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Leitartikel: Was Angela Merkel von der SPD lernen kann

Leitartikel

Was Angela Merkel von der SPD lernen kann

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    Ernste Miene: Die Kanzlerin und CDU-Chefin bei einer Pressekonferenz. Foto: Tobias Hase
    Ernste Miene: Die Kanzlerin und CDU-Chefin bei einer Pressekonferenz. Foto: Tobias Hase

    Angela Merkel ist eine Frau, die nichts dem Zufall überlässt. Während der SPD der Bizeps schwillt, als habe Martin Schulz sie gerade mit Eigenblut gedopt, beschäftigt die Wahlkämpfer der CDU eine ganz andere Frage: Sollen sie Plakate, Broschüren und Fernsehspots auch diesmal mit einem kräftigen Orange unterlegen oder doch lieber mit einem staatstragenden Schwarz-Rot-Gold?

    Sechs Monate vor der Wahl ist das vielleicht eine unwirkliche, für die CDU aber durchaus typische Diskussion: Sie spürt, dass sich etwas ändern muss, weiß aber noch nicht so genau, was. Bei Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, den beiden letzten Herausforderern, hätte die Union auf das Drucken von Handzetteln und das Buchen von TV-Werbung getrost verzichten können. Angela Merkels enorme Popularität und ihre ruhige, sachliche Art haben den beiden Wahlkämpfen jede Brisanz genommen und die SPD regelrecht eingeschläfert. Mit dem Kandidaten Schulz dagegen verhält es sich genau umgekehrt: Er hat die SPD wiederbelebt – und die Union betäubt.

    Dass die Wahl 2017 ihre mit Abstand schwierigste werden würde, war der Kanzlerin schon klar, als sie sich zu einer neuerlichen Kandidatur entschloss. Damals aber dürfte sie vor allem an die Nachbeben ihrer Flüchtlingspolitik gedacht haben, an den Brexit, die neue Konkurrenz von der AfD und vielleicht auch schon an Donald Trump, den sie in der kommenden Woche in Washington trifft. Eine SPD jedoch, die binnen weniger Wochen fast zehn Prozentpunkte gutmacht und tausende von neuen Mitgliedern gewinnt, war in diesen Szenarien sicher nicht vorgesehen. Entsprechend groß ist der Druck, unter dem Angela Merkel nun steht.

    Nicht nur Horst Seehofer und die bayerische Schwesterpartei, auch weite Teile der CDU erwarten von ihr, dass sie Schulz offensiver begegnet und die Union insgesamt wieder unterscheidbarer, also konservativer wird, schließlich werden im Frühjahr auch noch in drei Bundesländern neue Landtage gewählt, darunter im mit Abstand größten, Nordrhein-Westfalen. Gelingt ihr das nicht, könnte es Angela Merkel im ungünstigsten Fall ergehen wie Steinmeier und Steinbrück: Beide sind auch gescheitert, weil sie die eigenen Anhänger nicht (mehr) begeistern konnten.

    Der Streit mit der CSU ist nur auf Eis gelegt

    Im Fall der Kanzlerin kommt noch erschwerend hinzu, dass der Richtungsstreit mit der CSU nicht wirklich beigelegt, sondern lediglich auf Eis gelegt ist. Solange Seehofer für eine Obergrenze im Asylrecht kämpft und sie dagegen, kann von Geschlossenheit ja keine Rede sein. Die aber ist genauso Voraussetzung für einen erfolgreichen Wahlkampf wie das Bild, das der jeweilige Spitzenkandidat vermittelt. Martin Schulz jedenfalls strotzt im Moment nur so vor Kraft und Entschlossenheit, Angela Merkel dagegen wirkte schon bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur im November seltsam lustlos, so als erfülle sie nur eine politische Pflicht.

    Natürlich ist sie noch immer die Favoritin, und natürlich wird die Welle der Sympathie, die den Seiteneinsteiger Schulz von Umfrage zu Umfrage trägt, noch abebben. Darauf alleine aber kann Angela Merkel sich nicht verlassen, wenn sie Bundeskanzlerin bleiben will. Nach fast zwölf Jahren im Amt und einer veritablen, noch lange nicht bewältigten Flüchtlingskrise wird sie nicht mehr um ihrer selbst willen gewählt. Sie muss sich neu erklären und vielleicht noch einmal neu erfinden – als die Frau vielleicht, die Schulz und seinen sozialpolitischen Seiltänzen eine weitere, an der ökonomischen Vernunft orientierte Reformagenda entgegensetzt.

    Einfach nur die Kanzlerin zu plakatieren, ob in Orange oder doch in Schwarz-Rot-Gold: Das wird in diesem Wahlkampf nicht reichen.

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