Aus der „geordneten Hofübergabe“, die der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer vor Jahren als Krönung seines Lebenswerkes angekündigt hat, wird nichts. Der Ministerpräsident, der 2018 sein Amt aufgeben und den Generationenwechsel bereits heuer mit der Abgabe des Parteivorsitzes einläuten wollte, macht weiter und führt die CSU auch in die nächste Landtagswahl. Wenn die Wähler mitspielen, wird Seehofer also über 2018 hinaus Regierungschef bleiben und den bundespolitischen Kurs der CSU bestimmen.
Der schöne Plan, am Ende einer langen und erfolgreichen Laufbahn aus freien Stücken abzutreten und zugleich die Nachfolge nach eigenem Gusto zu regeln, hat sich also zerschlagen – fürs Erste jedenfalls. Seehofers Abschied aus der vordersten Linie der Politik ist vertagt, die von ihm selbst über Jahre hinweg inszenierte, die „Prinzlinge“ gegeneinander ausspielende Nachfolge-Debatte beendet. Der Altbauer bleibt Herr auf dem Hof der CSU und nimmt das Restrisiko, eines Tages wie einst Stoiber vom Hof gejagt zu werden, in Kauf. Er bleibt, weil er bleiben will und – so wie die Dinge sich seit der unbedachten Ankündigung eines Rückzugs zum Ende der Legislaturperiode entwickelt haben – im Interesse der CSU bleiben muss.
Es mag sein, dass auch Seehofer wie die meisten Granden der Politik nicht loslassen kann von der Macht. Wer vermag schon in das Herz eines Menschen zu blicken – außer jenen wenigen, die diesem Menschen ganz nahestehen. Doch es sieht so aus, als ob sich Seehofer tatsächlich bemüht hätte, seine Ämter nach zehn Jahren in jüngere Hände zu legen. Es ist halt nur so, dass er bei der Suche nach dem Besten am Ende auf sich selbst gestoßen ist. Nicht aus Hochmut, sondern aus guten Gründen.
Nur Seehofer kann Söder stoppen
Erstens bietet der Ministerpräsident, der die 2008 schwer geschlagene CSU 2013 in die Alleinregierung zurückgeführt hat, die beste Gewähr auch für künftige Wahlerfolge – dank seines Gespürs für Stimmungen, seiner Popularität, seiner Durchsetzungsfähigkeit.
Zweitens wäre die CSU bei einem Rückzug Seehofers Gefahr gelaufen, durch einen offenen Erbfolge-Machtkampf ihre guten Chancen auf eine Verteidigung der absoluten Mehrheit zu verspielen. Eine „geordnete“ Hofübergabe scheiterte ja schon daran, dass Seehofer den Finanzminister Söder unbedingt verhindern will. Söder ist der stärkste und ehrgeizigste der Thronprätendenten. Er hätte sowohl nach dem Parteivorsitz als auch nach der Spitzenkandidatur für die Landtagswahl gegriffen. Nur einer, Seehofer selbst, kann Söder einstweilen stoppen. Jeder Versuch Söders, die unangefochtene und noch unverzichtbare Nummer eins zu stürzen, käme einem Selbstmordkommando gleich. Söder muss also stillhalten und auf seine Chance nach 2018 lauern. Bei aller Kritik an Seehofers Führungsstil, seinen gelegentlichen Volten und seiner verletzenden Ironie: Die CSU ist froh über diese Lösung, weil Seehofer größtmögliche Geschlossenheit garantiert.
Die Beförderung von Innenminister Herrmann zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl ist ein kluger Schachzug, weil Herrmann für das Megathema Sicherheit steht und – sofern es das Wahlergebnis hergibt und Merkel mitspielt – Bundesinnenminister werden kann. Den CSU-Wahlkampf steuern, prägen – und verantworten – wird der Chef, der im verletzend scharf geführten Streit mit der Kanzlerin erst spät die Kurve bekommen hat. Seehofers neuer Kuschelkurs mag viele in der CSU irritieren. Aber die Partei wird auch hier Seehofer folgen – nicht aus Zuneigung zu Merkel, sondern aus der Einsicht heraus, dass CDU und CSU einander brauchen und nur gemeinsam gewinnen können.