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Interview: Lars Klingbeil: "Die SPD wird keinen neuen CDU-Kanzler wählen"

Interview

Lars Klingbeil: "Die SPD wird keinen neuen CDU-Kanzler wählen"

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    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Es wird von uns in dieser Legislaturperiode keine Stimme für eine andere Kanzlerin oder einen anderen Kanzler außer Angela Merkel geben.“
    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: „Es wird von uns in dieser Legislaturperiode keine Stimme für eine andere Kanzlerin oder einen anderen Kanzler außer Angela Merkel geben.“ Foto: Charles Yunck, imago

    Herr Klingbeil, seit den Ereignissen von Thüringen und dem darauf folgenden Chaos bei der CDU redet kaum noch jemand von der Krise der SPD. Freut Sie das?

    Lars Klingbeil: Ich freue mich nicht, über Krisen in anderen Parteien. Das wäre hämisch, aber so bin ich nicht. Aber ich merke schon, dass jetzt viele nach den Chaostagen anders auf unsere Partei blicken. Wir haben die letzten Wochen gezeigt, dass die SPD eine ganz klare Haltung hat, wenn es um die Abgrenzung nach Rechts geht. Da haben andere Parteien versagt, während wir standhaft geblieben sind. Das bewirkt etwas bei Menschen, die auf der Suche sind nach Stabilität und Orientierung. Für sie ist die SPD jetzt noch klarer der Ansprechpartner.

    Bei der SPD war die Suche nach einer neuen Führung langwierig, es wurde viel über den Ausstieg aus der Großen Koalition diskutiert. Das sah nicht immer nach Stabilität aus. Auch jetzt scheint es im Zusammenspiel zwischen der neuen Parteispitze, der Fraktion im Bundestag und den Ministern im Kabinett manchmal zu knirschen...

    Klingbeil: Wir haben einen großen Umbruch vollzogen. Mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sind ja zwei neue Gesichter an die Spitze der Partei gekommen. Aber das hat sich gut eingespielt, jetzt arbeiten die Kraftzentren mit Olaf Scholz als Vizekanzler, Rolf Mützenich als Fraktionschef und die Parteispitze immer besser zusammen.

    Sehen Sie die Position der SPD in der Großen Koalition gestärkt?

    Klingbeil: Wenn wir auf die letzten Koalitionsausschüsse blicken, ja. Wir haben der Union in Sachen Thüringen Einiges abverlangt. Das fing an mit dem Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Christian Hirte, den wir nicht mehr akzeptiert haben und ging bis zur Entscheidung, dass sich die Bundesregierung klar zu Neuwahlen in Thüringen bekennt.

    Kann die SPD jetzt in der Regierung noch weitere sozialdemokratische Vorhaben durchsetzen?

    Klingbeil: Erst einmal sind wir sehr froh, dass wir jetzt den gordischen Knoten bei der Grundrente durchgeschlagen haben. Das haben ja zwei Regierungen vor uns vergeblich probiert und wir kriegen das jetzt hin. Damit bekommen Millionen Rentner endlich die verdiente Anerkennung für ihre Lebensleistung. Gleichzeitig setzen wir uns für mehr Investitionen ein. Wir haben bereits jetzt ein Rekordniveau erreicht, aber wir wollen Investitionen für Schulen, Straßen und Digitalisierung dauerhaft verstetigen, damit die Kommunen und Länder entsprechend planen können.

    Ist bei der Grundrente auch die Finanzierung geklärt? Die Transaktionssteuer, die Finanzminister Olaf Scholz plant, ist umstritten...

    Klingbeil: Die Grundrente kommt und auch die Finanztransaktionssteuer wird kommen, noch im Laufe dieses Jahres.

    Durch das Chaos bei der CDU wackelt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Warum hat die SPD so kategorisch erklärt, dass sie die Große Koalition nur unter Merkel fortsetzen will?

    Klingbeil: Wir haben den Koalitionsvertrag mit Angela Merkel ausgehandelt und für die SPD ist völlig klar, dass es da keine Notwendigkeit gibt, zu wechseln. Wir haben jetzt eine Phase vor uns mit der Europäischen Ratspräsidentschaft, in der alle auf Deutschland blicken, ob wir es schaffen, Europa stärker und sozialer zu machen. Dass die CDU jetzt die Frage nach dem Vorsitz klärt, steht auf einem anderen Blatt, das haben wir bei der SPD ja auch unabhängig von der Regierung getan.

