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Leitartikel: Atomwaffen: 75 Jahre nach Hiroshima wächst die nukleare Gefahr

Leitartikel

Atomwaffen: 75 Jahre nach Hiroshima wächst die nukleare Gefahr

Simon Kaminski
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    Ein japanischer Soldaten schaut im September 1945 auf die spärlichen Reste, die nach der  Atombombenexplosion von Hiroshima übrig blieben.
    Ein japanischer Soldaten schaut im September 1945 auf die spärlichen Reste, die nach der  Atombombenexplosion von Hiroshima übrig blieben. Foto: Us National Archives, dpa

    Die Abstumpfung schreitet voran. Am Dienstag meldete die UN in fast schon drolliger Sprache, dass Nordkorea „wahrscheinlich“ dabei sei, „kleine nukleare Vorrichtungen“ zu entwickeln. Doch die Aufregung wird sich schnell legen. Das ist erschreckend. Schließlich geht es um atomare Sprengköpfe, mit denen Raketen bestückt werden könnten. Wohlgemerkt in der Hand eines skrupellosen Despoten, der – nach allem was man weiß – über weit schwerere Nuklearwaffen verfügt.

    Vor 75 Jahren verwandelte „Little Boy“ die japanische Stadt Hiroshima in ein flammendes Inferno. Die US-Atombombe tötete rund 70.000 Menschen sofort und Zehntausende in den nächsten Monaten und Jahren. Es folgte der Blitz über Nagasaki. ,Nie wieder’, hieß es fortan – auch wenn die Arsenale der USA und der Sowjetunion im Kalten Krieg immer weiter wuchsen. Die perverse Aufrüstung führte in den 70er und 80er Jahren zu einer gigantischen Massenbewegung gegen Aufrüstung und die drohende Auslöschung der Menschheit.

    Ein japanischer Soldaten schaut im September 1945 auf die spärlichen Reste, die nach der  Atombombenexplosion von Hiroshima übrig blieben.
    Ein japanischer Soldaten schaut im September 1945 auf die spärlichen Reste, die nach der  Atombombenexplosion von Hiroshima übrig blieben. Foto: Us National Archives, dpa

    Das System aus Abrüstungsverträgen zerfällt vor unseren Augen

    Und heute? Wir erleben, wie die Pfeiler der in mühseligen Schritten errichteten Konstruktion zusammenbrechen, die über Jahrzehnte für nukleare Abrüstung gesorgt und Aufrüstung gebremst haben. Doch kaum jemand geht auf die Straße.

    Nachdem 2019 bereits der Washingtoner Vertrag über Mittelstreckensysteme am Streit zwischen den USA und Russland zerbrach, droht nun der letzte Schlag: Die Verlängerung des New-Start-Vertrags zur Begrenzung von Interkontinentalraketen, der im Februar 2021 ausläuft, gilt als unwahrscheinlich. Damit wäre vorerst das Ende der nuklearen Rüstungskontrolle besiegelt. Zumal alle Versuche, China in solche Verhandlungen zu integrieren, gescheitert sind.

    Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft senken die Hemmschwelle

    Das sind Gründe dafür, dass der Slogan der Friedensbewegung aus den 80ern „Fürchtet Euch, der Atomtod bedroht uns alle“ beklemmend aktuell ist. Weitere neue Gefahren birgt die von Washington und Moskau betriebene Modernisierung der Nuklearwaffenbestände. Die USA planen, Atomwaffen mit geringer Sprengkraft zu entwickeln.

    Eine Ankündigung, die die Schwelle, solche Waffe einzusetzen, absenken könnte. Wenn Militärstrategen von einem „begrenzten Nuklearkrieg“ schwadronieren, ist das unverantwortlich. Gleiches gilt für Überlegungen, dass nukleare Schläge in Zukunft auch als Reaktion auf Cyberattacken oder einen Angriff mit Chemiewaffen in Betracht kommen.

    Moskau: Hyperschallwaffen durchbrechen jede Abwehr

    Fast noch bedrohlicher sind die Töne, die aus Moskau kommen. Russland behauptet, Hyperschallwaffen entwickelt zu haben, die von Abwehrsystemen nicht gestoppt werden könnten. Die ohnehin schon winzige zeitliche Spanne, die bleibt, um auf Angriffe zu reagieren, würde weiter eindampfen. Dies würde den so zynischen wie effektiven Kern des Abschreckungsprinzips „Wer als Erster schießt, der stirbt als Zweiter“ unterminieren.

    Keineswegs ausgeräumt ist die Befürchtung, dass kleinere Atommächte wie Pakistan, Indien, Nordkorea, regiert von nationalistischen Politikern, begrenzte Konflikte nuklear austragen könnten. Nicht minder beunruhigend ist die Vorstellung, dass sich das krisengeschüttelte iranische Mullah-Regime nuklear bewaffnen könnte.

    Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt liegt in unerreichbarer Ferne

    Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt liegt 75 Jahre nach Hiroshima in schier unerreichbarer Ferne. Was bleibt? Vielleicht die kleine Chance, dass Verhandlungen ein neues Wettrüsten doch noch verhindern können. Und, auch wenn die alten Kämpen der Friedensbewegung jetzt aufschreien werden: Es bleibt die Hoffnung auf eine starke Nato als Stabilitätsanker in einer Welt, die in ihre Einzelteile zu zerfallen droht.

    Lesen Sie dazu auch:  75 Jahre Hiroshima: Warum Japan noch immer an der Atomkraft festhält

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