Am Freitag noch hatte der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki zum 67. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Deutschen Bundestag gesprochen. Auch zum Thema Kredit- und Medienaffäre um den Bundespräsidenten Christian Wulff hat der 91-Jährige eine klare Position: „Wulff muss unbedingt zurücktreten", sagte er gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus".
Als Begründung sah Reich-Ranicki materielle Faktoren. „Wulff hat offenbar zu hohe finanzielle Ansprüche.“ Dadurch könne er als Politiker nicht unabhängig sein.
Wulff-Affäre: Walter Steinmeier kritisiert Bundespräsidenten
Mit seiner Kritik schließt sich der Literaturkritiker der Opposition an. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte der "Welt am Sonntag": "Deutschland ist für viele Länder ein Vorbild, was die Sauberkeit der Politik und die Unabhängigkeit ihrer Verantwortungsträger angeht. Die Debatte um Wulff nimmt Deutschland sicherlich einiges von diesem Nimbus." Schmerzlicher noch sei der Schaden hierzulande. "Allzu viele Bürger sehen sich in ihrem Vorurteil bestätigt, dass Politiker weniger auf die Zukunft dieses Landes als vielmehr auf den eigenen Vorteil ausgerichtet sind."
Die Entscheidung über einen Rücktritt liegt laut Steinmeier allein bei Wulff. Doch müsse er wissen, dass seine Kernaufgabe moralische Orientierung sei. "Es wird ein langer Weg für Christian Wulff, die moralische Autorität zurückzugewinnen, die er dafür braucht." Ohne weitere Aufklärung sei der Weg zu lang. Zur Herkunft seines ehemaligen 500 000-Euro-Hauskredits seien fast alle Fragen offen.
Merkel spricht Wulff erneut ihr Vertrauen aus
Ungeachtet immer neuer Details in der Affäre um Christian Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident in Hannover stützt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) den Bundespräsidenten weiter. "Unser Bundespräsident wird viele weitere wichtige Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen", sagte Merkel der "Bild am Sonntag" auf die Frage, wie viel Zukunft Wulff besitze.
Glaesekers früheres Amtszimmer im Bundespräsidialamt durchsucht
Derweil wächst der Druck auf den ehemaligen Wulff-Sprecher Glaeseker. Die Staatsanwaltschaft Hannover durchsuchte sein früheres Arbeitszimmer im Bundespräsidialamt. Ermittler beschlagnahmten Akten und Computerdateien. "Wir haben Unterlagen und Computerdateien beschlagnahmt, die jetzt ausgewertet werden müssen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Hans-Jürgen Lendeckel, der "Bild am Sonntag".
Die Behörde ermittelt im Zusammenhang mit der Lobby-Veranstaltung Nord-Süd-Dialog wegen Verdachts der Bestechlichkeit gegen den engen Vertrauten Wulffs. dpa/AZ