    Einmal angenommen, Merkel hört vorzeitig auf und Armin Laschet stünde als Nachfolger zur Wahl, er vertritt ja ähnliche Positionen wie sie...

    Klingbeil: Das ist mir alles viel zu theoretisch. Wir haben einen Vertrag abgeschlossen mit der Union und Angela Merkel zur Kanzlerin gewählt. Es wird von uns in dieser Legislaturperiode keine Stimme für eine andere Kanzlerin oder einen anderen Kanzler außer Angela Merkel geben.

    Könnte auch ein neuer CDU-Parteivorsitzender für die SPD den Fortbestand der GroKo in Frage stellen? Friedrich Merz, der ja auch als Vorsitzender im Gespräch ist, steht ja für einen deutlich konservativeren Kurs...

    Klingbeil: Ich will nicht kommentieren, was bei der Union passiert. Aber klar ist, dass die CDU schon unter Annegret Kramp-Karrenbauer Platz in der Mitte frei gemacht hat. Mein Anspruch ist es, diesen Platz als SPD zu besetzen. Wir sind da für die Leistungsträger dieser Gesellschaft, wie etwa für die Pflegekräfte, die Erzieherinnen, die Familien. Für diese Menschen machen wir Politik.

    Vor den Kommunalwahlen in Bayern sieht es nicht gut aus für Ihre Partei. Was sind die Gründe für die Schwäche im Freistaat?

    Klingbeil: Die SPD ist in Bayern kommunalpolitisch eine sehr starke Kraft. Wenn ich mir ansehe, wie viele Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte wir stellen, wie viel Verantwortung wir übernehmen, dann ist das eine klare Stärke. Es geht jetzt darum, das bei der Kommunalwahl im März zu verteidigen.

    Gilt das auch für Hamburg, wo Peter Tschentscher von der SPD am kommenden Sonntag um seine Wiederwahl als Erster Bürgermeister bangen muss?

    Klingbeil: Wir erleben gerade in Hamburg wie das mit Prognosen ist. Da haben alle gesagt, wir haben keine Chance. Und wenn wir jetzt die neuen Umfragen anschauen, dann bewegt sich da vieles auf den letzten Metern. Abgerechnet wird wie immer am Wahlabend. Und bis dahin kämpfen wir. In Hamburg wie in Bayern kommt es letztlich darauf an, wie glaubwürdig unsere Partei wahrgenommen wird. Und da hat die SPD starke Impulse in den letzten Wochen gesetzt.

    In vielen bayerischen Kommunen tritt die SPD gar nicht an, weil sich keine Kandidaten mehr finden. Woran liegt das?

    Klingbeil: Da kommen sicherlich einige Dinge zusammen. Zum Beispiel auch, dass Kommunalpolitiker immer öfter bedroht und angefeindet werden. Wir beobachten im ganzen Land eine solche gefährliche Entwicklung, die ja auch andere Parteien betrifft. Wir hatten gerade hier im Willy-Brandt-Haus einen runden Tisch zu dem Thema. Da haben Kommunalpolitiker berichtet, dass Morddrohungen schon fast an der Tagesordnung sind. Eine Stadträtin, die sich gegen Rechts engagiert hat, fand im Briefkasten eine Zeichnung von sich am Galgen. Als sie das öffentlich gemacht hat, kamen Kommentare aus der AfD, dass der Galgen nicht das Richtige sei, aber Steinigen doch ganz nett wäre. Es gibt Bürgermeister, die zurücktreten, weil sie diesen Druck nicht mehr aushalten. Ich kann und will das als Generalsekretär nicht hinnehmen.

    Wie lässt sich diese Entwicklung aus Ihrer Sicht aufhalten?

    Klingbeil: Wir werden in der SPD jetzt Anlaufstellen schaffen, so dass Betroffene sofort unterstützt werden, dass sie erfahren, welche Behörden eingeschaltet werden müssen, das geht bis hin zur Frage nach psychosozialer Unterstützung. Und es geht auch um ganz konkrete Sachen über die Partei hinaus. Wir sorgen in der Regierung dafür, dass Strafrecht und Melderecht so geändert werden, dass bei Kommunalpolitiker nicht mehr automatisch die Adresse veröffentlicht wird und dass auch sie besser geschützt werden wie das schon bei Bundespolitikern der Fall ist. Wenn diese Menschen, die sich ehrenamtlich einbringen, sich aus der Demokratie zurückziehen, dann gewinnen die Falschen.

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