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Leitartikel: Ein schwaches Deutschland hilft weder Frankreich noch den USA

Leitartikel

Ein schwaches Deutschland hilft weder Frankreich noch den USA

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    Ein wirtschaftlich schwaches Deutschland würde keinem weiterhelfen, meint unser Kommentator.
    Ein wirtschaftlich schwaches Deutschland würde keinem weiterhelfen, meint unser Kommentator. Foto:  Hendrik Schmidt (dpa-Symbolbild)

    Deutschland ist ein Soll-Land, jedenfalls aus Sicht französischer und amerikanischer Politiker. Die Empfehlungen, wie in Berlin von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble Politik betrieben werden müsste, reißen nicht ab. Vereinfacht gesagt, sollte das Land den Kurs der Haushaltskonsolidierung verlassen und sollte viel mehr Steuergeld ausgeben.

    Das Soll-Spiel nimmt kein Ende: Die Franzosen träumen gar von spürbar höheren Löhnen im Nachbarland, was die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe schwächen würde. Und US-Präsident Trump wünscht sich zu allem Überfluss ein Deutschland, das deutlich mehr für Rüstung ausgibt. Was für eine Horror-Vision: Wenn Merkel alldem nachgibt, würde sich die Bundesrepublik in ein rückständigeres Land verwandeln. Denn ein sich selbst schwächendes Deutschland, das zum Haushaltssünder wird und wie Trump militärisch die Muskeln spielen lässt, ist eine abstruse Idee. Man muss Deutschland gering schätzen, um dem Land einen derartigen ökonomisch-moralischen Abstieg zu wünschen.

    Französisch-amerikanisches Anklageorchester

    Entsprechend hartleibig reagieren Merkel und Schäuble auf dieses populistische und daher zu kurz gedachte Soll-Konzert eines französisch-amerikanischen Anklageorchesters. Dabei wären Verantwortliche in Paris und Washington die Ersten, die sich über ein ökonomisch zurückfallendes Deutschland mokieren würden. Sowohl Trump als auch dem ebenso lamentierenden französischen Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron täte ein Gang ins Archiv gut. Dort könnten beide Politiker lesend lernen, dass es Deutschland niemandem recht machen kann.

    Denn als das Land sich nach der Jahrtausendwende noch nicht ausreichend an die Zwänge der Globalisierung angepasst hatte, rutschte es in eine desolate Lage ab. Hans-Werner Sinn, damals Chef des Ifo-Instituts, fasste den niederschmetternden Befund, Deutschland trage die rote Laterne in Europa und sei gegenüber Großbritannien und Frankreich ein Wachstumsschwächling. Mehr als fünf Millionen Arbeitslose und eine tiefe Sinnkrise der Nation waren die fatalen Folgen. So wünschten sich Politiker in Washington wie Paris damals sehnlichst, Deutschland möge doch endlich wieder zur Konjunkturlokomotive werden.

    Den Wunsch hat das Land seinen Ratgebern im Übermaß erfüllt. Entsprechend groß und oberlehrerhaft fallen die heutigen Ratschläge aus. Es herrscht ein großes Unbehagen gegenüber Deutschland. Mit Neid blicken die Mächtigen in den USA und Frankreich auf das Land, welches sie vom Hitler-Terror befreit haben und das nun schon zum zweiten Mal nach dem Krieg ein Wirtschaftswunder erlebt. Das erste resultierte aus einer enormen Aufbauleistung nach dem Krieg, das zweite war das Ergebnis einer schmerzlichen, aber erfolgreichen Anpassung an die Globalisierung.

    Deutschland nun zu schwächen, wäre aus Sicht anderer Nationen eine kolossale Dummheit. Denn wenn hierzulande die Arbeitslosigkeit steigt und Firmen weniger im Export verdienen, sinkt die Nachfrage nach Gütern aus dem Ausland. Damit würden sich die Franzosen ins eigene Fleisch schneiden.

    Frankreich muss Deutschland kopieren

    Vielleicht muss Deutschland einmal den Soll-Spieß umdrehen: Sollte also Macron die Wahl gewinnen, wäre es doch klug, wenn er am deutschen Vorbild Maß nimmt. Dazu müsste er allerdings wie einst Gerhard Schröder verkrustete Strukturen aufbrechen und den Arbeitsmarkt flexibilisieren. Wenn der Franzose dann Unternehmen auch noch mehr Luft zum Atmen gibt, könnte die mit 23,6 Prozent viel zu hohe Jugendarbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpft werden.

    Wer Deutschland wirtschaftlich schlagen will, muss es kopieren. Die Chinesen haben das begriffen.

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