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Leitartikel: Terroristen zielen ins Herz der freien Welt – sie dürfen nicht gewinnen

Leitartikel

Terroristen zielen ins Herz der freien Welt – sie dürfen nicht gewinnen

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    Polizisten legen nach dem Anschlag in Manchester Blumen ab.
    Polizisten legen nach dem Anschlag in Manchester Blumen ab. Foto: Martin Rickett (dpa)

    Unschuldige, wehrlose Kinder und Jugendliche, erfüllt von Glück nach dem Konzert ihres Popidols, verstümmelt, zerfetzt, in den Tod gerissen von der Bombe eines Selbstmordattentäters. Barbarischer, sinnloser Terror, der mitten ins Herz der freien westlichen Gesellschaft zielt. Brüssel, Paris, Nizza, Berlin, Manchester – die Serie todbringender Anschläge auf europäische Metropolen reißt nicht ab.

    Und da gibt es auch nichts zu beschönigen oder zu relativieren, etwa durch den völlig unnützen Hinweis, dass mehr Menschen durch Rauchen, falsche Ernährung, verschluckte Fischgräten oder Autounfälle sterben, als durch Terroranschläge. Auch die schulterzuckende Empfehlung, die Gesellschaft müsse sich an die Terrorgefahr eben gewöhnen, in anderen Teilen der Welt sei es schließlich noch viel schlimmer, bringt niemanden weiter. Jedes dieser Attentate ist eines zuviel. Jedes Todesopfer mahnt dazu, die ideologischen Urheber und die Finanziers des Terrors ohne Nachsicht zu bekämpfen.

    Die bei Anschlägen Verletzten, die mit den schlimmen Folgen leben müssen, die Angehörigen, die den Verlust geliebter Menschen oft niemals verkraften, sie sind Verpflichtung, mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln neue Attentate zu verhindern.

    Auch Deutschland steht im Fadenkreuz des Terrors

    Dass Deutschland im Fadenkreuz islamistischen Terrors steht, ist spätestens nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt klar, bei dem zwölf Menschen getötet wurden. Auch haarsträubendes Behördenversagen hat die Wahnsinnstat des als Gefährder bekannten Tunesiers Anis Amri begünstigt. Seither hat die Bundesregierung versucht, die bestehenden Lücken in der Gefahrenabwehr zu schließen. Sicherheitspolitik ist bislang das dominierende Thema im Wahlkampf.

    Doch in der Diskussion um die richtigen Antworten auf die Terrorgefahr wird schmerzlich klar: Absolute Sicherheit kann es nicht geben. Nicht jeder öffentliche Platz, an dem sich Menschen treffen, kann mit Zugangskontrollen und Videoüberwachung gesichert werden. Es ist schwierig genug, die bekannten Gefährder im Blick zu behalten, zumal deren Zahl weiter gestiegen ist. So genannte „einsame Wölfe“, die sich etwa in sozialen Netzwerken radikalisieren und dann Anschläge mit Äxten, Messern, Autos oder selbst gebastelten Bomben planen, sind noch viel schwerer dingfest zu machen.

    Sicherheitsmaßnahmen dürfen die Freiheit nicht abschaffen

    In diesen Zeiten besonderer Bedrohung stehen Polizei und Nachrichtendienste vor einer Herkulesaufgabe, die eine entsprechende Ausstattung und die nötigen Befugnisse erfordert. Und es muss immer wieder neu verhandelt werden, wie diese Befugnisse in Einklang mit den Bürgerrechten zu bringen sind.

    Doch Sicherheitsmaßnahmen dürfen die Freiheit nicht abschaffen. Sie müssen Freiheit ermöglichen. Zu dieser Freiheit gehört es, das Leben zu feiern, Musik, Kultur und Geselligkeit zu genießen. Fußballspiele zu besuchen, den Kirchentag, die Augsburger Sommernächte, den Schwörmontag in Ulm, die zahlreichen Open-Air-Festivals des Sommers. Dass das öffentliche Leben weitergeht, dass die freiheitliche, liberale und tolerante Gesellschaft ihre Werte nicht vergisst, das ist die richtige Antwort auf diejenigen, die versuchen, mit Terror und blindem Hass die Welt zu einem finsteren, freudlosen Ort zu machen. Eine Gesellschaft, die von Misstrauen und Argwohn geprägt ist, wäre genau nach dem Geschmack der islamistischen Hassprediger.

