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Libyen: Nach Tod Gaddafis: Sohn Saif al-Islam offenbar gefasst

Libyen

Nach Tod Gaddafis: Sohn Saif al-Islam offenbar gefasst

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    Saif al-Islam al-Gaddafi ist angeblich festgenommen worden.
    Saif al-Islam al-Gaddafi ist angeblich festgenommen worden. Foto: dpa

    Saif al-Islam ist der letzte noch in Libyen flüchtige Sohn von el-Gaddafi. Seine Gefangennahme erfolgte offenbar in Slitan, 160 Kilometer östlich von Tripolis, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija unter Berufung auf einen beteiligten Kämpfer der Nationalratsmilizen. Saif al-Islam soll am Rücken verletzt sein, hieß es. Offiziell wurde der Bericht noch nicht bestätigt.

    Unterdessen wurde auch bekannt, dass Nato-Kampfflugzeuge am Donnerstag den Konvoi des flüchtenden libyschen Ex-Machthabers el-Gaddafi bombardiert haben, ohne zu wissen, dass Gaddafi in einem der Fahrzeuge saß. Dies geht aus einer von der Nato veröffentlichten Darstellung der Ereignisse hervor.

    "Erhebliche Menge von Waffen und Munition"

    Demnach sei von den Nato-Flugzeugen ein Konvoi von etwa 75 Militärfahrzeugen in der Nähe der Stadt Sirte entdeckt worden. Zunächst sei ein einziges Fahrzeug beschossen worden, "um die Bedrohung zu verringern". Daraufhin habe sich der Konvoi aufgeteilt, die gepanzerten Fahrzeuge seien in verschiedene Richtungen gefahren. Sie seien mit "einer erheblichen Menge von Waffen und Munition beladen" gewesen.

    Eine Gruppe von 20 Fahrzeugen sei dann mit hoher Geschwindigkeit in Richtung Süden gefahren. Nato-Flugzeuge hätten daraufhin auf diese Fahrzeuge geschossen und etwa 10 davon zerstört. "Zur Zeit des Angriffs wusste die

    "Wir haben später durch offene Quellen und durch Aufklärung von Verbündeten erfahren, dass sich Gaddafi im Konvoi befand und der Angriff wahrscheinlich zu seiner Gefangennahme beigetragen hat", heißt es in der Nato-Mitteilung. Das Bündnis machte keine Angaben über die Nationalität der beteiligten Flugzeuge.

    Die ursprünglich für Freitag geplante Beisetzung des getöteten früheren libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi wird bis zum Abschluss von Untersuchungen zu den Umständen seines Todes verschoben. Das teilte ein Mitglied des Nationalen Übergangsrats mit. Der Internationale Strafgerichtshof werde den Fall untersuchen. Gaddafis Leiche sei immer noch in Misrata, wohin sie am Donnerstag nach der Eroberung von Sirte gebracht wurde.

    Gaddafi bei Festnahme noch am Leben

    Die Umstände von Gaddafis Tod waren nicht restlos geklärt. Arabische Fernsehsender strahlten Aufnahmen aus, in denen zu sehen war, dass Gaddafi bei seiner Festnahme zwar verletzt, aber noch am Leben war. Ein blutiger Gaddafi wird darin von Kämpfern hin und her geschubst. Spätere Aufnahmen zeigen, wie seine Leiche über den Bürgersteig gerollt wird. Neuesten Medienberichten zufolge kam nun heraus, dass bei der Autopsie des Leichnams Schüsse in Kopf und Bauch festgestellt worden seien. Die Schüsse seien aus "nächster Nähe" abgegeben worden. Zudem habe Gaddafi eine Perücke getragen.

    Angesichts dieser Berichte forderte der UN-Menschenrechtsrat am Freitag eine Untersuchung des Todes Gaddafis. Das hatte zuvor auch schon die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verlangt. Es müsse eine "umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung" geben, um die Umstände von Gaddafis Tod zu klären. Alle Mitglieder des ehemaligen Gaddafi-Regimes müssten human behandelt werden, hieß es.

