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Leitartikel: Frank-Walter Steinmeier muss sich neu erfinden

Leitartikel

Frank-Walter Steinmeier muss sich neu erfinden

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    Frank-Walter Steinmeier ist Nachfolger von Joachim Gauck im Amt des Bundespräsidenten.
    Frank-Walter Steinmeier ist Nachfolger von Joachim Gauck im Amt des Bundespräsidenten. Foto: Arne Dedert (dpa)

    Die Latte liegt hoch für Frank-Walter Steinmeier. Der zwölfte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland tritt in schwierigen Zeiten ein herausforderndes Amt an, das nur auf den ersten Blick machtlos ist und somit bedeutungslos erscheint. Tatsächlich hat es, weil es hoch über den Niederungen der Tagespolitik steht, der parteipolitischen Auseinandersetzung entzogen und mit einem Höchstmaß an moralischer Autorität ausgestattet ist, enormes Gewicht.

    Joachim Gauck hat Maßstäbe gesetzt

    Es kommt dabei stets auf den Amtsinhaber an, wie er den leeren Rahmen, den das Grundgesetz vorgibt, mit Inhalt füllt. Der scheidende Präsident Joachim Gauck hat dabei Maßstäbe gesetzt. Er bleibt als Präsident in Erinnerung, der als freier, unabhängiger und durchaus auch kritischer Geist einen Kontrapunkt zur Regierung gebildet hat – nicht immer zu deren Freude, aber stets im Interesse des Landes.

    In der bald 70-jährigen Geschichte der Bundesrepublik war er der erste Bürgerpräsident im wahrsten Sinne des Wortes. Kein aktiver Parteipolitiker, der nach jahrzehntelanger verdienstvoller Arbeit mit dem höchsten Amt im Staate belohnt wurde, sondern ein Mann mit einer besonderen Biografie in bewegten Zeiten. Theologe, Bürgerrechtler und Stasi-Beauftragter, der sich stets als Mittler und Versöhner verstand. Als DDR-Bürger wusste er um den Wert der Freiheit und der Demokratie, auch um ihre Anfälligkeit und Gefährdung. So konnte er sich überzeugend jenen in den Weg stellen, die glauben, mit einfachen Antworten die komplexen Herausforderungen lösen zu können. An rhetorischem Talent wie an Herzenswärme mangelte es ihm ohnehin nicht.

    Frank-Walter Steinmeier ist da ein völlig anderer Typus, nüchterner, emotionsloser, distanzierter. Er wird es nicht verhindern können, dass er an seinem Vorgänger gemessen wird. Und er muss sich neu erfinden, so wie er sich schon mehrfach neu erfunden hat – vom einfachen Beamten zum Manager der rot-grünen Koalition im Kanzleramt. Schließlich zum Parteipolitiker an der Spitze der SPD-Fraktion und zum Chefdiplomaten des Landes als Außenminister. Er kennt die Zwänge wie die Grenzen des Regierungshandelns, gleichzeitig sind ihm die internationalen Konflikte und die Krisenherde der Welt vertraut – Erfahrungen, die für das Amt an der Spitze des Staates kein Nachteil sind.

    Und doch muss er sich in Schloss Bellevue davon lösen. Als Präsident wird von ihm mehr verlangt: Er muss sich um den Zusammenhalt einer zunehmend disparaten Gesellschaft kümmern, die in Einzelgruppen und abgeschottete Zirkel zu zerfallen droht. Er muss einer verunsicherten, fast verängstigten Bevölkerung Zuversicht zusprechen. Er muss sich entschieden den Gegnern der Demokratie in den Weg stellen und die Freiheit wie die Rechtsstaatlichkeit verteidigen. Da darf der Chefdiplomat a.D. durchaus undiplomatisch werden und klare Worte finden.

    Nun liegt es an Frank-Walter Steinmeier

    In seiner ersten programmatischen Rede hat Steinmeier ein düsteres Bild von der Gegenwart gemalt, an manchen Stellen vielleicht zu düster. Und doch hat er sich mit seinem klaren Bekenntnis zur Freiheit, zur Demokratie und zur Verteidigung der westlichen Werte in eine Linie mit seinem Amtsvorgänger gestellt. Ebenso in seinem Bemühen, den Menschen Mut zu machen und sie zu ermuntern, sich für das Gemeinwesen zu engagieren. Ein schwieriges Unterfangen. Seine Worte erreichen sicher den Kopf, aber auch das Herz?

    Noch nie war das Amt des Bundespräsidenten so wichtig. Nun liegt es an Frank-Walter Steinmeier, diesem Anspruch gerecht zu werden und den Menschen Halt und Orientierung zu geben.

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