    Chronologie: Terrorismus in Europa

    London, Paris, Brüssel, Berlin, Manchester. Europäische Metropolen sind in den vergangenen Jahren immer stärker ins Fadenkreuz von Terroristen gerückt. Ein Rückblick:

    MANCHESTER - 22. April 2017: Nach dem Konzert eines Teenie-Idols sprengt sich ein Selbstmordattentäter im Eingangsbereich der Veranstaltungshalle in die Luft und tötet 22 Menschen, darunter sieben Kinder und Jugendliche sowie Eltern, die ihre Kinder vom Konzert abholen wollten. 116 weitere Menschen wurden verletzt.

    STOCKHOLM - 7. April 2017: Ein gekaperter Lastwagen rast in einer Einkaufsstraße erst in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Fünf Menschen werden getötet, 15 verletzt. Noch am selben Tag nimmt die Polizei einen 39-jährigen Usbeken unter Terrorverdacht fest.

    LONDON - 22. März 2017: Ein Attentäter steuert ein Auto absichtlich in Fußgänger auf einer Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten. Von den Opfern auf der Brücke erliegen vier ihren Verletzungen. Sicherheitskräfte erschießen den Täter.

    PARIS - Februar/März 2017: Auf dem Flughafen Orly versucht ein Mann, einer patrouillierenden Soldatin das Gewehr zu entreißen, und wird erschossen. Erst Anfang Februar war nahe dem Louvre-Museum ein Ägypter niedergeschossen worden, der sich mit Macheten auf eine Militärpatrouille gestürzt hatte.

    BERLIN - Dezember 2016: Kurz vor Weihnachten wird die Hauptstadt zum Ziel eines Terroranschlags. Zwölf Menschen kommen um, als ein Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einen gekaperten Lkw in einen Weihnachtsmarkt steuert. Wenige Tage später wird der 24 Jahre alte Tunesier bei einer Polizeikontrolle nahe Mailand erschossen.

    NIZZA - Juli 2016: Ein Attentäter rast mit einem Lastwagen auf der Strandboulevard in eine Menschenmenge. Mindestens 86 Menschen sterben. Der IS ist nach Angaben seines Verlautbarungsorgans Amak für den Anschlag verantwortlich.

    BRÜSSEL - März 2016: Mit mehreren Bomben töten islamistische Attentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in einer Metrostation 32 Menschen.

    ISTANBUL - Januar 2016: Ein Selbstmordattentäter des IS zündet im historischen Zentrum mitten in einer deutschen Reisegruppe eine Bombe und reißt zwölf Deutsche mit in den Tod.

    PARIS - November 2015: Bei einer koordinierten Anschlagsserie am Stade de France, mehreren Restaurants und dem Musikklub «Bataclan» töten IS-Anhänger 130 Menschen, Hunderte werden verletzt.

    KOPENHAGEN - Februar 2015: Ein arabischstämmiger 22-Jähriger feuert auf ein Kulturcafé, ein Mann stirbt. Vor einer Synagoge erschießt der Attentäter einen Wachmann, bevor ihn Polizeikugeln tödlich treffen.

    PARIS - Januar 2015: Bei einem Attentat auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» und einen koscheren Supermarkt sterben 17 Menschen. Die beiden Täter kommen später bei einer Polizeiaktion ums Leben. Zu dem Anschlag bekennt sich die Terrororganisation Al-Kaida.

    BRÜSSEL - Mai 2014: Im Jüdischen Museum erschießt ein französischer Islamist vier Menschen. Kurz darauf wird er festgenommen. Als selbst ernannter «Gotteskrieger» hatte er zuvor in Syrien gekämpft.

    LONDON - Juli 2005: Vier Muslime mit britischem Pass zünden in der U-Bahn und einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen sterben, etwa 700 werden verletzt.

    MADRID - März 2004: Bei islamistisch motivierten Bombenanschlägen auf Pendlerzüge sterben in der spanischen Hauptstadt 191 Menschen, rund 1500 werden verletzt. (dpa)

    In den Bekennerschreiben islamistischer Attentäter fand sich immer wieder der Satz: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.“ Das mag auf den ersten Blick so klingen, als könne die freie Welt den zu allem entschlossenen Selbstmordbombern nichts entgegensetzen. Doch das Gegenteil ist der Fall – für das Leben gibt es deutlich bessere Argumente.

    Lesen Sie auch:

    • Die Opfer besuchten ein Konzert von Ariana Grande. Hier lesen Sie ein kurzes Porträt der US-Sängerin.
    • Es sind noch viele Fragen offen. Hier finden Sie die Fakten im Überblick.
    • Wie Zeugen die Explosion in Manchester erlebten, lesen Sie hier.

    Die Entwicklungen nach dem Anschlag finden Sie in unserem Newsblog.

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