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Leitartikel: Der Doppelpass wird zum Wahlkampf-Thema

Leitartikel

Der Doppelpass wird zum Wahlkampf-Thema

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    Ein türkischer und ein deutscher Pass. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll wieder abgeschafft werden.
    Ein türkischer und ein deutscher Pass. Die doppelte Staatsbürgerschaft soll wieder abgeschafft werden. Foto: Daniel Bockwoldt, dpa (Symbolbild)

    Der alte Glaubensstreit um die doppelte Staatsbürgerschaft für türkischstämmige Deutsche flammt wieder auf. CDU und CSU rütteln an jener Reform, die sie gemeinsam mit der SPD beschlossen haben. Seit 2014 dürfen hier aufgewachsene Kinder von Einwanderern die

    Im Wahlkampf wird es 2017 rau zugehen

    Die CDU-Kanzlerin Merkel hält nichts davon und distanziert sich von dem mit knapper Mehrheit ergangenen Beschluss ihres Parteitags. Doch das brisante Thema ist auf dem Tisch, und die prompte hitzige Debatte bietet einen Vorgeschmack darauf, wie rau es 2017 in dem von der Flüchtlingsfrage dominierten Wahlkampf zugehen wird. SPD, Grüne, Linkspartei und Liberale preisen die doppelte Staatsbürgerschaft seit vielen Jahren als eine Art Königsweg zur Integration an. Für die Herolde einer multikulturellen Gesellschaft ist der Doppelpass ein unverzichtbares Instrument, um Menschen aus anderen Kulturkreisen das Leben hierzulande zu erleichtern und die Aufnahmebereitschaft der Deutschen zu demonstrieren. Entsprechend scharf fallen die Reaktionen auf den Vorstoß der CDU aus:

    Von „schlimmem Populismus“ (Gabriel) ist die Rede, von der „Ausgrenzung“ der Deutschtürken und einem skandalösen „Rechtsruck“. Man tut so, als ob die bestmögliche Eingliederung am seidenen Faden des Doppelpasses hinge – und versucht, die Debatte darüber im Keim zu ersticken. Richtig ist, dass die Union mit diesem emotional aufgeladenen Thema nationalkonservative Wähler von der AfD zurückgewinnen will. Richtig ist auch, dass sich auf absehbare Zeit keine Regierungsmehrheiten für die Rückkehr zur Optionspflicht finden lassen dürften. Und natürlich stellt sich die Frage, warum CDU und CSU 2013 die großzügige Verleihung der heute als „großes Integrationshindernis“ kritisierten doppelten Staatsbürgerschaft zugelassen haben. Trotzdem muss es erlaubt sein, den Mythos von der segensreichen Wirkung des Doppelpasses – etwa 600.000 Türken haben mittlerweile zwei Staatsangehörigkeiten – im Lichte der Realitäten und neuer Entwicklungen zu hinterfragen, ohne gleich als „rechts“ abgestempelt zu werden.

    Der Doppelpass ist kein Allheilmittel der Integration

    Erstens ist der Doppelpass, wie die Entstehung türkischer und muslimischer Parallelgesellschaften zeigt, kein Allheilmittel der Integration, sondern fördert im Gegenteil in vielen Fällen die Tendenz zur selbst gewollten Abschottung. Zweitens schwappen die innertürkischen Konflikte zunehmend auf Deutschland über, wobei die Loyalität Hunderttausender mehr Erdogan und seinem Regime als dem deutschen Staat gilt. Und drittens: Wie halten wir es in Sachen Doppelpass mit den vielen Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind und noch kommen werden? Deren Integration ist eine immense Aufgabe. In der Debatte um den Doppelpass geht es letztlich auch um die Frage, wie diese Herausforderung am besten zu meistern ist.

    Niemand muss, wenn er in Deutschland leben will, seine Herkunft und seine Tradition abstreifen. Aber er sollte die in dieser Gesellschaft geltenden Regeln akzeptieren und sich zu diesem freiheitlichen Rechtsstaat bekennen. Der Pass ist mehr als ein Stück Papier. Warum soll sich ein Einwanderer nicht ohne Wenn und Aber dafür entscheiden, nur deutscher Staatsbürger zu sein und so seine Loyalität zu zeigen? Jedenfalls sollte der Doppelpass für Migranten aus Nicht-EU-Staaten die Ausnahme und jenen vorbehalten sein, die in Deutschland auch wirklich angekommen und integriert sind.

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