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Landtagswahlen 2016: Was für Merkel und Gabriel bei den Landtagswahlen auf dem Spiel steht

Landtagswahlen 2016

Was für Merkel und Gabriel bei den Landtagswahlen auf dem Spiel steht

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    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Wie wirken sich die Landtagswahlen am Sonntag wohl auf die Bundestagswahl im Herbst 2017 aus?
    Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Wie wirken sich die Landtagswahlen am Sonntag wohl auf die Bundestagswahl im Herbst 2017 aus? Foto: Michael Kappeler, dpa

    Gerhard Schröder fackelte nicht lange. Als die Sozialdemokraten im Mai 2005 bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ihr Stammland nach fast 40 Jahren an die Union verloren, rief er noch am gleichen Abend vorzeitige Neuwahlen aus. Die Klatsche an Rhein und Ruhr betrachtete der damalige Bundeskanzler auch als Misstrauensbeweis für die rot-grüne Koalition in Berlin. Ein halbes Jahr später saß Angela Merkel auf seinem Stuhl.

    Die Wahlen sind auch eine kleine Volksabstimmung zur Flüchtlingspolitik

    Den Schröder wird sie an diesem Sonntag nicht machen – obwohl für die CDU in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt mindestens so viel auf dem Spiel steht wie damals für die SPD. Eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl sind die drei Wahlen, ob gewollt oder nicht, bei insgesamt mehr als zwölf Millionen Wahlberechtigten auch eine kleine Volksabstimmung über die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. In der

    Spekulationen, er werde nach einem desaströsen Wahlabend für die SPD zurücktreten, hat Parteichef Sigmar Gabriel zwar zurückgewiesen: „Man läuft in einer Krise, wie Deutschland sie derzeit erlebt, nicht davon.“ Seit dem Parteitag im Dezember jedoch, als er nur mit dürren 74 Prozent im Amt bestätigt wurde, steht der Vizekanzler in seiner Partei unter verschärfter Beobachtung.

    Merkel liegt in der Analyse bei 50 Prozent der Stimmen

    Für ihn wäre es bereits ein Erfolg, wenn Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz Ministerpräsidentin bliebe. In den beiden anderen Bundesländern muss die SPD schon froh sein, wenn sie am Ende noch vor der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland landet. Im persönlichen Duell, der Frage nach dem besseren Bundeskanzler, liegt Gabriel ohnehin aussichtslos zurück: Bei einer Direktwahl würden im Moment nur 13 Prozent der Deutschen für ihn stimmen, aber noch immer 50 Prozent für Angela Merkel. Selbst vier von zehn SPD-Wählern halten die CDU-Frau für die bessere Regierungschefin.

    Wie sehr ihre eigene Machtbasis am Sonntag erodiert, hängt weniger von den Prozentpunkten ab, die die CDU unterm Strich verliert, sondern vor allem von der Zahl der Regierungsbeteiligungen, die sie erobert. Bliebe die Union sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz eine weitere Legislatur in der Opposition, würde das nicht nur den beiden Spitzenkandidaten Guido Wolf und Julia Klöckner angekreidet, sondern auch der Kanzlerin und ihrer Politik der offenen Grenzen, die immer mehr CDU-Anhänger in die Arme der Alternative für Deutschland treibt.

    Umgekehrt ist die nirgendwo stärker als in Sachsen-Anhalt, wo mit Ministerpräsident Reiner Haseloff ein Mann regiert, der eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen fordert und zu den schärfsten Kritikern der Kanzlerin in der Union gehört. Er ist, wenn man so will, der Seehofer der CDU.

    Alle blicken jetzt schon auf die Bundestagswahl im Herbst 2017

    Sowohl im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale der SPD, als auch im Konrad-Adenauer-Haus der Christdemokraten dürften die Strategen und Wortakrobaten am Sonntag schnell mit Erklärungen bei der Hand sein, warum diese Wahlen für Angela Merkel beziehungsweise Sigmar Gabriel alles sein werden, nur keine Niederlagen. Mit Blick auf die Bundestagswahl im Herbst 2017 aber werden ihre Ergebnisse vermutlich beiden Lagern zu denken geben:

    Die AfD sitzt bereits in fünf Landtagen, gewinnt sie nun weitere drei Parlamente dazu, hätte sich zum ersten Mal rechts von der Union eine Partei etabliert – während die SPD aus der neuen Schwäche der Union nicht den geringsten Nutzen ziehen kann, selbst ebenfalls Anhänger an die AfD verliert und in den bundesweiten Umfragen bei Werten zwischen 23 und 25 Prozent im demoskopischen Niemandsland verharrt. Torsten Albig, der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, hat seiner Partei deshalb vor einiger Zeit schon spöttisch empfohlen, bei der nächsten Wahl doch lieber gleich auf einen eigenen Kanzlerkandidaten zu verzichten.

