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Leitartikel: Wozu in Israel das Freund-Feind-Denken führt

Leitartikel

Wozu in Israel das Freund-Feind-Denken führt

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    In letzter Minute hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Gespräch mit Außenminister Sigmar Gabriel abgesagt - und damit ein diplomatisches Eklat ausgelöst.
    In letzter Minute hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein Gespräch mit Außenminister Sigmar Gabriel abgesagt - und damit ein diplomatisches Eklat ausgelöst. Foto: Ronen Zvulun (dpa)

    Wo Rauch ist, sagt der Volksmund, ist auch Feuer. Wenn sich also in einem Staat Menschen zusammentun, um auf Unrecht hinzuweisen, dann geschieht dies meist nicht ohne Grund. Es gibt wohl kein Land der Welt, in dem niemand Anlass zur Klage hätte. Auch eine Demokratie wie Deutschland bildet da keine Ausnahme. So gibt es hierzulande zum Beispiel offene und verdeckte Formen von Rassismus – und Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International, die diesen Missstand aufdecken und Kampagnen dagegen starten. In Staaten wie Russland und China, die ihren Bürgern demokratische Grundrechte vorenthalten, besteht noch viel mehr Anlass für Kritik am herrschenden System.

    Wie sieht es aber mit Israel aus? Der jüdische Staat ist eine Demokratie, die einzige im Nahen Osten. Doch

    Netanjahu nahm Eklat in Kauf

    Aus dieser Konfliktlage erwächst ein Freund-Feind-Denken, das vom ultraorthodoxen Judentum und der immer stärker werdenden politischen Rechten in den vergangenen Jahren massiv befeuert wurde. Wer nicht vorbehaltlos den auf militärische Stärke und Besiedlung besetzter Gebiete setzenden Regierungskurs unterstützt, gilt diesen Scharfmachern als Nestbeschmutzer oder sogar als Landesverräter.

    Mit diesem Verdikt werden auch israelische Menschenrechtsgruppen abgestempelt, die sich um Missstände kümmern, wie sie im Zusammenhang mit einem Besatzungsregime praktisch zwangsläufig auftreten. Das rechts-religiöse Lager will diese Kritik unterdrücken und verhindern, dass die Menschenrechtler durch Besuche ausländischer Politiker aufgewertet werden. Das ist der Hintergrund dafür, warum Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, dessen Koalition von rechtsgerichteten und religiösen Parteien geprägt ist, ein Gespräch mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in letzter Minute abgesagt hat (lesen Sie hier mehr dazu). Lieber nahm er einen diplomatischen Eklat in Kauf, als sich innenpolitisch angreifbar zu machen.

    Netanjahu hat sich mehrfach, wenn auch nicht sehr überzeugend, zur Zwei-Staaten-Lösung bekannt – jenem Modell also, das ein friedliches Nebeneinander eines jüdischen und eines palästinensischen Staates vorsieht, und das von der internationalen Gemeinschaft favorisiert wird. Doch die Bereitschaft, dafür Opfer zu bringen, sinkt in Israel – auch, weil sich aufseiten der Palästinenser kein verlässlicher Garant für eine solche Lösung finden lässt.

    Der Albtraum von der arabischen Mehrheit

    Auf eine weitere Besatzung zu setzen ist dennoch kurzsichtig und sogar gefährlich für die Existenz des Staates Israel. Denn Gewalt erzeugt immer Gegengewalt. Ein Interessenausgleich, wie im Zwei-Staaten-Modell vorgesehen, ist Voraussetzung für einen Frieden. Wie sehen Alternativen aus? Ein gemeinsamer israelisch-palästinensischer Staat würde aufgrund der demografischen Entwicklung eines Tages von einer arabischen Mehrheit geprägt – ein Albtraum für die Juden. Soll er jüdisch geprägt bleiben, wäre dieser Staat nicht mehr demokratisch.

    Wer kann Israel davon überzeugen, dass zwei Staaten doch die bessere Lösung darstellen? Deutschland und die anderen EU-Regierungen finden immer weniger Gehör, die Gesprächsverweigerung mit Gabriel ist dafür symptomatisch. Wahrscheinlich sind nur die USA dazu in der Lage. Aber von Präsident Trump gibt es bisher kein solches Signal.

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