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Krisengipfel: Putin: Der ungeliebte Gast aus Moskau zu Besuch bei Angela Merkel

Krisengipfel

Putin: Der ungeliebte Gast aus Moskau zu Besuch bei Angela Merkel

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    Wladimir Putin, Angela Merkel: Wie kein anderer Staats- oder Regierungschef hat die Kanzlerin nach der Annexion der Krim auf den Russen eingeredet.
    Wladimir Putin, Angela Merkel: Wie kein anderer Staats- oder Regierungschef hat die Kanzlerin nach der Annexion der Krim auf den Russen eingeredet. Foto: Sergei Ilnitsky, dpa-Archiv

    Ganz wohl ist Angela Merkel nicht in ihrer Haut. Kaum hat sie neben Wladimir Putin im Kreml Platz genommen, trottet auch schon dessen Labrador „Koni“ in den Raum und beginnt an ihren Beinen herumzuschnüffeln – ein Tier von furchteinflößender Statur, neben dem auch die mächtigste Frau der Welt plötzlich seltsam verzagt und verschreckt wirkt. Er habe nicht gewusst, dass die Kanzlerin Angst vor Hunden habe, wird Putin Jahre später beteuern, und dass er sich längst entschuldigt habe.

    Neun Jahre ist das jetzt her – und das Verhältnis zwischen ihr und ihm ist seit dieser kleinen Provokation nicht einfacher geworden. Im Gegenteil. Als Putin gestern am frühen Abend in Berlin eintrifft, um mit der Kanzlerin, dem französischen Präsidenten Francois Hollande und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko aus Kiew nach einer Lösung in der Ukraine-Krise zu suchen, hat Angela Merkel die Erwartungen an das Treffen bereits heruntergeschraubt: „Sicher darf man keine Wunder erwarten.“

    Hollande warf Russland nach Bombardierung in Syrien Kriegsverbrechen vor

    Wie kein anderer Staats- oder Regierungschef hat sie nach der Annexion der Krim auf ihn eingeredet, indem sie praktisch jede Woche mit ihm telefonierte, nun aber verkomplizieren der Krieg in Syrien und Russlands umstrittene Rolle an der Seite des Machthabers Baschar al-Assad die Sache noch zusätzlich, weil am Ende ja doch immer alles mit allem zusammenhängt. So war lange nicht einmal klar, ob der russische Präsident überhaupt über das Thema

    „Sie bemüht sich ehrlich darum, die Krisen beizulegen“, hat Wladimir Putin Anfang des Jahres in einem Interview noch über Angela Merkel gesagt – und ja: „Ich vertraue ihr. Sie ist ein sehr offener Mensch.“ Umgekehrt gilt das allerdings, wenn überhaupt, nur mit Einschränkungen. Obwohl er aus seiner Agentenzeit in Dresden sehr gut Deutsch spricht und sie gut Russisch, obwohl er sie ernster nimmt als Hollande und die anderen Europäer und die Kanzlerin seit ihrem Antrittsbesuch im Kreml kaum einen Kollegen häufiger gesprochen und getroffen hat, ist ihre Beziehung geschäftsmäßig-kühl geblieben.

    Die kumpelhafte Art, in der Gerhard Schröder sich mit Putin verbrüderte, ist ihr ebenso fremd wie Helmut Kohls Politik des leutseligen Umgarnens, zu der auch ein Saunabesuch mit Boris Jelzin gehörte. Die Zeiten, in denen Putin vor dem Bundestag die Deutschen für ihr technisches und kaufmännisches Geschick pries und vom „Geist der Demokratie und der Freiheit“ schwärmte, der auch die Russen ergriffen habe, sind ohnehin vorbei.

    Putin erwartet von den Gesprächen in Berlin keinen Durchbruch

    Damals, im September 2001, erlebte die Oppositionsführerin Merkel einen russischen Präsidenten, der in Deutschland offenbar einen neuen Verbündeten suchte. Einen, dem der Bundestag stehend applaudierte. Nun hat sie es mit einem Putin zu tun, der sich mit den Jahren immer weiter von den Werten des Westens entfernt hat, der sich in einem neuen Kalten Krieg wähnt und der die feindliche Übernahme der Krim zynisch mit der deutschen Wiedervereinigung verglichen hat. Zur Viererrunde im Kanzleramt, von der Hausherrin zur „schonungslosen Bestandsaufnahme“ erklärt, kommt Putin eher pflichtschuldig. „Einen Durchbruch“, sagt sein Sprecher schon vor dem Abflug in Moskau, „erwarten wir nicht.“

    Der Besuch gestern ist sein erster in Deutschland seit einem kurzen Abstecher zur Hannover-Messe im April 2013. In Berlin war Putin vor mehr als vier Jahren zum letzten Mal – für gerade einmal sechs Stunden. Auch Angela Merkels letzte Moskau-Reise liegt schon eine Weile zurück: Im Mai vergangenen Jahres verneigte sie sich am Grab des Unbekannten Soldaten zum 70. Jahrestag des Kriegsendes vor den Millionen russischen Opfern. Nach ihrem anschließenden Gespräch, das sich ebenfalls um die Krise in der Ukraine drehte, beschrieb Putin die wechselseitigen Beziehungen so: „Sie sind nicht die besten.“ Die Kanzlerin, sonst keine Freundin deutlicher Worte, konterte mit dem Vorwurf, Russland betreibe in der Ukraine eine „verbrecherische Verletzung der Nachkriegsordnung“.

    Für sie ist es schon ein Erfolg, dass der Gesprächsfaden nicht ganz abreißt. Auf Angela Merkels Schreibtisch im Kanzleramt steht ein Bild von Katharina der Großen, der Deutschen auf dem Zarenthron. Ihr Durchsetzungsvermögen, das darf man annehmen, hätte die Kanzlerin in der Ukraine-Krise und im Syrien-Konflikt gerne. Tatsächlich hat sie wenig in der Hand. Neue Sanktionen, heißt es in der Koalition, könne man ja fordern – nur bis die wirkten, vergehe zu viel Zeit.

    Eines, das immerhin, ist der Kanzlerin dann doch gelungen: Während Putin in Berlin ist, schweigen die Waffen in Aleppo.

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