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Kriminalität: Jede Woche drei sinnlose Tode

Kriminalität

Jede Woche drei sinnlose Tode

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    Grablichter und Stofftiere vor dem Wohnhaus der verstorbenen elfjährigen Chantal im Hamburg-Wilhelmsburg. Sie starb an einer Methadon-Vergiftung, weil ihre Pflegeeltern drogenabhängig waren.
    Grablichter und Stofftiere vor dem Wohnhaus der verstorbenen elfjährigen Chantal im Hamburg-Wilhelmsburg. Sie starb an einer Methadon-Vergiftung, weil ihre Pflegeeltern drogenabhängig waren. Foto: Marcus Brandt/Archivbild dpa

    Es ist eine der traurigsten Statistiken überhaupt: Jede Woche kommen in Deutschland drei Kinder gewaltsam ums Leben – und nichts ändert sich. Georg Ehrmann, der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, kann seinen Zorn nur mühsam unterdrücken. Wenn in einer Woche drei Menschen von rechten Schlägern totgeprügelt würden, sagt er, „dann säße jetzt der Innenminister hier und die ersten Lichterketten wären schon in Arbeit“. Fälle wie der des toten Säuglings, der noch lebte, als er vor wenigen Tagen bei Stralsund in einen Rucksack gesteckt und auf eine Wiese geworfen wurde, „sind keine Einzelfälle“.

    146 Kinder wurden im vergangenen Jahr getötet - 12 000 sexuell missbraucht

    146 Kinder wurden in Deutschland im vergangenen Jahr getötet, 72 kamen nach einem versuchten Mord oder einem versuchten Totschlag nur knapp mit dem Leben davon. Dass die Zahlen deutlich unter denen des Vorjahres lagen, macht die Sache für Jörg Ziercke, den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, nicht besser: Weit über 12 000 Kinder sind im gleichen Zeitraum Opfer sexuellen Missbrauchs geworden – fast fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

    Außerdem wurden knapp 4000 Erwachsene ertappt, die im Besitz von kinderpornografischen Fotos oder Videos waren oder versucht haben, sich solche zu verschaffen. Das ist ein Anstieg von 23 Prozent. Ziercke nennt es „das Hellfeld“. Das Dunkelfeld, sagt er, „ist weitaus größer“.

    System der Jugendhilfe nicht in der Lage, Kinder ausreichend zu schützen

    Nach wie vor sei das gegenwärtige System der Jugendhilfe nicht in der Lage, Kinder ausreichend zu schützen, kritisiert Kinderschützer Ehrmann. Die Kinderhilfe und der Bund Deutscher Kriminalbeamten fordern deshalb eine radikale Reform mit verpflichtenden Hausbesuchen in auffälligen Familien und einer besseren Überwachung von Jugendämtern und freien Trägern. Nach Zierckes Zahlen werden jeden Tag elf Kinder körperlich misshandelt und 39 Kinder sexuell missbraucht. Dazu kommen noch 17 Fälle von Kinderpornografie.

    Rechtslage zu lax?

    Was noch alles im Argen liegt, zeigt nach Ehrmanns Worten nicht zuletzt der Tod der elfjährigen Chantal aus Hamburg, die Anfang des Jahres an einer Methadonvergiftung gestorben ist. Dass Drogenabhängige oder Dealer wie in ihrem Fall von Jugendämtern als Pflegeeltern angeworben würden, sei nach der geltenden Gesetzeslage kein Problem.

    Eine weitere Rechtslücke sieht Kriminalbeamtenbundchef Andre Schulz in den laxen Vorschriften für Sportvereine, Musikschulen oder die Anbieter von Ferienfreizeiten: Weder der Runde Tisch, der nach den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche und der Odenwaldschule zusammengerufen worden sei, noch die Politik hätten sich bisher auf ein verpflichtendes Führungszeugnis für Trainer und Betreuer durchringen können.

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