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Kreditaffäre: Privatkredit: Bundespräsident Wulff gerät zunehmend in Erklärungsnot

Kreditaffäre

Privatkredit: Bundespräsident Wulff gerät zunehmend in Erklärungsnot

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    Bundespräsident Christian Wulff gerät wegen des Kredits der baden-württembergischen BW-Bank für seinen privaten Hausbau weiter in Erklärungsnot.
    Bundespräsident Christian Wulff gerät wegen des Kredits der baden-württembergischen BW-Bank für seinen privaten Hausbau weiter in Erklärungsnot. Foto: dpa

    Bundespräsident Christian Wulff gerät wegen des Kredits der baden-württembergischen BW-Bank für seinen privaten Hausbau weiter in Erklärungsnot. Wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" am Samstag vorab berichtete, ist die Tochter der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) die Hausbank des Stuttgarter Sportwagenbauers Porsche. Diese wurde 2009 durch einen Einstieg des niedersächsischen Autobauers Volkswagen vor der Pleite gerettet.

    Wullf war im Porsche-Aufsichtsrat

    Wulff saß dem "Spiegel"-Bericht zufolge im März 2009 als niedersächsischer Ministerpräsident im Präsidium des VW-Aufsichtsrats. Angesichts der Geldnöte von Porsche entwickelte er demnach mit VW-Patriarch Ferdinand Piëch und Konzernchef Martin Winterkorn eine "Grundlagenvereinbarung" für den Einstieg bei dem Luxushersteller. Durch diesen konnten auch die Geldgeber des Sportwagenbauers, die BW-Bank und die LBBW, aufatmen, wie es in dem Magazin heißt.

    Wulff antwortete auf die Frage des "Spiegels", ob der Kredit eine Art "Dankeschön" für die Porsche-Rettung gewesen sei, es bestehe "keine irgendwie geartete Interessenkollision". Vorgänge aus dem VW-Aufsichtsrat könne er nicht kommentieren, weil sie "fortgeltender Verschwiegenheitsverpflichtungen" unterlägen.

    Wulff hatte sich eine halbe Million Euro geliehen

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Wulff hatte zur Finanzierung seines Hausbaus bei Hannover rund eine halbe Million Euro von der Frau des befreundeten Unternehmers Egon Geerkens geliehen, später löste er den Kredit durch ein besonders zinsgünstiges Darlehen der BW-Bank ab. Kurz vor Weihnachten wandelte er dieses in einen langfristigen Kredit zu normalen Konditionen um.

    Die Vergabe des ersten Darlehensvertrags beschäftigt nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung nun auch die Gremien der BW-Bank. Ein Sprecher bestätigte dem Blatt, dass eine interne Prüfung eingeleitet wurde. Dem Bericht zufolge geht es dabei um mögliche Vorteilsgewährung, Vorteilsnahme und Untreue. Entgegen Wulffs offiziellen Äußerungen wurde die BW-Bank in der Sache offenbar nicht gänzlich vom Bankgeheimnis befreit. Auf die Frage, wie hoch der Aufschlag auf den vereinbarten Euribor-Zinssatz war, antwortete das Geldhaus "Bild": "Diesbezüglich gilt das Bankgeheimnis. Wenden Sie sich bitte an Herrn Wulff."

    Lammert kritisiert Medien

    Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) kritisierte den Umgang der Medien mit der Kreditaffäre. Nicht nur Wulff selbst müsse sich fragen, ob er mit den Vorwürfen gegen ihn angemessen umgegangen sei, sagte Lammert der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag. "Auch die Medien haben Anlass zu selbstkritischer Betrachtung ihrer offensichtlich nicht nur an Aufklärung interessierten Berichterstattung." Die Art und die Dauer der Auseinandersetzung hätten nicht nur Wulff strapaziert, sondern auch das Amt und seine Autorität berührt.

    Führende Politiker der schwarz-gelben Koalition forderten erneut ein sofortiges Ende der Debatte um Wulff. "Wir sollten jetzt keinerlei Diskussion mehr über das höchste Staatsamt und über die Person des Bundespräsidenten führen", sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FPD) in der "Welt am Sonntag". CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der "Welt" (Montagsausgabe), der Bundespräsident habe zu den Vorwürfen ausführlich Stellung genommen und sich persönlich entschuldigt. Ansonsten habe er sein Amt gut geführt. "Dies sollte er so fortsetzen." (afp)

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