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Libyen: Gaddafi starb offenbar an Lähmung des Atemzentrums

Libyen

Gaddafi starb offenbar an Lähmung des Atemzentrums

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    Der ehemalige Diktator Libyens, Muammar al-Gaddafi, soll offenbar an einer schweren Kopfverletzung und einer daraus folgenden Lähmung des Atemzentrums gestorben sein.
    Der ehemalige Diktator Libyens, Muammar al-Gaddafi, soll offenbar an einer schweren Kopfverletzung und einer daraus folgenden Lähmung des Atemzentrums gestorben sein. Foto: dpa

    Eine  sogenannte Herniation, eine Einklemmung von Teilen des Gehirns mit einer anschließenden Lähmung des Atemzentrums, sei die Ursache für seinen Tod gewesen, sagte der Arzt Abu  Bakr Traina, der Gaddafis Totenschein ausgestellt habe, gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" laut einem Vorabbericht vom Sonntag. "Ob das eine Kugel war oder ein Schrapnell, wissen wir nicht", ergänzte er mit Blick auf die Kopfverletzung. "Denn die Eintrittswunde in der Stirn ist ziemlich klein, nur die Austrittswunde an der Schläfe ist größer, und das Geschoss selbst ist verschwunden."

    Gaddafi offenbar nicht misshandelt

    Er verstehe das Interesse an den genauen Umständen des Todes des  Ex-Machthabers, doch sei er skeptisch, ob das Geheimnis jemals  aufgeklärt werden könne, sagte Traina dem Magazin. "Der offizielle Obduktionsbericht von den Ärzten aus Tripolis wird demnächst  veröffentlicht, aber ohne das Fragment können die auch nicht viel  mehr sagen", fügte er hinzu. Nach Trainas Angaben fanden sich an Gaddafis Leiche keine Anzeichen schwerer Misshandlungen vor seinem Tod, der Leichnam sei in einem besseren Zustand gewesen als erwartet: "Ich dachte, er sei bestimmt furchtbar zugerichtet mit schweren Hämatomen, Brüchen, Wunden. Ich dachte, er sei totgeschlagen worden. Aber als wir ihn vom Blut gereinigt hatten, sah ich kaum blaue Flecken, auch Rippenbrüche konnte ich keine ertasten." Gaddafi habe "das verlebte Gesicht eines 69-Jährigen, aber den Oberkörper eines 40-Jährigen, kaum Falten, flacher Bauch" gehabt.

    Machthaber kam unter bislang ungeklärten Umständen ums Leben

    Chronologie: Aufstieg und Fall von Gaddafi

    Libyens Muammar al-Gaddafi wurde als Terrorhelfer international geächtet und als Handelspartner hofiert. Im Westen galt der selbst ernannte Revolutionsführer mit bizarr anmutenden Gewohnheiten vielen als unberechenbar.

    1942: Im September nahe der Stadt Sirte in Libyen geboren.

    1963: Jura- und Geschichtsstudium für Offizierslaufbahn abgebrochen.

    1969: Ein «Bund der freien Offiziere» putscht Gaddafi an die Macht.

    1970: Ausländische Öl-Firmen in Libyen werden verstaatlicht.

    1973: Gaddafi veröffentlicht seine «Dritte Universaltheorie» als Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus.

    1977: Der «Revolutionsführer» ruft die «Sozialistische Libysch- Arabische Volks-Dschamahirija (Herrschaft der Massen)» aus.

    1985: Wegen Libyens Verstrickung in den internationalen Terrorismus verhängen die USA einen Wirtschaftsboykott.

    1986: Die USA machen Gaddafi für einen Anschlag auf die Berliner Diskothek «La Belle» verantwortlich und bombardieren Tripolis.

    1988: 270 Tote bei Explosion eines US-Jumbos über Lockerbie.

    1991: Der UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen gegen Libyen.

    2003: Libyen sagt für den Anschlag von Lockerbie die Zahlung von Entschädigungen zu; die UN heben die Sanktionen auf.

    2003: Gaddafi kündigt Einstellung des libyschen Atomprogramms und die Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen an.

    2004: Die USA heben ihre Handelsbeschränkungen auf. 2007: Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy vereinbart mit Gaddafi eine militärische und atomtechnische Kooperation. Anvisiert wird die Lieferung von Kampfjets und eines Atomkraftwerks.

    2008: Die USA schließen mit Libyen ein Öl-Handelsabkommen. 2009: Gaddafi wird für ein Jahr Ratsvorsitzender der Afrikanischen Union und fordert die «Vereinigten Staaten von Afrika».

    2009: Freundschaftsabkommen und erster Staatsbesuch Gaddafis in Rom.

    2010: Nach Festnahme seines Sohns Hannibal in Genf wegen Misshandlung von Angestellten ruft Gaddafi zum Dschihad gegen die Schweiz.

    2010: Um den Zustrom afrikanischer Flüchtlinge über Libyen einzudämmen, zahlt die EU Gaddafi 50 Millionen Euro.

    2011: Am 15. Februar demonstrieren Tausende gegen Gaddafi. Seine Gefolgsleute richten später ein Blutbad unter Zivilisten an. Der folgende Bürgerkrieg läutet den Sturz des «Führers» ein. (dpa)

    Unterstützer des Nationalen Übergangsrats in Libyen hatten Gaddafi  am 20. Oktober nach einem NATO-Luftangriff auf seine Heimatstadt  Sirte gefangen genommen. Danach war er unter bislang ungeklärten  Umständen ums Leben gekommen. Nach Angaben des Übergangsrats starb  er im Kreuzfeuer zwischen Anhängern und Gegnern. Anderen Berichten zufolge wurde Gaddafi Opfer eines Lynchmords. In einem im Internet veröffentlichten Video sagte ein Anhänger des Übergangsrats, er habe Gaddafi in den Kopf geschossen.

    Gaddafi wurde an unbekanntem Ort in der Wüste südlich der Stadt Misurata bestattet. In seiner Heimatstadt Sirte wurden dem "Spiegel" zufolge die Gräber seiner Mutter und seiner Großmutter geschändet und die Überreste der Leichen verschleppt. afp/dpa/AZ

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