Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Pkw-Maut: Rollt nun ein Bürokratiemonster auf uns zu?

Leitartikel

Pkw-Maut: Rollt nun ein Bürokratiemonster auf uns zu?

    • |
    In Österreich gelten für Schnellstraßen schon länger Mautgebühren. Nun soll die Pkw-Maut auch in Deutschland kommen.
    In Österreich gelten für Schnellstraßen schon länger Mautgebühren. Nun soll die Pkw-Maut auch in Deutschland kommen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa)

    Es ist eines dieser Themen, das die Gemüter erhitzt und über das so kontrovers diskutiert werden kann. Jetzt wird sie also kommen, die Pkw-Maut auf deutschen Autobahnen, die von vielen bereits totgesagt war. Als „Ausländer-Maut“ im Wahlkampf 2013 gestartet und dann zur Infrastrukturabgabe umgewandelt, soll die Straßengebühr nach der Bundestagswahl 2017 kassiert werden.

    Beharrlich, fast stur, und gegen alle Widerstände hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt an seinem Projekt festgehalten. CSU-Chef Horst Seehofer hatte die „Ausländer-Maut“ den Wählern versprochen und schließlich auch in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD durchgedrückt. Also musste geliefert werden.

    So soll die deutsche Pkw-Maut funktionieren

    Der Rechtsstreit mit der EU über die deutsche Pkw-Maut dreht sich um das spezielle Berliner Modell. Wie die deutsche Pkw-Maut funktioniert.

    Die Pkw-Maut gilt für inländische Autobesitzer auf Autobahnen und Bundesstraßen, für Pkw-Fahrer aus dem Ausland nur auf Autobahnen.

    Die Pkw-Maut kostet Inländer im Schnitt 74 Euro Jahresmaut, je nach Größe und Umweltfreundlichkeit des Autos. Für Ausländer gibt es außerdem eine gestaffelte Zehn-Tages- und Zwei-Monats-Maut (5 bis 30 Euro). Hier könnte möglicherweise noch nachjustiert werden.

    Die Pkw-Maut belastet zusätzlich unterm Strich nur Fahrer aus dem Ausland, Inländer bekommen ihr Geld über eine niedrigere Kfz-Steuer zurück.

    Die Pkw-Maut wird kontrolliert durch elektronischen Abgleich von Autokennzeichen, es gibt also keine Klebe-Vignette.

    Die Pkw-Maut bringt nach Angaben des Ministeriums 500 Millionen Euro jährlich nach Abzug der Systemkosten ein - Kritiker bezweifeln das.

    Das war schon deshalb schwer genug, weil die umstrittene Straßengebühr nicht nur in Reihen von SPD und CDU auf wenig Gegenliebe stieß, sondern auch von der EU-Kommission zunächst strikt abgelehnt wurde. Sie sah das Gebot der Gleichbehandlung von in- und ausländischen Autofahrern verletzt und zog sogar mit einer Klage vor den Europäischen Gerichtshof.

    Pkw-Maut: Dobrindt musste Abstriche machen

    Von der ursprünglich geplanten „Ausländer-Maut“ ist zugegeben nur noch wenig geblieben. Dobrindt musste Kompromisse eingehen und Abstriche machen, um am Ende nicht als großer Verlierer dazustehen. Von den Grünen bereits als „Geisterfahrer“ tituliert und mit Hohn und Spott überschüttet, kann der CSU-Politiker nun jedoch einen Erfolg vermelden.

    Dobrindts Modell „Made in Germany“ unterscheidet sich ja von all den Straßengebühren, Pickerln und Vignetten, die europaweit „unterwegs“ sind, dadurch, dass tatsächlich nur ausländische Autofahrer belastet werden. Inländer erhalten das Geld, das sie für die Benutzung von

    Die Höhe der Einnahmen bei der Pkw-Maut wird angezweifelt

    Die Frage bleibt, ob da nicht ein riesiges Bürokratiemonster auf uns zu rollt und und in der Endabrechnung womöglich weit weniger in die Staatskasse fließt, als die von Dobrindt veranschlagte halbe Milliarde Euro jährlich. Kritiker, die von Anfang an behauptet hatten, die Maut entspreche keinesfalls europäischem Recht und komme nie, wurden eines Besseren belehrt. Sie machen ihre Skepsis jetzt an den geplanten Mehreinnahmen fest. Zur Stunde kann tatsächlich niemand verlässlich sagen, wie viel Geld am Ende wirklich übrig bleibt. Genauso falsch ist es jedoch, mit dem Brustton der Überzeugung zu erklären, die Pkw-Maut bringe unterm Strich nichts.

    Die umstrittene Pkw-Maut: Eine Chronologie

    Vom Wahlkampfschlager der CSU zum Zankapfel mit Brüssel - wichtige Etappen auf dem Weg der Pkw-Maut: 15. Juli 2013: Die CSU nimmt eine Pkw-Maut "für Reisende aus dem Ausland auf deutschen Autobahnen" in ihr Bundestags-Wahlprogramm auf.

    1. September 2013: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt im TV-Wahlkampfduell: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben."

    27. November 2013: CDU, CSU und SPD vereinbaren die Einführung einer Pkw-Maut im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Regierung.

    10. April 2014: Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verkündet: "Am 1. Januar 2016 wird die Pkw-Maut scharf gestellt."

    7. Juli 2014: Dobrindt präsentiert sein Konzept: Die Maut tauft er "Infrastrukturabgabe", kassiert werden soll sie auf allen Straßen.

    1. September 2014: Nach Protest aus Teilen der CDU wegen befürchteter Negativ-Effekte für Grenzregionen spricht Merkel ein Machtwort für die Maut: "Sie steht im Koalitionsvertrag, und sie wird kommen."

    17. Dezember 2014: Das Kabinett beschließt die Maut - auf Autobahnen und Bundesstraßen, für ausländische Pkw nur auf Autobahnen. Inländer bekommen ihr Geld über eine niedrigere Kfz-Steuer zurück.

    18. März 2015: Die SPD knüpft ihre Zustimmung an Bedingungen, unter anderem Änderungen an den Kurzzeittarifen für Wagen aus dem Ausland.

    27. März 2015: Trotz offener Zweifel an den erhofften Einnahmen und der EU-Zulässigkeit beschließt der Bundestag die Einführung der Maut.

    8. Mai 2015: Gegen den Widerstand mehrerer Länder billigt der Bundesrat die Maut-Gesetze - die letzte nationale Hürde.

    31. Mai 2015: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kündigt eine Prüfung der Maut wegen erheblicher europarechtlicher Zweifel an.

    8. Juni 2015: Bundespräsident Joachim Gauck unterzeichnet die Maut-Gesetze. Drei Tage später werden sie rechtskräftig.

    18. Juni 2015: Die EU-Kommission gibt die Einleitung eines Verfahrens bekannt. Dobrindt verschiebt den Maut-Start bis nach einem Urteil.

    30. Juni 2016: Nach dem Austausch der letzten Stellungnahme zwischen Berlin und Brüssel wird deutlich: Der Dissens bleibt bestehen.

    29. September 2016: Die EU-Kommission beschließt, Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen.

    Müssen wir also befürchten, dass die – nennen wir sie so – „Ausländer-Maut“ irgendwann in eine nicht kompensierte Maut für alle mündet? Ausschließen kann das keiner. Fakt ist, dass Dobrindts Pläne einer Infrastrukturabgabe das Verursacherprinzip stärken und einen echten Systemwechsel bedeuten. Denn bisher werden die deutschen Straßen über die Kfz-Steuer nur von inländischen Pkw-Haltern finanziert. Künftig müssen sich auch ausländische Autofahrer angemessen an den Kosten beteiligen. Und was soll falsch daran sein, wenn auch das Transitland Deutschland Ausländern einen maßvollen Beitrag zum Unterhalt und Bau von Straßen abverlangt?

    Eine Mehrheit der Deutschen findet es nur gerecht, dass Italiener, Franzosen oder Österreicher für die Benutzung deutscher Autobahnen zahlen sollen – schließlich wird auch von ihnen Wegzoll kassiert. Für die CSU stand viel an Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Dobrindt hat sich durchgesetzt. Doch über die Maut wird weiter heftig gestritten werden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden