Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Landtagswahlen 2016: Die AfD lässt die Parteien-Republik erzittern

Landtagswahlen 2016

Die AfD lässt die Parteien-Republik erzittern

    • |
    Die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, hatte gut lachen.
    Die Vorsitzende der AfD, Frauke Petry, hatte gut lachen. Foto: Wolfgang Kumm dpa

    Bloß kein Triumphgeheul scheint die Devise der AfD-Spitze an diesem historischen Abend. Ein Mann des Überschwangs war der Volkswirtschafts-Professor Jörg Meuthen sowieso noch nie. Aber als der AfD-Spitzenkandidat nach den ersten Hochrechnungen bei der Stuttgarter Wahlparty der Alternative für Deutschland vor seine Anhänger tritt, wirkt er zurückhaltend wie in einer Vorlesung. Dabei liegt seine junge Partei klar vor der anderthalb Jahrhunderte alten SPD. Das gab es noch nie. „Es ist geschafft“, sagt Meuthen mit tiefer Genugtuung. „Die AfD ist spätestens mit dem heutigen Tag eine feste parlamentarische Größe in unserem Land“, betont der 54-Jährige, während draußen vor dem Stuttgarter Hotel etwa 60 Menschen gegen die Rechtspopulisten demonstrieren.

    Auch Frauke Petry unterdrückt jedes Siegerlächeln, wenn die Kameras in den Wahlsonderstudios auf sie gerichtet sind. „Von uns erwarten die Wähler, die Opposition zu sein, die es im Bundestag, aber auch in den Landesparlamenten nicht mehr gegeben hat“, analysiert sie betont sachlich. „Wir schüren keine Ängste, aber wir sind die Partei, die die Probleme seit unserer Gründung klar angesprochen hat.“

    Erstmals gelang es der AfD an diesem Wahlabend, auch im Westen zweistellige Ergebnisse bei Landtagswahlen zu holen. In Bremen und Hamburg kam sie – damals unter der Führung des Euro-Kritikers Bernd Lucke – immerhin auf rund sechs Prozent. Die Flüchtlingskrise hat die AfD nun mit über 24 Prozent in Sachsen-Anhalt zur zweitstärksten Partei hinter der CDU noch vor der Linken gemacht. Und in Baden-Württemberg lieferten sich die Rechtspopulisten nicht nur mit der SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In Pforzheim und Mannheim wurde die AfD sogar stärkste Partei und eroberte die Direktmandate. Bislang galt

    Wie kam der Erfolg der AfD zustande?

    Wie kam der Erfolg der AfD zustande? Natürlich war für ihre Wähler die Flüchtlingskrise das entscheidende Thema: Für 69 Prozent der AfD-Wähler in Baden-Württemberg waren laut ersten Wahlanalysen „die Flüchtlinge“ wahlentscheidend. In der Gesamtbevölkerung war dieses Thema nur das drittwichtigste hinter sozialer Gerechtigkeit und der Wirtschaftspolitik.

    Vor allem schaffte es die AfD auch, den Unmut vieler Bürger über die Politik und Parteien zu kanalisieren: In allen drei Bundesländern sagten drei Viertel aller AfD-Wähler bei Nachwahl-Befragungen, sie hätten die Alternative für Deutschland gewählt, um den anderen Parteien „einen Denkzettel“ zu geben, wie es die für das ZDF tätige Forschungsgruppe Wahlen formulierte. Nur 16 Prozent wählten die AfD wegen deren Programm.

    Als am Nachmittag die Zahlen über die gestiegene Wahlbeteiligung bekannt wurden, machten sich schon manche in den etablierten Parteien Hoffnungen, dass dieser Trend der AfD – wie bei Kleinparteien üblich – schaden würde. Doch dies erwies sich als Irrtum: Die AfD schaffte es, zigtausende ehemaliger Nichtwähler zurück an die Stimmzettel zu holen. In allen drei Bundesländern waren vorherige Nichtwähler die weitaus stärkste Gruppe, aus denen sich die AfD bedienen konnte. Die AfD ist also mitnichten ausschließlich ein Wahlsammelbecken enttäuschter Unionswähler, sondern holt im Osten sogar unter dem Strich mehr enttäuschte SPD- und Linke-Wähler.

    Kann sich die AfD langfristig etablieren?

    Kann sich die AfD als Alternative für Unzufriedene langfristig etablieren? Oder ergeht es ihr wie vielen anderen Protestparteien? Die in Süddeutschland Ende der Achtzigerjahre erfolgreichen Republikaner drifteten an den rechtsradikalen Rand, als in den Neunzigerjahren die Asyldebatte abflaute, und versanken nach und nach in der politischen Bedeutungslosigkeit. Auch die Statt-Partei und die Schill-Partei hielten sich in Hamburg als bürgerliche Protestparteien nur kurz.

    Die AfD-Spitze kennt diese Gefahren für sich. Schon als die Eurokrise an Bedeutung verlor, gingen ihre Umfragewerte zurück. Dies könnte bald auch analog zu den Flüchtlingszahlen geschehen. Deshalb will die Partei in ihrem neuen Programm betont auf Islamkritik setzen, wie der Spiegel unter Berufung auf interne Parteivorstands-E-Mails berichtet. Der Islam sei „das brisanteste Thema des Programms überhaupt“ und für die „Außenkommunikation“ am besten geeignet, heiße es dort. Tatsächlich gaben 53 Prozent der Wähler in Rheinland-Pfalz am Sonntag an, sie hätten „die Sorge, dass der Einfluss des Islam zu stark wird“. Bei den AfD-Wählern waren es 95 Prozent.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden