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Leitartikel: Jetzt muss Schluss sein mit der Leisetreterei gegenüber der Türkei

Leitartikel

Jetzt muss Schluss sein mit der Leisetreterei gegenüber der Türkei

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    Deutschland muss eine klare Haltung zum türkischen Wahlkampf hierzulande einnehmen. Eine Einschätzung unseres Chefredakteurs Walter Roller.
    Deutschland muss eine klare Haltung zum türkischen Wahlkampf hierzulande einnehmen. Eine Einschätzung unseres Chefredakteurs Walter Roller. Foto: Henning Kaiser, dpa

    Der türkische Staatspräsident Erdogan gebärdet sich seit Jahren als wahrer Regierungschef der in Deutschland lebenden Türken. Jeder seiner Wahlkampf-Auftritte hat die Spannungen innerhalb der türkischen Gemeinde vertieft, jede seiner von nationalistischen Tönen geprägten AKP-Kundgebungen die innere Distanzierung vieler seiner Landsleute gegenüber Deutschland befördert. Die Bundesregierung hat Erdogans Tiraden hingenommen, weil sie an guten Beziehungen mit Ankara interessiert ist, mit Erdogan im Gespräch bleiben und das Grundrecht auf Meinungs- und Redefreiheit auch dem herrischen Sultan vom Bosporus gewähren wollte.

    Aber nun ist ein Punkt erreicht, an dem endlich Schluss sein sollte mit der Leisetreterei und dem ständigen Versuch, den Autokraten Erdogan zu besänftigen. Die zunehmend schärfer gewordenen Attacken Erdogans und einiger seiner Minister haben das Maß des Erträglichen weit überschritten. Die absurden Vorwürfe, Deutschland wende „Nazi-Methoden“ an, agiere im Geiste des Nationalsozialismus und leiste dem Terrorismus Vorschub, sind so unerträglich wie die Drohung Erdogans, die Welt gegen Deutschland „aufstehen zu lassen“. Man fragt sich, wie lange sich die Regierung diese Unverschämtheiten noch gefallen lassen will.

    Angriffe Erdogans fordern eine glasklare Reaktion

    Bei allem Respekt vor dem Bemühen, die diplomatischen Kanäle offen zu halten und einen irreparablen Bruch mit Ankara zu verhindern: Die Angriffe Erdogans erfordern eine glasklare, entschiedene Reaktion – und zwar entschiedener, als die mit Samthandschuhen operierende Kanzlerin und ihr Außenminister Gabriel bisher reagiert haben. Wenn alle Appelle, den Ton zu mäßigen und Deutschland nicht zum Schauplatz innertürkischer Richtungskämpfe zu machen, nichts bewirken, dann muss Erdogan eben Konsequenzen zu spüren bekommen. Andernfalls verdichtet sich der Verdacht, dass Berlin sich aus lauter Angst vor einer Aufkündigung des Flüchtlingsdeals durch Erdogan wegduckt, zur Gewissheit.

    Auf den ersten Blick wirkt das Argument der Regierung, man wolle aus rechtsstaatlichen Gründen niemanden am Reden hindern und bei Bedarf nur das kommunale Ordnungsrecht anwenden, einleuchtend. Auf den zweiten Blick stellt sich sehr wohl die Frage, warum Deutschland rabiaten ausländischen Wahlkämpfern Tür und Tor öffnen sollte – mitsamt dem wachsenden Risiko schwerer innertürkischer Auseinandersetzungen hierzulande. Erdogan fordert für sich und seine AKP jene Redefreiheit, die er selbst zu Hause nicht gewährt. Er trommelt unter den 1,5 Millionen hier lebenden Wahlberechtigten für ein Referendum, das die Umwandlung der Türkei in ein autoritäres Präsidialregime zum Ziel hat. Er lässt Reden halten, die die Inhaftierung von Oppositionellen und Journalisten rechtfertigen. Es gibt keinerlei Verpflichtung des deutschen Staates, den Werbefeldzug des Islamisten Erdogan für eine antidemokratische Politik zu dulden. Die dem inneren Frieden verpflichtete Regierung hat das Recht zum Einschreiten. Sie sollte davon Gebrauch machen. Und sei es, indem sie Erdogan & Co. unmissverständlich klarmacht: Ihr seid hier als Wahlkämpfer unerwünscht!

    Beitrittverhandlungen aussetzen, Zahlungen einstellen

    Und was spricht eigentlich dagegen, die längst zur Farce geratenen EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei formell auszusetzen und die milliardenschwere Zahlung von „Vorbeitrittshilfen“ zu beenden? Es wäre ein sichtbares Zeichen dafür, dass eine Türkei unter der Knute Erdogans in der

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