Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Leitartikel: Macron, Merkel und die Interessen Deutschlands

Leitartikel

Macron, Merkel und die Interessen Deutschlands

    • |
    Zum Auftakt seines Kurzbesuchs in Berlin ist der neue französische Staatspräsident Emmanuel Macron vor dem Kanzleramt mit militärischen Ehren begrüßt worden.
    Zum Auftakt seines Kurzbesuchs in Berlin ist der neue französische Staatspräsident Emmanuel Macron vor dem Kanzleramt mit militärischen Ehren begrüßt worden. Foto: Kay Nietfeld/dpa

    Emmanuel Macron ist ein faszinierender Politiker. Er ist im Alleingang zum Präsidenten Frankreichs aufgestiegen und will die große alte Nation von Grund auf erneuern. Und weil Macron die Rechtsradikalen gestoppt und einen proeuropäischen Wahlkampf geführt hat, gilt er nun gar als der „Retter Europas“. Die Deutschen sind sehr angetan von Macron, dem die Herzen zufliegen wie einst Barack Obama. Und wer, wenn nicht dieser Freund Deutschlands, verdient jede Unterstützung?

    Fast alle deutschen Parteien wollen dem zum Heilsbringer emporgeredeten jungen Mann zur Seite stehen – allen voran die SPD, die sich in ihrer Begeisterung für den Seelenverwandten aus Paris von niemandem übertreffen lässt und ihre Lobreden auf Macron mit scharfer Kritik an der „Austeritätspolitik“ der Kanzlerin würzt. Bei Außenminister Gabriel und Kanzlerkandidat Schulz rennt Macron mit seinen Ideen zu einer „Neugründung“ Europas offene Türen ein.

    Die SPD will noch „mehr Geld“ für Europa

    Ein europäischer Finanzminister mit eigenem Euro-Budget, eine mit gemeinsamen Schuldscheinen (!) finanzierte Investitionsoffensive, mehr „Spielraum“ für neue Schulden, dazu eine gemeinsame Arbeitslosen- und Einlagenversicherung: Das meiste davon ist ganz nach dem Geschmack der SPD, obwohl dieses von den Südeuropäern und der EU-Kommission forcierte Programm zulasten deutscher Steuerzahler ginge und ein großer Schritt hin zu einer Umverteilungs- und Transferunion wäre. Die Zukunft Europas, so die Wahlkampf-Botschaft der SPD, erfordert nicht nur „mehr Europa“, sondern auch „mehr Geld für Europa“ (Gabriel). Wer jetzt noch hartherzig aufs Sparen poche, sei eine Krämerseele und lasse Macron im Stich.

    Der deutsche Wähler kann im Herbst entscheiden, was er davon hält. Die Pläne Gabriels laufen jedenfalls auf eine Abkehr von der Politik Merkels hinaus. Die Kanzlerin predigt seit Jahren, dass solide Finanzen und Reformen zur Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit der Schlüssel zum Erfolg Europas und der Rettung des Euro sind. Zu Recht, weil dauerhaftes Wachstum nur so und nicht auf Pump zu erreichen ist. Deutschland hilft im Notfall – unter der Bedingung, dass die überschuldeten Staaten ihren Laden in Ordnung bringen.

    Macron muss sein bisher reformunfähiges Land in Schwung bringen

    Im Fall Frankreich heißt das: Ehe über mehr Macht für Brüssel, noch mehr Schulden und eine weitere Aufweichung des Stabilitätspakts geredet wird, muss Macron sein bisher reformunfähiges Land in Schwung bringen. Über alles andere lässt sich später reden, wenn es bei der EU-Reform zum Schwur kommt. Für die Zukunft wäre im Übrigen schon viel gewonnen, wenn endlich das Naheliegende, ohne Vertragsänderungen Machbare geschähe: der Schutz der Außengrenzen, die faire Verteilung von Flüchtlingen, eine gemeinsame Sicherheitspolitik, der Abbau von Bürokratie, die Rückverlagerung von Kompetenzen in die nationalen Parlamente. Und wozu braucht es noch eine Superbehörde und noch ein Investitionsprogramm, solange das 300-Milliarden-Paket Junckers nicht ausgepackt wird?

    Es ist im Interesse Deutschlands und Europas, wenn die deutsch-französische Partnerschaft mit neuem Leben erfüllt wird. Sowohl die Außen- und Verteidigungspolitik als auch die gezielte Förderung von Ausbildung und Forschung bieten ein weites Feld gemeinsamer Initiativen. Was Merkel dazu beitragen kann, Macron den Job daheim zu erleichtern, wird und muss sie tun. Ein Umbau der Eurozone im Sinne Frankreichs und Italiens jedoch ist weder heute noch morgen in deutschem Interesse. Und so weit reicht die Begeisterung der Deutschen für Macron nicht, als dass sie darüber den eigenen Geldbeutel aus dem Auge verlören.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden