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Libyen: Vergewaltigung gehört zu Gaddafis Kriegswaffen

Libyen

Vergewaltigung gehört zu Gaddafis Kriegswaffen

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    Nachdem die Rebellen die Kontrolle über die libysche Stadt Brega übernommen haben, beginnen die Ärzte damit, das schwerbeschädigte örtliche Krankenhaus wieder in Betrieb zu nehmen.
    Nachdem die Rebellen die Kontrolle über die libysche Stadt Brega übernommen haben, beginnen die Ärzte damit, das schwerbeschädigte örtliche Krankenhaus wieder in Betrieb zu nehmen. Foto: Manu Brabo/dpa

    Der Jubel kam verfrüht. „Sirte eingenommen“, frohlockten Sprecher der libyschen Rebellen in Bengasi in der Nacht zum Montag. Doch je mehr Stunden des neuen Tages verstrichen, desto klarer war: Von einer Eroberung der Geburtsstadt des Diktators Muammar al-Gaddafi, 460 Kilometer östlich von Tripolis, konnte keine Rede sein. Der Haupttrupp der Aufständischen stand immer noch dort, wo er am Vorabend gestanden hatte – westlich der Stadt Bin Dschawad und noch 120 Kilometer von Sirte entfernt. Allerdings nahmen Flugzeuge der nun Nato-geführten internationalen Allianz am Montag die Stadt ins Visier.

    Die Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi müssen sich angesichts neuer Luftangriffe und des Vormarsches der Opposition immer weiter zurückziehen. Aber dort, wo sie gewütet haben, hinterlassen Gaddafis Soldaten verbrannte Erde. Berichte über Kriegsverbrechen wie Vergewaltigungen, Entführungen und Hinrichtungen von Regimegegnern mehren sich.

    Milizen bedrohen gezielt Anhängerinnen der Rebellen

    Ärzte aus der im Osten liegenden Stadt Adschdabija, die von der Opposition zurückerobert worden war, berichten unterdessen, dass Gaddafis Soldaten Anhängerinnen der Aufständischen offenbar systematisch vergewaltigten. Viele Sympathisanten der Opposition seien verschleppt worden und seitdem spurlos verschwunden. In ganz Libyen seien „Tausende von Zivilsten “ gekidnappt worden, beklagt auch die libysche Gegenregierung in der Oppositionshauptstadt Bengasi.

    „Wir werden alle Frauen, welche aufseiten der Opposition sind, holen und vergewaltigen“, drohten Gaddafis Militärs, die Adschdabija eine Woche lang belagert hatten. Ein Arzt berichtete nun im arabischen TV-Sender „Al-Dschasira“, dass Gaddafis Schergen sexuellen Missbrauch als Kriegswaffe gegen die weibliche Bevölkerung einsetzten. Frauen der Stadt seien aus ihren Häusern oder von der Straße verschleppt worden. Er habe sogar Viagra-Pillen in den Jackentaschen toter Gaddafi-Soldaten gefunden.

    Frau zeigt ihre Wunden und wird vor laufender Kamera abgeführt

    Erst am Samstag hatte eine junge Libyerin aus der Oppositionshochburg Bengasi ausländischen Journalisten in Tripolis berichtet, sie sei an einem Kontrollposten des Militärs entführt und dann von 15 Männern vergewaltigt worden. „Schaut, was sie mir angetan haben“, schrie Iman al-Obaidi in die Mikrofone und zeigte Wunden der Misshandlung im Gesicht und am Rücken, Fesselspuren an den Handgelenken. Dann wurde sie vor den laufenden Kameras der internationalen Presse von Gaddafis Geheimpolizisten gegen ihren Willen erneut weggeschleppt.

    Am Montag meldete der Nachrichtensender Al-Arabija, Iman al-Obaidi sei wieder frei. Da Vergewaltigung im arabischen Kulturkreis ein so großes Tabu ist, dass die Opfer nur sehr selten öffentlich darüber sprechen, feiern sie viele Frauen in den Aufständischen-Hochburgen als „Heldin der Revolution“. Inzwischen heißt es, die von ihr erhobenen Vorwürfe würden untersucht. Gegen vier Männer werde ermittelt.

    Der Chirurg Suleiman Refadi aus dem El-Mgareaf-Hospital in Adschdabija beklagte, dass Gaddafis Einheiten Ärzte beschießen und kidnappen. Drei Kollegen seien verschleppt worden, als sie mit einem Krankenwagen Verletzte auf der Straße bergen wollten. Nur das zerschossene Ambulanzfahrzeug blieb zurück. Mediziner aus anderen Orten berichteten, dass Verletzte gleich auf der Straße oder in Krankenhäusern von Gaddafis Soldaten erschossen wurden. Zudem wurden Hospitäler unter Feuer genommen.

    Diese Horrorberichte decken sich mit Zeugenangaben aus praktisch all jenen Städten, in denen Gaddafis Truppen noch die Kontrolle haben: Häuser werden durchsucht, Oppositionelle verschleppt. Einige Gefangene kommen nach Folter wieder nach Hause, andere werden getötet. Manche Leichen werden zur Abschreckung auf die Straßen der Wohnsiedlungen geworfen. Viele verschwinden jedoch für immer und werden irgendwo in Massengräbern verscharrt. Gaddafi hatte gedroht, dass er das Land von „Ratten“, wie er die Oppositionellen beschimpft, „säubern“ werde.

    Türkei übernimmt Kontrolle über Flughafen von Bengasi

    Eine Arbeitsgruppe der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, befürchtet, dass „hunderte von Menschen zu geheimen Orten verschleppt wurden, wo sie Folter oder unmenschlichen, erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein könnten“.

    Unterdessen hat die Türkei angekündigt, die Kontrolle über den Flughafen von Bengasi übernehmen zu wollen, um von dort aus humanitäre Hilfe für Libyen zu koordinieren. Ministerpräsident Recep Tayip Erdogan sagte, dies sei eine der Aufgaben, zu denen sich sein Land bei dem von der Nato geführten Einsatz bereit erklärt habe. (mit dpa)

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