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Kundus: Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen bombardiert - 16 Tote

Kundus

Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen bombardiert - 16 Tote

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    Blick auf das teilweise zerstörte Krankenhaus der Organisation Ärzte ohne Grenzen im nordafghanischen Kundus.
    Blick auf das teilweise zerstörte Krankenhaus der Organisation Ärzte ohne Grenzen im nordafghanischen Kundus. Foto: Ärzte ohne Grenzen (dpa)

    Inmitten der Not im nordafghanischen Kundus hat die US-Luftwaffe am Samstag offenbar ein Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen (MSF) in der Stadt bombardiert und dabei mindestens 16 Menschen getötet. Das afghanische und das US-Militär kannten nach MSF-Angaben den genauen Standort der Klinik, doch habe die Bombardierung auch nach einem Hinweis nach dem ersten Einschlag eine halbe Stunde fortgedauert. Die UNO zeigte sich entsetzt.

    Neun Mitarbeiter sterben

    Das Krankenhaus war eine der wichtigsten Anlaufstellen für Verletzte nach den tagelangen Kämpfen mit den Taliban. Am Samstag um 02.10 Uhr sei das Traumazentrum zum ersten Mal getroffen worden, teilte die Hilfsorganisation mit. MSF-Sprecherin Kate Stegeman sagte der Nachrichtenagentur AFP, 16 Menschen seien getötet worden, darunter drei Kinder und neun Mitarbeiter, 37 weitere Menschen seien verletzt worden. Zum Zeitpunkt des Luftangriffs hätten sich rund 185 Menschen in der Klinik aufgehalten: 105 Patienten und Angehörige sowie mehr als 80 internationale und einheimische Mitarbeiter.

    Bombardierung der Klinik könnte "Kollateralschaden" sein

    Die Nato erklärte: "Die US-Streitkräfte führten um 02.15 Uhr in Kundus einen Luftangriff gegen feindliche Kämpfer aus." Der Angriff "könnte zu Kollateralschäden in einem nahe gelegenen Krankenhaus geführt haben." US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte am Nachmittag, die US-Streitkräfte seien in der Nähe im Einsatz gewesen, zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte. Auch die Taliban seien dort aktiv gewesen. Er bestätigte damit nicht, dass der Angriff von der US-Luftwaffe verübt wurde, versprach lediglich eine "gründliche Untersuchung". Das afghanische Verteidigungsministerium erklärte, "eine Gruppe von Terroristen mit leichten und schweren Waffen" sei in der Klinik gewesen.

    Ärzte ohne Grenzen appellieren an Konfliktparteien

    Die Hilfsorganisation zeigte sich "zutiefst schockiert". "Wir fordern alle Konfliktparteien auf, die Sicherheit von Gesundheitseinrichtungen und Personal zu respektieren", hieß es in einer Mitteilung. Die Bombardierung habe mehr als 30 Minuten angedauert - auch noch nach einer Mitteilung an das afghanische und das US-Militär über einen ersten Einschlag. Zudem sei die genaue Lage der Klinik mit GPS-Koordinaten an alle Konfliktparteien kommuniziert worden, auch an Kabul und Washington.

    Der Vorfall sei "absolut tragisch, unentschuldbar und vielleicht sogar kriminell", erklärte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid al-Hussein. Er forderte eine transparente Untersuchung des Angriffs. Sollte dieser sich vor einem Gericht als vorsätzlich herausstellen, "könnte ein Luftangriff auf ein Krankenhaus ein Kriegsverbrechen darstellen". Die "internationalen Militärstrategen sind verpflichtet, die Zivilbevölkerung zu schützen."

    Das Klinikgebäude stand nach dem Angriff in Flammen. Der 31-jährige Ladenbesitzer Kiamudin, dessen Nachbar bei dem Angriff getötet wurde, sagte zu AFP, überall rieche es nach verbranntem Fleisch. "Ich war schockiert und in Tränen aufgelöst."

    Kampf um Kundus mit radikalislamischen Taliban

    Kundus war am Montag von den radikalislamischen Taliban erobert worden. Die Armee startete eine Gegenoffensive und meldete am Freitag die Rückeroberung der Stadt. Mindestens 60 Menschen sollen bislang getötet und etwa 400 weitere verletzt worden sein.

    Ende 2014 hatte die Nato ihren Kampfeinsatz beendet. Für die Folgemission "Resolute Support" sind noch etwa 13.000 Nato-Soldaten mit Ausbildungs- und Beratungsauftrag im Land, darunter bis zu 850 deutsche Soldaten.

    Inzwischen wird darüber diskutiert, den bis Ende 2016 geplanten Einsatz zu verlängern. Die Welt am Sonntag berichtete vorab unter Berufung auf Nato-Diplomatenkreise, Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) werde beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in der kommenden Woche in Brüssel eine Verlängerung um ein Jahr vorschlagen.

    Der Grünen-Außenexperte Omid Nouripour sagte AFP am Samstag, es sei "zentral, die Afghanen zu fragen, was sie brauchen". Die einheimischen Sicherheitskräfte könnten "den Job nicht ausfüllen". "Aber man muss sie fragen, vielleicht wollen sie uns nicht länger da haben, vielleicht ist die Enttäuschung zu groß."

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