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Kriminalität: Gewalt in Partnerschaften nimmt zu: Jede dritte Frau erlebt körperlichen Missbrauch

Kriminalität

Gewalt in Partnerschaften nimmt zu: Jede dritte Frau erlebt körperlichen Missbrauch

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    Ob häusliche Gewalt in der Corona-Krise zugenommen hat, lässt sich (noch) nicht abschließend sagen.
    Ob häusliche Gewalt in der Corona-Krise zugenommen hat, lässt sich (noch) nicht abschließend sagen. Foto: Bernd Hohlen (Symbolbild)

    Die Zahl der angezeigten Gewalttaten in Partnerschaften wächst. Laut der aktuellen Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) wurden 2020 fast 147.000 Fälle registriert – das ist ein Anstieg von knapp fünf Prozent im Vergleich zum Jahr davor.

    Auch die Zahl der Todesopfer durch Partnerschaftsgewalt erhöhte sich um 20 auf 169. Weiterhin sind im weitaus größten Teil der Fälle die Tatverdächtigen Männer. Doch der Anteil der weiblichen Tatverdächtigen ist in den vergangenen Jahren leicht gestiegen und beträgt inzwischen 20,9 Prozent.

    Gewalt gegen Frauen hat zugenommen.
    Gewalt gegen Frauen hat zugenommen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Erfasst werden Fälle von versuchten oder vollendeten Körperverletzungs- und Tötungsdelikten, Vergewaltigung, Stalking oder Bedrohung in Partnerschaften, die noch bestehen oder bereits beendet sind. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), die kommissarisch auch das Frauen- und Familienministerium leitet, sagte: „In jeder Stunde werden in Deutschland durchschnittlich 13 Frauen Opfer einer Gewalttat. Jeden dritten Tag stirbt eine Frau an den Folgen einer Gewalttat.“

    Noch immer sei das Thema mit gesellschaftlichen Tabus behaftet, dies verhindere, dass die Betroffenen Hilfe erhalten. „Ihr seid nicht allein“, appellierte sie an Gewaltopfer, sich an die Polizei oder Beratungsstellen wie das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ zu wenden.

    Das Dunkelfeld der Gewalttaten ist groß

    Dass eine hohe Zahl von Fällen unentdeckt bleibt, glaubt BKA-Präsident Holger Münch: „Wir sehen nur, was bekannt geworden ist. Wir müssen aber von einem sehr erheblichen Dunkelfeld ausgehen.“ Die Kriminalstatistik sei also „kein getreues Spiegelbild der Situation“.

    Frauen- und Familienministerin Christine Lambrecht (rechts) Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", und BK-Präsident Holger Münch bei der Vorstellung der Studie.
    Frauen- und Familienministerin Christine Lambrecht (rechts) Petra Söchting, Leiterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", und BK-Präsident Holger Münch bei der Vorstellung der Studie. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Aus diesem Grund ist es laut Münch auch schwer nachzuweisen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf den Anstieg der Partnerschaftsgewalt hatte. Im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahreszeiträumen falle der Anstieg der Zahlen während der Phasen des Lockdowns nur gering aus. Das könne aber auch daran liegen, dass in Zeiten von Kontaktbeschränkungen etwa Blutergüsse oder andere Zeichen von Misshandlung seltener durch Dritte erkannt würden. Für die Betroffenen sei es auch schwieriger, sich an die Behörden zu wenden, wenn der gewalttätige Partner dauernd in der Nähe sei, so Münch weiter.

    Mehr Anrufe beim Hilfetelefon während des Lockdowns

    Deutliche Anzeichen, dass sich die Lage während der Pandemie verschlimmert hat, sieht Petra Söchting, die Leiterin des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“. Ihren Angaben zufolge hat die Zahl der Beratungsgespräche 2020 im Vergleich zu 2019 um rund 15 Prozent zugenommen. „In ohnehin konfliktbehafteten Beziehungen kann räumliche Enge zu einer Verschärfung führen. Man kann sich dann schlichtweg nicht mehr aus dem Weg gehen“, sagte Söchting.

    Sie berichtete zudem von einer gestiegenen Zahl von Anrufen aus akuten Notsituationen heraus, „bei denen dann gleich die Polizei dazugeschaltet werden musste“. Wie Söchting ruft auch BKA-Chef Münch die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, die Behörden zu informieren, wenn sie einen Verdacht haben. „Partnerschaftsgewalt geht uns alle an“, sagte er.

    Entwicklungsminister Müller sagt Hilfe zu

    Vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, der an diesem Donnerstag begangen wird, verstärkt die Bundesregierung ihre Anstrengungen zum Schutz von Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt. Für mehrere Projekte werden insgesamt 15 Millionen Euro neu bereitgestellt. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte unserer Redaktion: „Weltweit erlebt jede dritte Frau in ihrem Leben mindestens einmal körperliche oder sexualisierte Gewalt.“

    Die Corona-Krise habe die Lage dramatisch verschärft: „Durch die Lockdowns ist häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen angestiegen. Experten rechnen mit bis zu 30 Millionen weiteren Fällen.“ Infolge der weltweiten Hunger- und Wirtschaftskrise würden zudem geschätzt 13 Millionen Mädchen zu Früh- oder Zwangsheiraten gedrängt. „Das können wir nicht einfach so hinnehmen“, sagte Müller. Deutschland werde deshalb den Kampf gegen Gewalt an Frauen mit weiteren 15 Millionen Euro unterstützen. Das Geld gehe an den UN-Treuhandfonds zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen, an zwei afrikanische Regionalinitiativen zur Prävention von Gewalttaten gegen Frauen sowie eine internationale Mädchenbildungsinitiative.

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