In Thüringen sondieren Linke, SPD und Grüne die Möglichkeit eines Misstrauensvotums gegen den umstrittenen FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich. Aus Kreisen der Linken-Fraktion und der SPD hieß es am Mittwoch, das Thema solle bei Gremiensitzungen zur Sprache kommen. Auch Grünen-Fraktionschef Dirk Adams signalisierte, dass diese Variante im Gespräch sei. Laut Thüringer Landesverfassung kann das Parlament einem Ministerpräsidenten das Misstrauen aussprechen. Dafür ist aber eine absolute Mehrheit nötig - in Thüringen wären das 46 Stimmen. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen auf 42 Stimmen.
Bleibt Thomas Kemmerich Ministerpräsident von Thüringen?
Der FDP-Politiker Kemmerich war am Mittwoch im Thüringer Landtag überraschend mit den Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Regierungschef gewählt worden. Der Kandidat der FDP, die im Herbst nur knapp den Sprung in den Landtag geschafft hatte, setzte sich gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durch. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half.
Linke-Landespartei- und Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow signalisierte wie schon zuvor Adams, dass die Linke für Gespräche mit der FDP offen sei - jedoch nicht mit einem FDP-Ministerpräsidenten. "Wir werden uns in zukünftigen Konstellationen Gesprächen auch mit der FDP nicht verweigern - aber nicht unter einem Ministerpräsidenten Kemmerich", sagte Hennig-Wellsow. Zugleich plädierte sie für eine Neuwahl. "Die Unfähigkeit der demokratischen Parteien, miteinander zu reden, endete in diesem Tabubruch. Für mich bedeutet das, dass es einen Neuanfang geben muss - einen kompletten Schnitt."
Diese Hürden gibt es für ein Misstrauensvotum in Thüringen:
- Ein Misstrauensantrag kann laut Thüringer Landesverfassung von einer Fraktion oder mindestens einem Fünftel der Abgeordneten beantragt werden. "Es reicht, dass eine Fraktion beantragt, dass das Misstrauensvotum nach Artikel 73 der Verfassung auf die Tagesordnung gesetzt wird", sagt der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner.
- Bei einem Misstrauensvotum bräuchte es einen Gegenkandidaten zu Kemmerich. In der Thüringer Landesverfassung heißt es: "Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, dass er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt."
- Kemmerichs Herausforderer bräuchte eine absolute Mehrheit, um ihn abzulösen. Im Thüringer Landtag wären das 46 Stimmen. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen aber nur auf 42 Stimmen. Es wären also zum Beispiel Stimmen aus den Reihen der CDU nötig, damit das Misstrauensvotum glückt. "Ein Ministerpräsident, der durch ein konstruktives Misstrauensvotum gewählt ist, ist ganz normal im Amt", sagt Brenner.
- Laut Brenner kann der Antrag nur von der Fraktion wieder zurückgezogen werden, die ihn eingebracht hat. (dpa)
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