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Krise: Endzeitstimmung in der FDP

Krise

Endzeitstimmung in der FDP

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    Endzeitstimmung in der FDP
    Endzeitstimmung in der FDP

    Berlin Das Bild ist die Botschaft. In trauter Eintracht sitzen Angela Merkel und Philipp Rösler, die Bundeskanzlerin und ihr Vizekanzler, die CDU-Chefin und der FDP-Vorsitzende, am Donnerstagvormittag nebeneinander auf der Regierungsbank im Reichstagsgebäude und lauschen der Regierungserklärung von Außenminister Guido Westerwelle zur Afghanistan-Politik der Bundesregierung. Alles im Griff, soll das Bild signalisieren, die Regierung arbeitet harmonisch, erfolgreich und ohne Komplikationen, trotz der Turbulenzen, die gerade den kleinen Koalitionspartner FDP erschüttern.

    Doch die Körpersprache der beiden mag nicht so recht zu dieser Botschaft passen. Angespannt und mitgenommen wirken die Regierungschefin und ihr Stellvertreter, oft geht ihr Blick aneinander vorbei ins Leere. Ihre ernsten Mienen sprechen Bände und verraten, wie es wirklich um sie steht. Der überraschende Rücktritt von FDP-Generalsekretär Christian Lindner  am Vortag, ein Paukenschlag, der selbst die engsten Parteifreunde einschließlich des Vorsitzenden überrascht und vor vollendete Tatsachen gestellt hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der FDP wie der schwarz-gelben Koalition. Endzeitstimmung macht sich breit. In der Union geht die Sorge um, dass die schwere Führungskrise bei der FDP auch die Koalition in massive Bedrängnis führen könnte. Die Liberalen, sagt ein einflussreicher Christdemokrat nicht ohne Mitgefühl im Gespräch, seien „außer Rand und Band“, „völlig unberechenbar“ und „orientierungslos“. Ein Fraktionskollege fällt auf Nachfrage ein vernichtendes Urteil über den Partner: „Die FDP richtet sich gerade selbst zugrunde.“ Und ein führender CSU-Mann orakelt gegenüber unserer Zeitung düster: „Es steht alles auf dem Spiel.“ Der Rücktritt Lindners offenbare, „wie ernst die Lage ist“.

    Alle wissen: Die Probleme der FDP könnten sehr bald schon die Regierung in erhebliche Turbulenzen stürzen. Sollte der Mitgliederentscheid der Liberalen zur Euro-Rettung erfolgreich sein, und sollten die Euro-Rebellen um Frank Schäffler dort die Mehrheit haben, käme im Bundestag zum Schwur. Entweder folgen Rösler, Brüderle und Co. dem Votum ihrer Mitglieder, dann wäre die Koalition ohne Mehrheit und damit zu Ende, oder sie setzen sich darüber hinweg, dann käme es zum Aufstand der eigenen Basis. Die FDP, heißt es in der Union verzweifelt, habe sich bei diesem Thema „völlig verrannt“.

    Das aber wird nicht ohne Folgen für FDP-Chef Philipp Rösler bleiben. Mit Christian Lindner ist ihm seine wichtigste Stütze, der intellektuelle Kopf der Partei und strategische Vordenker, verloren gegangen, nach nur einem halben Jahr im Amt wird es einsam um ihn. Immer mehr Freidemokraten stellen mittlerweile laut die Frage, ob Rösler überhaupt noch in der Lage ist, die Partei aus der Krise zu führen und das verlorene Vertrauen beim Wähler zurückzugewinnen. Die „Boygroup“, bestehend aus dem 38-jährigen Philipp Rösler, dem 35-jährigen Daniel Bahr und dem 32-jährigen Christian Lindner, die den Neuanfang der FDP symbolisieren wollten, sei „gescheitert“, lautet das einhellige Urteil in der Partei, nun müssten sich die Liberalen breiter aufstellen und auch die Älteren mit ihrer Erfahrung mit einbeziehen. „Die FDP muss als Ganzes wieder erkennbar werden, nur die Mischung zwischen Jung und Alt bringt Erfolg“, fordert ein Freidemokrat gegenüber unserer Zeitung.

    Der designierte Generalsekretär Patrick Döring, dem gleich an seinem ersten Tag im neuen Amt ein Strafverfahren wegen Unfallflucht droht, da er beim Ausparken den Außenspiegel eines anderen Fahrzeugs beschädigt hat, fordert seine Partei daher zur Geschlossenheit auf. Geradezu eindringlich fleht er, dass alle das Ergebnis des Mitgliederentscheids, das am heutigen Freitag bekannt gegeben wird, geschlossen mittragen, unabhängig vom Ergebnis. Fraglich allerdings, ob dieser Wunsch in Erfüllung geht. Hans-Heinrich Sander, liberaler Umweltminister in Röslers Heimatland Niedersachsen, befürchtet jedenfalls mit Blick auf den Euro-Mitgliederentscheid das Schlimmste: „Wenn eine Mehrheit gegen den Antrag des Bundesvorstands gestimmt hat, dann geht das Hauen und Stechen erst los.“

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