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Landtagswahlen 2016: Wie lange bleibt die AfD erfolgreich?

Landtagswahlen 2016

Wie lange bleibt die AfD erfolgreich?

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    Die Alternative für Deutschland (AfD) ist der große Gewinner der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. (Symbolfoto)
    Die Alternative für Deutschland (AfD) ist der große Gewinner der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. (Symbolfoto) Foto: Julian Stratenschulte, dpa

    Herr Güllner, die AfD gilt als der große Gewinner der drei Landtagswahlen. Hat sie eine Chance, sich auch dauerhaft in Deutschland zu etablieren?

    Manfred Güllner: Die AfD hatte bereits einen bestehenden Sockel an Wählern. Das hat sich aber seit Sonntag verändert. Sie hat viele Proteststimmen dazubekommen. Rechtsradikale Bewegungen der vergangenen Jahrzehnte sind alle wieder verschwunden. Ob sich die AfD etablieren kann, bleibt abzuwarten. Bislang ist sie jedenfalls nicht durch besonders konstruktive Arbeit aufgefallen. Um dauerhaft zu bestehen, müsste sie sich als konservative, nicht-rechtsradikale Partei neben der Union positionieren.

    Wer sind die Wähler der AfD?

    Güllner: Das sind im Kern diejenigen, die auch für rechtsradikale und fremdenfeindliche Ideen anfällig sind: konfessionslose Männer, die zu einem großen Teil aus einem Segment der Mittelschicht kommen, denen es objektiv nicht schlecht geht, die sich aber subjektiv benachteiligt fühlen und extreme Ängste haben. Für ihren Unmut brauchen sie eine Projektionsfläche – das sind jetzt die Flüchtlinge. Hinzu kommen nun diejenigen, die mit den anderen Parteien unzufrieden sind und aus Protest die AfD wählen, ohne wirklich zu wissen, wofür sie steht.

    Welche Ängste meinen Sie?

    Güllner: Das sind existenzielle Ängste. Gerade im Osten sind viele, die sagen: „Ich bin ein Verlierer der Einheit.“ Deswegen ist der Anteil der AfD-Wähler dort auch größer als in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Menschen haben Angst, in der sozialen Hierarchie abzusinken.

    Wie viel Schuld hat Angela Merkels Flüchtlingspolitik am schlechten Wahlergebnis der CDU?

    Güllner: Die Flüchtlingsfrage hat bei den Nicht-AfD-Wählern nicht die zentrale Rolle gespielt. Warum sind enttäuschte CDU-Wähler in Baden-Württemberg zu Winfried Kretschmann gewandert? Herr Kretschmann hat wie auch Malu Dreyer in Rheinland Pfalz die Flüchtlingspolitik von Merkel unterstützt. Die Kanzlerin hat mit den CDU-Niederlagen wenig zu tun.

    Das scheint eine gewagte These: Wenn die Flüchtlingspolitik wenig damit zutun haben soll, warum hat die CDU dann so viele Wähler verloren?

    Güllner: In Baden-Württemberg war Kretschmanns positive Sogwirkung entscheidend. Der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf wurde eher als Zumutung und nicht als attraktiver Kandidat empfunden. Das hat atypischerweise dazu geführt, dass unzufriedene CDU-Wähler nicht nur zu Hause blieben, sondern sogar zu den Grünen gewechselt sind. Wolf hat, wie Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz, die große Dummheit begangen, sich in der Flüchtlingsfrage von Merkel abzugrenzen. Sie haben beide ihre Flüchtlingspolitik zu sehr in den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda gestellt. Das waren gravierende Fehler. Nicht die Flüchtlingsfrage hat der CDU geschadet, sondern der Streit darüber und Wolfs und Klöckners Zick-Zack-Kurs.

    Was bedeuten die Wahlen für die Zukunft von CDU und CSU?

    Güllner: Man müsste in der Union alle Uneinigkeiten aus dem Weg räumen und an einem Strang ziehen. Vor allem die Amokläufe von Horst Seehofer aus Bayern müssen aufhören. Denn die schaden eindeutig der Union. Dass die CDU eine bundesweite Sympathiedelle hat, ist zu einem großen Teil auf die Attacken von Seehofer zurückzuführen.

    Sie kritisieren die CSU, aber einer Umfrage zufolge wünschen sich viele AfD-Wähler eine bundesweite Partei wie die CSU…

    Güllner: Wenn viele AfD-Wähler eine Affinität zur CSU haben, ist das eher ein Beleg dafür, dass Seehofer mit seiner Strategie die Grenzen zwischen Union und AfD verwischt. Und das ist das Schlimmste, was man machen kann.

    Was bedeuten die Ergebnisse für die Landtagswahl in Bayern 2018?

    Güllner: Die CSU ist von ihrer traditionell starken Bindekraft weit entfernt. Von den früheren Wahlergebnissen um die 60 Prozentpunkte kann sie heute nur noch träumen. Es ist auch in Bayern ein Vertrauensvakuum entstanden. Seehofer muss das Vertrauen der Menschen daher zurückgewinnen. Im Moment sieht es nicht danach aus, als ob das gelänge. Wie Baden-Württemberg ist auch Bayern nicht vor einem Rechtsruck gefeit.

    Wie erklären Sie sich den Absturz der SPD in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt?

    Güllner: Das muss von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich beurteilt werden. Die SPD hat schließlich in Rheinland-Pfalz oder letztes Jahr in Hamburg auch Wählerstimmen gewinnen können. Im Osten hatte es die SPD aufgrund der Konkurrenzsituation mit den Nachfolgern der SED schon immer schwer und ist dort strukturell benachteiligt. In Baden-Württemberg begann die Talfahrt der SPD bereits in den Siebzigerjahren mit Erhard Eppler. Seitdem hat sie nicht mehr richtig Tritt gefasst.

    Was müsste die SPD nun tun, um wieder frühere Werte zu erreichen?

    Güllner: Die SPD muss von Grund auf reformiert werden. Man muss dort ganz genau analysieren, was schiefgegangen ist. Die SPD hat natürlich auch ein personelles Defizit. Auch die CDU wird nach Angela Merkel dieses Problem haben.

    Wie kritisch sehen Sie die derzeitige Veränderung des parteipolitischen Systems in Deutschland?

    Güllner: Wir haben seit Jahren einen Vertrauensverlust für beide großen Parteien. Jetzt haben wir zum ersten Mal am rechten Rand eine Gefahr, die größer zu sein scheint als früher die NPD oder die Republikaner. Alles, was am rechten Rand passiert, muss man mit Sorge betrachten, weil dadurch unsere Demokratie gefährdet werden könnte.

    Nimmt die Politik die Wähler nicht ernst genug?

    Güllner: Viele Wähler haben das Gefühl, dass sie nicht mehr ernst genommen und gehört werden. Früher blieben viele Nicht-Wähler deshalb friedlich zu Hause. Jetzt gehen aber einige von ihnen ins Wahllokal und wählen eine rechtspopulistische Partei. Das ist eine gefährliche Tendenz.

    Manfred Güllnergilt als einer der bekanntesten Meinungsforscher in Deutschland. Der 74-jährige Sozialpsychologe und Betriebswirt leitete in den Siebzigerjahren das Meinungsforschungsinstitut Infas, 1984 gründete er sein Meinungsforschungsinstitut Forsa, das unter anderem wöchentlich für „Stern“ und „RTL“ Wahlumfragen macht.

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