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Kritik: Koalition rückt von ihrem neuen Meldegesetz ab

Kritik

Koalition rückt von ihrem neuen Meldegesetz ab

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    Meldegesetz: Scharfe Kritik von Ober-Datenschützer - Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat das neue Melderechtsgesetz kritisiert.
    Meldegesetz: Scharfe Kritik von Ober-Datenschützer - Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat das neue Melderechtsgesetz kritisiert. Foto: dpa

    Nach massiver Kritik am neuen Melderecht will die Bundesregierung das von ihrer eigenen Koalition im Bundestag beschlossene Gesetz beim Datenschutz nachbessern. Die Regierung zählt dabei auf die CSU-FDP-Koalition in Bayern, um über den Bundesrat die umstrittene Regelung bei der Weitergabe von Daten der Einwohnermeldeämter wieder rückgängig zu machen, wie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit unserer Zeitung ankündigte.

    Lockerung des Datenschutz war Wunsch der CSU

    „Wir wollen zurück zur Einwilligungslösung“, sagte die FDP-Politikerin. Auch „die Bayerische Staatsregierung strebt an, zum Ursprungsentwurf zurückzukehren“, fügte sie hinzu. Leutheusser-Schnarrenberger betonte, dass der ursprüngliche Regierungsentwurf eine Verbesserung gegenüber der derzeitigen Lage sei. „Wenn das neue Meldegesetz im Bundesrat verworfen würde, würden wir zur geltenden Rechtslage zurückkehren“, warnte die Ministerin.

    „In vielen Bundesländern bedeutet das keine Einschränkungen für die Herausgabe bei gewerblichen Zwecken.“ Der Regierungsentwurf hatte vorgesehen, dass die Weitergabe persönlicher Daten durch die Meldebehörden ausdrücklich der Zustimmung der Betroffenen bedürfe, die Koalition im Bundestag hatte dagegen gegen die Stimmen der Opposition beschlossen, die Datenweitergabe generell zu erlauben, solange die Betroffenen nicht persönlich Widerspruch einlegen.

    Das missglückte Meldegesetz - eine Chronologie

    28. Juni: Der Bundestag verabschiedet das neue Meldegesetz. Darin eingeschlossen: Eine kurzfristig von CSU und FDP eingebrachte Änderung, nach der sich Bürger nicht mehr so einfach gegen die Weitergabe ihrer Daten wehren können.

    An der Abstimmung nehmen nur 27 Abgeordnete teil - zeitgleich läuft das EM-Halbfinale Deutschland-Italien.

    In Pressemitteilungen kritisieren Oppositionspolitiker - darunter die Nördlinger SPD-Abgeordnete Gabriele Fograscher - die Neuregelung. Das große Medienecho bleibt aber zunächst aus.

    In den nächsten Tagen berichten mehrere Fachportale wie heise.de und Blogs wie netzpolitk.org über den geschwächten Datenschutz im Meldewesen.

    05. Juli: Die SPD kündigt an, das vom Bundestag beschlossene neue Meldegesetz im Bundesrat doch noch stoppen zu wollen.

    6. bis 8. Juli: Die Neuregelung schlägt jetzt immer höhere Wellen in den Medien.

    8. Juli: Auch Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) sieht nun Nachbesserungsbedarf beim neuen Meldegesetz. «Nach dem Beschluss des Bundestags sehe ich hier noch Diskussionsbedarf», sagt sie der «Berliner Zeitung».

    9. Juli, vormittags: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) lehnt vorschnelle Kritik an dem vom Bundestag verschärften Meldegesetz ab. Der Datenschutz werde dadurch gegenüber der jetzigen Rechtslage verbessert, sagt er vor den Medien.

    9. Juli, vormittags: CSU-Chef Horst Seehofer kündigt an, das vom Bundestag verschärfte Meldegesetz zu stoppen. «Wenn das stimmt, was ich bisher weiß, dann wird Bayern dem nicht zustimmen», sagt er.

    9. Juli, später Vormittag: Die Bundesregierung distanziert sich vom Meldegesetz. Man gehe davon aus, dass es im parlamentarischen Verfahren wieder verändert werde.

    9. Juli, nachmittags: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich rechnet nach eigenen Angaben fest damit, dass der Bundesrat das umstrittene Meldegesetz zumindest in Teilen entschärft.

    6. September: Der Innenausschuss des Bundesrates plädiert dafür, dass der Vermittlungsausschuss von Länderkammer und Bundestag sich den Entwurf noch einmal vornimmt und korrigiert.

    Die Lockerungen des Datenschutzes sind nach Darstellung aus Koalitionskreisen im Innenausschuss „auf ausdrücklichen Wunsch der CSU zustande gekommen“. Auch eine FDP-Abgeordnete habe sich für die Änderung eingesetzt. Kommunen können danach Daten für Werbung oder Adresshandel verkaufen, wenn der Bürger dem nicht ausdrücklich widerspricht. Das CSU-geführte Bundesinnenministerium hat dem Vernehmen nach sogar Formulierungshilfe geleistet.

    Die SPD kritisierte, die Koalition habe zulasten der Bürger die Interessen der Adresshändler bedient. Ähnlich argumentierte der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar. Er warf Schwarz-Gelb Klientelpolitik vor.

    Auch unionsgeführte Länder kündigen Widerstand an

    Mehrere Länder, darunter auch unionsgeführte, haben Widerstand gegen die jetzige Fassung angekündigt. Damit könnte der ursprüngliche Entwurf der Regierung, der wesentlich datenschutzfreundlicher war, über den Umweg des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat zum Zug kommen.

    Insbesondere die CSU-Spitze distanzierte sich von dem Bundestagsbeschluss. Ministerpräsident Horst Seehofer und Verbraucherministerin Ilse Aigner kündigten an, das Gesetz in jetziger Fassung noch zu stoppen. Innenminister Hans-Peter Friedrich verteidigte dagegen das geänderte Meldegesetz. Wer es mit den Meldegesetzen der Länder vergleiche, werde feststellen, dass der Datenschutz verbessert werde, sagte der CSU-Politiker. mit dpa

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