Nach dem verheerenden Großbrand im griechischen Flüchtlingslager Moria ist noch immer unklar, was aus den fast 13.000 Menschen wird, die dort untergebracht waren. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollen zumindest 400 unbegleitete Minderjährige innerhalb der Europäischen Union verteilen. Ob sich noch weitere Länder daran beteiligen, war aber zunächst offen. Viele Städte und Kommunen in Deutschland hingegen haben bereits angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer zögert. Sein Kabinettskollege und CSU-Parteifreund Gerd Müller hingegen warnt eindringlich davor, weitere Zeit zu verlieren. "Wir können das nicht zerreden; den Menschen muss jetzt sofort geholfen werden", sagte der Entwicklungsminister im Gespräch mit unserer Redaktion. Moria sei kein Flüchtlingslager, sondern ein Gefängnis.
Gerd Müller: "Wir können nicht weitere fünf Jahre warten"
Müller plädierte dafür, das Angebot der Kommunen anzunehmen und 2000 Flüchtlinge schnell nach Deutschland zu holen: "Die Städte wissen ja sehr genau, was leistbar ist und was nicht. Diese Solidarität müssen wir aber auch von anderen europäischen Ländern einfordern." Hier liegt der Knackpunkt. Denn die Diskussion um Moria macht einmal mehr deutlich, wie weit Europa von einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik entfernt ist.
In der kommenden Woche will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr Konzept vorlegen. Die Bundesregierung arbeitet hinter den Kulissen daran, möglichst viele Mitstreiter für eine solidarische Verteilung von Asylbewerbern zu gewinnen. Müller glaubt nicht mehr daran, dass es gelingen wird, alle Mitgliedstaaten auf eine Linie zu bringen. "Wir können nicht weitere fünf Jahre auf Einstimmigkeit innerhalb der Europäischen Union warten, sondern brauchen jetzt ein Konzept der acht bis zehn Länder, die am stärksten betroffen sind, forderte er.
Nach Brand in Moria: Auf Lesbos herrscht das blanke Chaos
Während Europa noch debattiert, herrscht auf Lesbos das blanke Chaos. Fast 13.000 Menschen haben kein Dach über dem Kopf. Hinzu kommt die Angst vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus. Auch bei den Einheimischen ist die Wut groß, nachdem inzwischen als sicher gilt, dass der Brand von Flüchtlingen selbst gelegt worden war. Wollten sie damit die Schließung des Lagers erzwingen? "Wir sagen es ihnen klipp und klar: Sie werden nicht wegen des Feuers die Insel verlassen. Das können sie vergessen", kommentierte ein griechischer Regierungssprecher entsprechende Mutmaßungen. Auch in Deutschland gibt es Stimmen, die davor warnen, mit der Aufnahme werde ein falsches Signal gesetzt.
Entwicklungsminister Müller warb dennoch um Verständnis für die Flüchtlinge in Moria. "Die Menschen sind nach dem Ausbruch von Corona in dem Lager verzweifelt und bekamen keine Hilfe. Es ist tragisch, dass in der Panik einige offenbar keinen anderen Ausweg gesehen haben", sagte er. Moria war ursprünglich für 3000 Menschen vorgesehen, inzwischen sind es mehr als viermal so viele. "Kaum ein Lager der Welt hat schlechtere Lebensbedingungen. Das ist unvorstellbar, das ist eine Schande für Europa", sagte Müller.
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