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"Liebe gewinnt": Katholische Pfarrer rebellieren und segnen homosexuelle Paare

"Liebe gewinnt"

Katholische Pfarrer rebellieren und segnen homosexuelle Paare

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    Ein Symbol für die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben: Die Regenbogenfahne. Der Konflikt hat jetzt die katholische Kirche erreicht.
    Ein Symbol für die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben: Die Regenbogenfahne. Der Konflikt hat jetzt die katholische Kirche erreicht. Foto: Herbert Neubauer, dpa

    Es gibt Phasen im Leben von Stefan Theierl, da geht ihm schlicht und einfach die Energie aus. Abgelehnt zu werden, sagt er, das kostet Kraft. Denn der 42-Jährige aus Kempten vereint in sich einen vermeintlichen Widerspruch: Er ist katholisch – und verheiratet mit einem Mann.

    Als in der Münchner Kirche St. Benedikt am Sonntagnachmittag die Glocken läuteten, waren auch Theierl und sein Ehemann vor Ort. Die katholische Gemeinde hatte an diesem Tag zum Segnungsgottesdienst geladen. Im Vorfeld schrieb die Pfarrei in einer Mitteilung auf ihrer Website: „Wir freuen uns auf viele Paare, die sich segnen lassen möchten, egal ob wieder verheiratet, geschieden, verwitwet, LGBTQ, hetero.“ LGBTQ ist eine englische Abkürzung für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender. Pfarrer Wolfgang Rothe gestaltete die Segnungsfeier mit. „An diesem Tag wurde Kirchengeschichte geschrieben“, sagt er. Denn der Vatikan dürfte in der Einladung nicht weniger sehen als einen Akt der Rebellion.

    Bundesweit segnen katholische Pfarrer homosexuelle Paare

    Nicht nur in München, in ganz Deutschland gibt es um den 10. Mai Segnungsgottesdienste für Liebende – auch für homosexuelle Paare. Die Aktion läuft unter den Leitworten #liebegewinnt und #mutwilligSegnen. Über hundert katholische Gemeinden im gesamten Bundesgebiet haben ihr Mitwirken angekündigt. Es ist ein Protest, der sich auch gegen ein aktuelles Responsum aus dem Vatikan richtet; eines, das sich nicht nur für Stefan Theierl wie ein Schlag in die Magengrube angefühlt hatte.

    Die Debatte um den Umgang mit Homosexualität innerhalb der katholischen Kirche ist beinahe so alt wie die Institution selbst. Mitte März bestärkte die vatikanische Glaubenskongregation noch einmal ihre Position in einer Stellungnahme. Unzulässig sei demnach jede Segnungsform, die homosexuelle Partnerschaften anerkenne. Es sei „nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe – das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau“ einschließen. Papst Franziskus habe die Antwort gutgeheißen, betonte die Glaubenskongregation. Ein ehemaliger Stadtbergener Pfarrer hatte sich kürzlich angesichts des Schreibens schockiert gezeigt.

    Für den Münchner Pfarrer Rothe ist die Stellungnahme „unchristlich und unmenschlich“. Über Jahre hinweg habe die Kirche Homosexuelle vergrault und vertrieben. Man habe die Menschen dort getroffen, wo sie am verletzlichsten seien: in ihrer Sexualität. „Auch ich selbst habe lange geschwiegen. Als Priester bitte ich alle Homosexuellen um Verzeihung“, betont Rothe. Die Initiatoren von #liebegewinnt schreiben in einem Aufruf auf ihrer Internetseite: „Wir nehmen nicht hin, dass eine ausgrenzende und veraltete Sexualmoral auf dem Rücken von Menschen ausgetragen wird.“

    Der Vorsitzende der Bischofskonferenz kritisiert die Aktion

    Nicht wenige in der katholischen Kirche dürften #liebegewinnt indes als Akt pastoralen Ungehorsams verstehen. Gegenwind auf die Aktion folgte prompt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, kritisierte die seit dem Wochenende angelaufenen Segnungsgottesdienste für gleichgeschlechtliche Paare. „Segnungsgottesdienste haben ihre eigene theologische Würde und pastorale Bedeutung. Sie sind nicht als Instrument für kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen geeignet“, teilte der Limburger Bischof unlängst mit. Eine solche Aktion sei kein hilfreiches Zeichen und kein weiterführender Weg.

    Kardinal Georg Bätzing kritisiert die bundesweite Aktion.
    Kardinal Georg Bätzing kritisiert die bundesweite Aktion. Foto: Sascha Steinbach, dpa

    Laut einer Erhebung des Onlineportals Statista gab es im Jahr 2019 deutschlandweit 9936 katholische Pfarreien und Seelsorgestellen. Bei rund hundert teilnehmenden Gemeinden bedeutet das: Ein Großteil beteiligt sich nicht an der Aktion, zumindest nicht öffentlich. Auch im schwäbischen Raum trug sich keine Pfarrei in die Gottesdienstliste der Aktions-Website ein. Enttäuscht ist der Würzburger Hochschulseelsorger und Mitinitiator Burkhard Hose dennoch nicht. „Wir messen den Erfolg der Aktion nicht an der Zahl der Gottesdienste“, sagt er. Es gebe viele Gemeinden, die sich zwar nicht proaktiv beteiligen wollten, aber dennoch Segnungen für homosexuelle Paare anbieten würden.

    Wie groß der Widerstand gegen #liebegewinnt ist, zeigte sich am späten Sonntagnachmittag in der Münchner Kirche. Dort nämlich waren neben einigen Medienvertretern auch Polizeibeamte im Einsatz. „Aufgrund diverser Drohungen haben wir für unsere Segnungsfeier um Polizeischutz gebeten“, sagt Pfarrer Rothe. Gottesdienstbesucher Stefan Theierl lässt sich von „Hass-Mails“ nicht beeindrucken. Er wolle die Zukunft der Kirche mitgestalten, sagt er. „Ich bin geduldig.“ Man kenne ja die katholische Kirche. „Da muss man in Jahrhunderten denken.“

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