Markus Blume und ich haben ein exzellentes Verhältnis. Wir telefonieren fast täglich. Wir schätzen uns sehr und wir werden rechtzeitig vor der Sommerpause gemeinsam ein starkes Programm vorlegen“, sagt der CDU-Politiker, der in den letzten Wochen des Streits der Ruhepol war. 35 Jahre ist er alt und geht abgeklärt an die Sache heran. „Differenzen zwischen den Schwesterparteien“, sagt Ziemiak, „sind normal und die hat es immer gegeben. Sie sind so alt wie unsere gemeinsame Parteiengeschichte“. Polit-Diplomatie eben.
Der CDU-Generalsekretär appelliert an die Geschlossenheit der Union. „Wichtig ist, dass wir in den entscheidenden Momenten zusammenstehen. Nur mit Geschlossenheit gewinnen wir diese Bundestagswahl“, sagt er. Es sind zwei Sätze, die so in letzter Zeit schon oft zu hören waren. Die aber noch nie so ernst gemeint waren. Denn mit der Geschlossenheit bei der CDU ist das selbst innerhalb der Partei gerade so eine Sache. Selbst Optimisten zweifeln, ob sich die Union an der Spitze der Regierung halten kann. Man müsse jetzt zur Sacharbeit zurückkehren, sagt eine hochrangige CDU-Politikerin. Es gebe eine Sehnsucht nach Normalität, sagt sie, ahnt gleichzeitig aber auch, „dass der ein oder andere wohl noch aufbegehren wird“.
Die Abgeordneten der Union haben Angst, ihr Mandat zu verlieren
Immerhin die CDU-Abgeordneten in der Fraktion, zuletzt größtenteils Fans eines Spitzenkandidaten Söder, haben offenbar beschlossen, sich dem Burgfrieden anzuschließen. Selbst wenn die Union bei der Bundestagswahl gewinnen sollte, müssen CDU und CSU mit weniger Mandaten rechnen. Es geht hier also auch um politische Existenzen. Mit Sorge wird da beobachtet, wie sich die Affäre um die Aserbaidschan-Connection entwickelt, in die offenbar doch mehr CDU-Abgeordnete verwickelt sein könnten als bislang angenommen. Es geht um dubiose Verbindungen zu dem autoritär regierten Staat.
In der Partei hat die Aufregung um die Nominierung von Hans-Georg Maaßen als Direktkandidat in Thüringen zudem gezeigt, dass Laschet die einzelnen Flügel noch längst nicht geeint hat. Die stramm Konservativen in der CDU verbinden mit Maaßen einige Hoffnungen, dass der Mitte-Links-Kurs von Kanzlerin Angela Merkel wieder in die rechte Richtung steuert. Immerhin hat Laschet mit Friedrich Merz einen seiner einflussreichsten Widersacher ins Team eingebunden. Die Stimmung kann wieder kippen, aber offenes Aufbegehren hat der CDU-Chef bisher unterbunden. Gerüchte über seine Auswechslung als Spitzenkandidat nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni sind deshalb nicht mehr als das.
In einem FAZ-Interview untermauerte er demonstrativ seinen Anspruch, in Berlin die Führung zu übernehmen. Auf die Frage, ob er für sich „ein Rückfahrticket nach Düsseldorf“ beanspruche, um weiter als NRW-Ministerpräsident regieren zu können, sagte Laschet: „Klares Nein. Für mich ist klar: Mein Platz ist nach der Bundestagswahl in Berlin. Ich will Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden und werde mit aller Kraft dafür kämpfen, dass die Union die Wahl gewinnt.“ Zuvor hatte es geheißen, Laschet wolle einen Parteitag seiner Landes-CDU verschieben, um seine Optionen offen zu halten. Laut nordrhein-westfälischer Landesverfassung kann Laschet, sollte er nicht Kanzler werden, zumindest nicht einfach Ministerpräsident bleiben und gleichzeitig ein Bundestagsmandat annehmen. In der Verfassung heißt es: „Ein Mitglied der Landesregierung kann nicht gleichzeitig Mitglied des Bundestags oder der Bundesregierung sein.“
Ziemiak warnt vor einer links-grünen Regierung
Ziemiak weiß um die Unruhe rund ums Konrad-Adenauer-Haus. „Natürlich beschäftigen mich auch Umfragen. Aber sie sind nicht der Maßstab meines Handelns“, sagt er. „Unser Ziel ist es, dass nach der Bundestagswahl keine Regierung ohne Führung durch die Union gebildet werden kann. Denn eines ist doch klar: Die Grünen würde sich auch mit einer Stimme Mehrheit von der Linkspartei ins Kanzleramt wählen lassen.“ Die Mehrheit der Menschen, ist sich der Generalsekretär sicher und gibt gleichzeitig eine Argumentationslinie für den Wahlkampf vor, wolle am Tag nach der Wahl nicht mit einer links-grünen Regierung aufwachen.
In der CSU beobachtet man die Zerwürfnisse in der großen Schwesterpartei mit Sorge. Die jüngsten Umfragen, die die Union sogar schon hinter den Grünen sehen, kommentiert Generalsekretär Blume mit den Worten: „Die große Enttäuschung über den Ausgang der Personalentscheidung spiegelt sich in den Umfragen wider. Viele, nicht nur in Bayern, hätten sich Markus Söder gewünscht. Armin Laschet ist nun verantwortlich, die Umfragen zu drehen. Die persönliche Zufriedenheit mit Markus Söder ist unverändert auf hohem Niveau stabil.“
Die CSU sieht sich mit Parteiaustritten konfrontiert
Aber auch in Bayern läuft es längst nicht so, wie es aus Sicht der CSU-Führung eigentlich laufen sollte. Die Chance, dass ein Kanzlerkandidat aus Bayern – wie einst Edmund Stoiber – eine Million zusätzlicher Stimmen holt, ist dahin. Allerorten machen sich Fliehkräfte bemerkbar. Kreisvorsitzende berichten von Parteiaustritten, weil vielen Mittelständlern die CSU zu grün geworden sei. In den Großstädten wiederum müsse die Partei um Direktmandate bangen, weil sie auch gut verdienenden jüngeren Wählern nicht weltoffen und grün genug erscheint.
Der Generalsekretär tritt derlei Befürchtungen offensiv entgegen. Blume sagt: „Die Grünen erleben eine Welle der Begeisterung, aber der Realitätscheck zeigt: Mit einem grün-rot-roten Linksbündnis drohen den Menschen im Land Gaga-Politik, Verbotsfantasien und Belastungsorgien.“
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