    Gaddafi sollte nach Angaben des Übergangsrats nach islamischer Tradition in Sirte bestattet werden. Gaddafi war am Donnerstag in der Endphase des Kampes um seine Heimatstadt Sirte noch lebend von den Aufständischen aus einem Versteck gezerrt und dann getötet worden. Der Übergangsrat kündigte an, Interimsführer Mustafa Abdul Dschalil werde am Samstag in der Stadt Bengasi, wo Mitte Februar der Aufstand gegen Gaddafi begann, formell die Befreiung Libyens bekannt geben.

    Der Übergangsrat hatte schon zuvor erklärt, er werde innerhalb eines Monats nach der Befreiung eine Übergangsregierung bilden und dann innerhalb von acht Monaten Wahlen abhalten. Der als Regierungschef amtierende Politiker Mahmud Dschibril kündigte an, er werde nicht an der Übergangsregierung beteiligt sein.

    Nato berät über Ende der Luftangriffe

    Chronologie: Aufstieg und Fall von Gaddafi

    Libyens Muammar al-Gaddafi wurde als Terrorhelfer international geächtet und als Handelspartner hofiert. Im Westen galt der selbst ernannte Revolutionsführer mit bizarr anmutenden Gewohnheiten vielen als unberechenbar.

    1942: Im September nahe der Stadt Sirte in Libyen geboren.

    1963: Jura- und Geschichtsstudium für Offizierslaufbahn abgebrochen.

    1969: Ein «Bund der freien Offiziere» putscht Gaddafi an die Macht.

    1970: Ausländische Öl-Firmen in Libyen werden verstaatlicht.

    1973: Gaddafi veröffentlicht seine «Dritte Universaltheorie» als Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus.

    1977: Der «Revolutionsführer» ruft die «Sozialistische Libysch- Arabische Volks-Dschamahirija (Herrschaft der Massen)» aus.

    1985: Wegen Libyens Verstrickung in den internationalen Terrorismus verhängen die USA einen Wirtschaftsboykott.

    1986: Die USA machen Gaddafi für einen Anschlag auf die Berliner Diskothek «La Belle» verantwortlich und bombardieren Tripolis.

    1988: 270 Tote bei Explosion eines US-Jumbos über Lockerbie.

    1991: Der UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen Libyen.

    2003: Libyen sagt für den Anschlag von Lockerbie die Zahlung von Entschädigungen zu; die UN heben die Sanktionen auf.

    2003: Gaddafi kündigt Einstellung des libyschen Atomprogramms und die Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen an.

    2004: Die USA heben ihre Handelsbeschränkungen auf. 2007: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vereinbart mit Gaddafi eine militärische und atomtechnische Kooperation. Anvisiert wird die Lieferung von Kampfjets und eines Atomkraftwerks.

    2008: Die USA schließen mit Libyen ein Öl-Handelsabkommen. 2009: Gaddafi wird für ein Jahr Ratsvorsitzender der Afrikanischen Union und fordert die «Vereinigten Staaten von Afrika».

    2009: Freundschaftsabkommen und erster Staatsbesuch Gaddafis in Rom.

    2010: Nach Festnahme seines Sohns Hannibal in Genf wegen Misshandlung von Angestellten ruft Gaddafi zum Dschihad gegen die Schweiz.

    2010: Um den Zustrom afrikanischer Flüchtlinge über Libyen einzudämmen, zahlt die EU Gaddafi 50 Millionen Euro.

    2011: Am 15. Februar demonstrieren Tausende gegen Gaddafi. Seine Gefolgsleute richten später ein Blutbad unter Zivilisten an. Der folgende Bürgerkrieg läutet den Sturz des «Führers» ein. (dpa)

    Nach dem Tod Gaddafis wollte die Nato am Freitag über ein Ende der Luftangriffe in Libyen beraten. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, ein Ende des Einsatzes sei "sehr viel näher gerückt". Eine Entscheidung werde gemeinsam mit den UN und dem libyschen Nationalen Übergangsrat gefällt. Aus Diplomatenkreisen verlautete, beim Treffen am Freitag werde entschieden, wann und wie die Aktion eingestellt werde.

    Bei den Kämpfen um Sirte wurde auch mindestens ein Gaddafi-Sohn getötet. Nach Angaben des Übergangsrates handelte es sich um Muatassim Gaddafi. Saif al Islam, der lange als Nachfolger des Machthabers gehandelt worden war, sei verletzt worden, sagte Justizminister Mohammed al Alagi. Verschiedene Medien berichteten allerdings, dass auch Saif al Islam getötet wurde. (dapd)

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