    Kanzlerin Merkel wird wohl noch einmal für die Union antreten

    Dass Angela Merkel noch einmal antritt, gilt in der Union als sicher, auch wenn sie es so deutlich bisher noch nicht gesagt hat. Die Spekulationen, ihre Kanzlerschaft könnte nach einem Debakel bei den Landtagswahlen am Sonntag und einer sich anschließenden Schlappe beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag jäh enden, sind inzwischen verstummt – im Berliner Regierungsviertel ist weit und breit niemand in Sicht, der einen Putsch gegen sie anführen würde.

    Für Gabriel allerdings gilt das nur eingeschränkt. „Die SPD“, sagt ein Mann mit Einfluss in der Partei, „neigt zu autoaggressivem Verhalten.“ Der Frust über drei saftige Niederlagen am Sonntag, soll das heißen, könnte sich auch schnell gegen den Chef richten, der einem Teil der Partei in der Flüchtlingsfrage zu nahe bei Angela Merkel ist, einem anderen Teil wiederum zu nahe bei Horst Seehofer. Da die SPD in allen drei Ländern regiert, in denen gewählt wird, hat Gabriel mehr zu verlieren als Merkel. Wahlergebnisse von 15 Prozent und weniger vertragen sich nicht mit dem Stolz der ältesten deutschen Partei.

    Was das alles für die nächste Bundestagswahl bedeutet, ob die AfD sich zur drittstärksten Kraft in der deutschen Politik aufschwingt, lässt sich bislang nur erahnen. In einem Parlament, in dem mit der Alternative für Deutschland und den Freien Demokraten womöglich sechs Fraktionen sitzen, rechnet sich erfahrungsgemäß aber keine schwarz-grüne Koalition und erst recht keine rot-grüne wie einst bei Schröder.

    Wie steht es um die totgesagte FDP bei den Landtagswahlen?

    Das heißt: Wenn es nicht so weit kommt wie in Sachsen-Anhalt, wo Union und SPD zusammen in den Umfragen zeitweise keine Mehrheit mehr hatten, wäre die Große Koalition im Bund zum Weiterregieren verdammt – und das womöglich, wie in Österreich, auf Jahrzehnte hinaus. Die Alternative wären völlig neue, noch unerprobte und entsprechend fragile Bündnisse aus jeweils drei Partnern: Rot-Rot-Grün; Rot-Gelb-Grün; Schwarz-Gelb-Grün.

    So wird vor allem die zwischenzeitlich schon totgesagte FDP wieder zu einem Machtfaktor, die es am Sonntag gleich in alle drei Landtage schaffen kann und auch bundesweit wieder bei fünf Prozent und mehr liegt. Ihr Vorsitzender Christian Lindner hat mit weit über 300 Auftritten in den drei Wahlkämpfen ein Pensum hinter sich, über das viele andere Spitzenpolitiker nur staunen können und seine Kritik an Angela Merkels Asylpolitik in den letzten Monaten hörbar verschärft. Das zahlt sich nun offenbar aus. „Zur AfD“, sagt Lindner, „sind wir der klarste und schärfste Kontrast.“

    Kaum eine Landtagswahl in den letzten Jahrzehnten war so mit bundespolitischer Bedeutung aufgeladen wie die drei an diesem Sonntag. Nachdem es der Kanzlerin nicht gelungen ist, vom EU-Gipfel einen sichtbaren Erfolg mit nach Hause zu bringen, ist nur eines sicher: dass nichts sicher ist. Ein Ergebnis, mit dem sowohl Angela Merkel als auch Sigmar Gabriel gut leben könnten, zeichnet sich in den Umfragen jedenfalls noch nicht ab. Dazu müsste die SPD Rheinland-Pfalz verteidigen und die CDU ihre frühere Hochburg Baden-Württemberg zurückgewinnen. Das allerdings, darf man annehmen, hatte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht im Sinn, als er beschloss, für die Kanzlerin zu beten.

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